Carberry schnappte sich den Oberpiraten El Kedir. Mit einem wilden Ruck hievte er den Kerl auf die Beine und drosch ihm die Faust auf die Nase. El Kedir verfügte zwar über erstaunliche Kräfte, aber offenbar war sein Riechorgan sehr empfindlich. Er taumelte und brüllte. Trotzdem griff er an und rannte genau in den berüchtigten Profoshammer. Von da an nahm El Kedir am aktiven Kampfgeschehen nicht mehr teil. Der Schlag fegte ihn unter das Podium, auf dem die Sklaven verkauft werden sollten. Dort wickelte er sich um einen tragenden Pfosten, der das nicht vertrug und zu Bruch ging. Ein Teil der Bretterbühne krachte in sich zusammen…
Vor Erschöpfung hatten die Mannen der «Santa Barbara» abwechselnd, jeder ein, zwei Stunden geschlafen. Wie die Teufel hatten sie gegen die Brände gekämpft, die an Bord infolge des Vulkanausbruchs entstanden waren. Jetzt waren sie wieder wach – verdreckt, verrußt, immer noch abgeschlafft und mit kleinen Brandwunden übersät. Die blauen Flecken zählten sie erst gar nicht mit, die sie sich geholt hatten, als die Galeone verrückt spielte. Der Tag begann mit einer Entdeckung, die niederschmetternd war, als sich Hasard auf dem Achterdeck umschaute. Überall sah er Brandlöcher im Holz, aber das war es nicht, was ihn so entsetzte. Ungläubig starrte er auf das Kompaßhäuschen. Das war nur noch ein Trümmerhaufen – der Kompaß war zerschmettert…
Mel Farrow, der Mann aus Jean Ribaults Crew, hatte sich von den Spaniern überrumpeln lassen. Als er jetzt auf dem Achterdeck der Kriegsgaleone stand, bewacht von Seesoldaten, wußte er mit einem Blick Bescheid. Der Capitán war ein Eisenfresser, ein unbarmherziger, kaltschnäuziger Hundesohn mit einem verächtlichen Ausdruck in den kalten Augen. Er trug einen Knebelbart und hatte eine schmale, wie mit dem Lineal gezogene Nase. Seine Lippen waren dünn und blaß, die Wangenknochen stachen leicht hervor. Von diesem Augenblick an beschloß Mel Farrow, in eine andere Rolle zu schlüpfen und sich als ein anderer auszugeben. Er durfte seine Kameraden auf der Insel nicht verraten, schließlich gehörte er dem Bund der Korsaren an…
Der Anstrum der Wassermassen drückte die Bordwände ein und riß alle zu Boden, auch Hasard, der seine beiden Söhne umklammert hielt. Unwiderstehliche Gewalten schoben die «Santa Barbara» zur Flußmitte hin. Ein riesiger Schwall aus Wasser und Dreck begrub sie. Wie ein Spielzeug wurde sie dann angehoben, in die Höhe getragen und fortgeschwemmt. Dabei drehte sie sich einige Male in den schaumigen Wellen herum. Die ersten Männer gingen brüllend über Bord und griffen haltsuchend um sich. Aber da gab es keinen Halt. Das Wasser schwemmte ihre Körper fort und nahm sie in den reißenden Strom mit…
Schotten öffneten sich plötzlich, Männer stürmten blitzschnell an Deck. Von überallher tauchten sie scheinbar aus dem Nichts auf. Hakulinen fuhr ratlos herum und erbleichte. Er sah wildentschlossene Männer von allen Seiten auf sich zurasen, angeführt von dem schwarzhaarigen Teufel, den er so aufs Kreuz gelegt hatte. Er stand wie zu Stein erstarrt da, als er die bekannten Gesichter sah. Die waren jetzt allerdings grimmig verzogen, denn nun brach die Hölle auf dem Schiff los, und das große Aufräumen begann. Sogar Mac Pellew sah heute mal fröhlich aus, als er die Fäuste fliegen ließ. Hasard schnappte sich den nächstbesten Mann und donnerte ihn vierkant gegen den Großmast. Big Old Shane prügelte sich quer durch die Kuhl und räumte ab…
