Ausbilden. Andreas Grassi

Читать онлайн.
Название Ausbilden
Автор произведения Andreas Grassi
Жанр Документальная литература
Серия hep praxis
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783035509076



Скачать книгу

      Abbildung 0-1: Ausbildungsreform aus der Sicht unterschiedlicher Akteure OdA = Organisationen der Arbeitswelt üK = überbetrieblicher Kurs

      Mit der Publikation verfolgen wir also drei Hauptziele:

      •Wir wollen ein strukturiertes Vorgehen von der Kompetenzerfassung bis zur Umsetzung des Qualifikationsverfahrens vorstellen.

      •Wir wollen Erfahrungswissen aus Sicht der beteiligten Akteure zusammentragen.

      •Wir wollen die anerkannten theoretischen Grundlagen aufbereiten und zeigen, wie wir diese Grundlagen praktisch umgesetzt haben.

      Einer der zentralen Erfolgsfaktoren bei diesem Vorhaben war die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten, was auch in der Co-Autorenschaft des Buches zum Ausdruck kommt. Beteiligt waren folgende Akteure:

      •Benedikt Koch, bis 2016 Geschäftsführer von Infra Suisse, der Auftraggeberin der Reform;

      •Urs Lütolf und Christian Carlen, die Verantwortlichen für die Umsetzung des Projekts in der Schulleitung der Berufsfachschule Verkehrswegbauer Sursee;

      •Mitarbeitende der Ectaveo AG, Zürich;

      •Andreas Grassi, Beruf-Bildung-Entwicklung GmbH, Thun;

      •und natürlich Berufspersonen, die Mitarbeitenden, Lehrpersonen und üK-Instruktoren der Berufsfachschule für Verkehrswegbau, die die Reform in allen Phasen mitgeprägt haben.

      Bei der pädagogischen Begleitung der Reform wurden neue Wege eingeschlagen. Die Ectaveo AG war für die konzeptionelle Gestaltung verschiedener didaktischer Umsetzungsfragen verantwortlich, anschliessend übergab sie den Stab an Andreas Grassi, der die Umsetzung vor Ort gemeinsam mit der Schulleitung begleitete.

      In den nachfolgenden Kapiteln wird jeweils eine Etappe der Reform ausgeleuchtet. Die Kapitel folgen im Grossen und Ganzen der Chronologie, können aber auch einzeln gelesen werden.

       Frühjahr 2017

       Das Autorenteam

Image - img_02000004.jpg

      1 Eine zeitgemässe Ausbildung als zentrale Aufgabe jedes Berufsverbands

      Eine Grundbildung zu revidieren, ist kein Spaziergang – schon gar nicht, wenn es sich um ein Berufsfeld mit fünf verschiedenen Berufen handelt, wie dies im Verkehrswegbau der Fall ist. Wie es zu diesem Vorhaben gekommen ist, wie es in Angriff genommen wurde und was dabei zum Erfolg beigetragen hat, erfahren Sie in diesem Kapitel.

      Die Organisationen der Arbeitswelt (OdA) tragen die Hauptverantwortung für die Revision von Bildungsverordnungen und Bildungsplänen. Sie müssen den Prozess anführen und vorantreiben. Bei der Revision der Bildungsverordnungen und Bildungspläne für das Berufsfeld Verkehrswegbau hat Infra Suisse wertvolle Erfahrungen sammeln können. Davon handelt dieses Buch.

      Wettbewerb ist ein elementares Prinzip unserer Wirtschaft. Unternehmen streben nach den besten Ideen, den tiefsten Kosten, den treuesten Kunden und – mehr denn je – nach den besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Personen zu finden, die kompetent sind und zur Unternehmenskultur passen, ist indessen gerade in traditionellen handwerklichen Berufen nicht immer einfach. Firmen können das notwendige Personal entweder bei der Konkurrenz abwerben oder selbst aus- und weiterbilden. Beide Wege haben ihre Vor- und Nachteile; die Erfahrung aus der Praxis dürfte aber klar dafür sprechen, dass sich eine Unternehmung in der Aus- und Weiterbildung der eigenen Mitarbeitenden engagiert – ganz nach dem Motto von Benjamin Franklin (1706–1790), einem der Gründerväter der Vereinigten Staaten: «Eine Investition in Wissen bringt noch immer die besten Zinsen.» Wer gute Mitarbeitende will und sie auch halten möchte, muss sich anstrengen und um den Ruf eines attraktiven Arbeitgebers bemüht sein – dazu gehört auch Engagement in der Aus- und Weiterbildung.