Der Ankerwächter lehnte am Schanzkleid, hatte einen glasigen Blick drauf und befand sich in dem Zustand zwischen Halbschlaf und trägem Wachsein. Als er dann endgültig schlief und sogar schnarchte, gingen Carberry und Stenmark ans Werk. Sie verhohlten die Jolle zum Vorschiff, rundeten es und erreichten die schräg in die See ragende Ankertrosse der «San Jacinto». Während Stenmark den pennenden Kerl oben am Schanzkleid scharf im Auge behielt, säbelte Carberry mit ein paar Schnitten die Ankertrosse durch. Ohne den Halt des Ankers begann die Galeone sanft über den Achtersteven wegzutreiben. Der Kerl oben schnarchte weiter. Na, das würde sich bald ändern, und vermutlich standen dem Schnarcher schwere Zeiten bevor…
Philip Hasard Killigrew, die Rote Korsarin und die Männer, die Roger Lutz in das Höhlensystem hinter dem Wasserfall geführt hatte, waren stumm und starr vor Staunen. Was Don Antonio, der ehemalige Gouverneur von Kuba, hier angesammelt hatte, sprengte jegliche Vorstellungskraft über Reichtum. Es war nicht mehr ermeßbar, welche Werte hier in Truhen, Kisten und Fässern gestapelt waren. Sogar Porzellan befand sich unter den Schätzen, chinesisches Porzellan aus der Sung- und Yüan-Zeit, wie Siri-Tong bewundernd feststellte. Und sie wußte sehr genau, daß sich solche Kostbarkeiten nur Herrscher leisten konnten, aber Don Antonio war kein Herrscher. Und noch weniger war es Alonzo de Escobedo, der diese Schätze an sich raffen wollte…
Eine gläserne Walze rollte auf die «Bonifacio» zu. Ihr Wasser war allerdings pechschwarz, auf dem Kamm stand weißer Schaum. Fauchend und donnerend raste sie heran. Die Galeone wurde hochgehoben und wild durchgeschüttelt. Eine Riesenfaust hämmerte auf sie ein. Unglaubliche Mengen Wasser ergossen sich über die Decks und donnerten schäumend nach achtern. Die Kerle, die am Niedergang standen, wurden überspült und von den Beinen gerissen. Brüllend klammerten sie sich irgendwo fest. Die nächste Walze schlug von Backbord zu. Sie waren noch nicht richtig auf den Beinen, als die Galeone so weit nach Steuerbord überkrägte, daß die Rüsten durchs Wasser schleiften…
Es waren etwa vier Minuten vergangen. Da wurde das Feuer auf der «Nuestra Senora Maria» noch greller und intensiver. Die Hitze wehte wie ein Feuersturm über die Decks. Dann folgte der Blitz. Die Arwenacks zogen mit einem Ruck die Riemen binnenbords und verhielten sich so, wie ihr Kapitän angeordnet hatte. Sie rissen die Mäuler sperrangelweit auf und pressten die Hände auf die Ohren. Die Augen kniffen sie zu kleinen Schlitzen zusammen. Drüben stieg etwas in den Himmel, das man getrost als rasend schnell emporgeschleuderte Sonne bezeichnen konnte. Erst war der Ball gelb, dann wallte er blitzartig mit rötlichen Stellen hoch, und dann wurde er weiß mit einem sauber abgegrenzten Blaustich. Im Hafen von Santiago de Cuba und auf der Reede schien der Weltuntergang seinen Anfang zu nehmen…
Für die Bürger von Varna mußte das Grölen in dieser Nacht wie ein Teufelschor klingen und sie wußten, daß die wüste Rabaukenbande des Igor Samollow wieder in der Hafenschenke herumtobte. Doch sie wußten nicht, daß die Fremden aus dem fernen England längst den Spieß umgedreht hatten und dabei waren, im Morgennebel die russische Dubas des Igor Samollow zu entern. Dessen Kerle waren so betrunken, daß sie überhaupt nicht erkannten, wer da an Bord stieg. Das änderte sich erst, als sich der Profos von einem hingebungsvoll an ihm hängenden Kerl löste, der ihn begrüßen und abschmatzen wollte. Da flog der berüchtigte Profoshammer, und der Kerl stieg nach dem Schlag fast snekrecht am Mast hoch…