      Das Gebot der Attraktivität gilt in Zeiten des Fachkräftemangels nicht nur für einzelne Unternehmungen, sondern auch für ganze Wirtschaftszweige. Eine Branche muss dem Personal gute Arbeitsbedingungen, konkurrenzfähige Löhne und vor allem Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Der Schweizer Infrastrukturbau steht diesbezüglich gut da. Die Aus- und Weiterbildungen im Bauhauptgewerbe sind klar strukturiert und seit Langem etabliert. In einer Baufirma findet sich für jeden, unabhängig von seinen technischen, organisatorischen oder kaufmännischen Fähigkeiten, eine Aufgabe, sei es als Bauarbeiter ohne Fachkenntnisse, als Facharbeiter, Vorarbeiterin, Polier, Bauführerin, Kalkulator, Abteilungsleiterin oder als Geschäftsführer.

      Infra Suisse ist die Branchenorganisation der Schweizer Infrastrukturbauer. Die Berufsbildung ist für sie eine zentrale Aufgabe. Auch wenn der Verband in seiner heutigen Form erst seit dem Jahr 2007 existiert, blickt er dank seiner Vorgängerorganisationen doch auf eine lange Berufsbildungstradition zurück. Aber auch eine lange Tradition entbindet nicht von der Pflicht, für Aus- und Weiterbildungen auf der Höhe der Zeit zu sorgen. Verbände, die das nicht tun, haben je länger, desto mehr Mühe, ihre Existenz zu legitimieren.

      Die Anforderungen an das Baustellenpersonal haben sich auch im Infrastrukturbau in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Früher beschäftigte die Branche ein Heer von grösstenteils ungelernten Bauarbeitern. Die meisten Arbeiten wurden von Hand ausgeführt. Heute werden, wo immer möglich, Maschinen eingesetzt. Die Konsequenz: Wofür früher zehn Männer nötig waren, reichen heute ein Bagger und ein Baggerführer. Die reine Muskelkraft hat auf der Baustelle an Bedeutung verloren. Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg einer Bauunternehmung sind heute vielmehr die Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden – und zwar nicht mehr nur auf der Baustelle selbst, sondern vor allem bei der Vorbereitung der Arbeiten, deren Organisation und Führung.

      Mit der technischen Entwicklung haben sich die Aufgaben eines Verkehrswegbauers gewandelt. Sie sind vielfältiger, spannender und anspruchsvoller geworden. Strassenbauer beispielsweise bauen Beläge ein, heben Gräben aus, erstellen Randabschlüsse, versetzen Schächte oder bedienen und warten ihre Geräte und Maschinen. Entsprechende Kompetenzen sind für ihre Tätigkeiten elementar und müssen darum auch in der Bildungsverordnung und im Bildungsplan abgebildet sein.

      Zum Berufsfeld Verkehrswegbau gehören die fünf Berufe Strassenbauer/-in, Gleisbauer/-in, Grundbauer/-in, Industrie- und Unterlagsbodenbauer/-in und Pflästerin/Pflästerer. Für alle diese Berufe werden heute zum einen Grundbildungen mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ), zum andern zweijährige Berufslehren mit eidgenössischem Berufsattest (EBA) angeboten. Das Berufsfeld Verkehrswegbau wurde vor rund zwanzig Jahren geschaffen. Davon profitierten insbesondere die Berufe, die pro Lehrjahr nur ein paar wenige Lernende ausbildeten. Sie erhielten so eine strukturierte Grundbildung mit einem national anerkannten Abschluss.

      Vorstellungen, wie eine Berufsbildung auszusehen hat, sind einem steten Wandel unterworfen. Noch bei der letzten Revision der Bildungsverordnungen im Berufsfeld Verkehrswegbau im Jahr 2007 standen die Gemeinsamkeiten der fünf Berufe im Vordergrund. Man wollte den Lernenden eine möglichst breite Ausbildung anbieten. Das war zwar spannend, doch vieles, was gelernt und geprüft wurde, hatte später bei der Arbeit auf der Baustelle keinen echten Nutzen. Dies wurde mit der jüngsten Revision seit 2012 berücksichtigt: Die Kernaufgaben der einzelnen Berufe wurden wieder stärker betont.

      Nach den Vorgaben des Bundes müssen Bildungsverordnungen regelmässig – aber mindestens alle fünf Jahre – überprüft und den wirtschaftlichen, technologischen und didaktischen Entwicklungen angepasst werden (vgl. www.sbfi.admin.ch → Themen → Berufsbildung → Berufliche Grundbildung → Berufsentwicklung [Zugriff: 19.4.2017]. Die Bildungsverordnung für das Berufsfeld Verkehrswegbau war seit 2008 in Kraft, eine nächste Evaluation war also spätestens im Jahr 2013 angesagt. Doch neue Anforderungen vonseiten der Branche wie des Gesetzgebers waren ein Grund, die Sache schon früher anzugehen.