Tales of Beatnik Glory, Band II, (Deutsche Edition). Ed Sanders

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Название Tales of Beatnik Glory, Band II, (Deutsche Edition)
Автор произведения Ed Sanders
Жанр Документальная литература
Серия Tales of Beatnik Glory - Deutsche Edition
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862870967



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neue aufzustellen. Die meisten waren in der Tradition der Nachkriegsvierziger und der Fünfziger McCarthys erzogen und rebellierten dagegen, weigerten sich mit anderen Worten, farblos, blond und blind zu sein. Es war nicht einfach, in den Wirren sich jagender Veränderungen wirklich stimmig die Probleme der Befreiung zu formulieren, die erst fünf Jahre später voll und ganz erläutert waren. Aber sie hatten eine Nase dafür.

      Die Ehen und Beziehungen dieser Frauen gingen regelmäßig in die Brüche, wenn auch wahrscheinlich nicht öfter als unter den Spießern, nur womöglich etwas lebhafter, da ihre Persönlichkeiten darauf programmiert waren, sich mit dem homo erectus beatnicus zu paaren. Ihre Ehegatten oder Liebhaber hielten es nämlich mit einer berauschenden Tradition: der Lebensweise nebst dem Wahnsinn von Schriftstellern und Künstlern wie Charlie Parker, Hemingway, Fitzgerald, Baudelaire, Nerval, Kerouac, Jackson Pollock, Modigliani, Hart Crane, Vachel Lindsay, Van Gogh ... Es gab da einen Berg von Irrsinn, und der wollte bestiegen sein!

      Infolgedessen neigte ein gut Teil dieser Männer zur Egomanie, mit anderen Worten: zu Rücksichtslosigkeit, Obsessionen und Drogenmissbrauch; sie waren manisch-depressiv, despotisch, anmaßend und maßlos erotisiert, auf der anderen Seite jedoch unentschlossen und ohne Selbstvertrauen. Die meisten der Frauen im Park liebten ihre Kerle über alles, aber so schwache Menschen mit derartigen Fehlern zu lieben war alles andere als einfach, wo sie selbst schwach und fehlerhaft und beide Seiten in Verwirrung, Armut und widersprüchlichen Trieben gefangen waren. Einige der Frauen waren dem Abenteuer nicht abgeneigt, und als ihre Partner fremdgegangen waren, so erzählten sie den anderen, hatten sie es selbst versucht. Einige fanden Gefallen daran, andere nicht, wieder andere wussten nicht so recht.

      Sie hatten nicht eigentlich einen Namen für ihre Gruppe, abgesehen von einem, der als Scherz zustande gekommen war. Marie Colson hatte von einem Streich erzählt, den ihr Gatte sich jüngst geleistet hatte, und mittendrin ausgerufen: »Es ist, als lebe man mit einem Mongolen!«

      Als lebe man mit einem Mongolen — lachend schlug man sich auf die Schenkel. Von dem Tag an waren sie der Mongolenausschuss. Selbstredend, dass sich die Bemerkung auf die Mongolen des Dreizehnten Jahrhunderts bezog und nicht etwa auf die guten Leute der modernen Volksrepublik. Maries Gatte wurde der Archetyp. So stammte etwa die Technik des Mongolen beim Abwasch geradewegs aus dem Pleistozän. Spülmittel und Topfkratzer meidend, ging er mit den Fingernägeln zu Werke, kratzte und stocherte auf Spaghettihöcker in Töpfen ein wie ein Opossum, das sich durch eine Tür zu nagen versucht. Natürlich hatte diese Technik für ihn einen spirituellen Hintergrund; enthüllt hatte sie ihm — wie ein Zen-Koan — ein Typ, der als Beatnik-Tony bekannt war. Sie half dem Mongolen, die Oleophobie oder Angst vor dem haptischen Kontakt mit Speiseresten und öligen Oberflächen zu überwinden, die er aus dem Mittelwesten mitgebracht hatte.

      Der Mongole war ein archetypisches Ferkel. Seine Genitalien waren buchstäblich schmierig und grau. Seine Seite des Betts glich einem Krähennest: Büroklammern, getrocknete Pasta, Fusseln, beschriebene Zettel (und auch schon mal beschriebene Laken), Kaffeeflecken, Samenflecken, Haschkrümel, Magazine, lose Heftklammern (gefürchtet, weil Marie sich daran ständig schnitt) und weiß der Teufel was sonst. Die Vorstellung des Mongolen vom Bettenmachen beschränkte sich darauf, eine Madrasdecke über das eben geschilderte Chaos zu werfen und dann schleunigst von dannen zu ziehen. Marie versuchte es ihm beizubringen, aber das Ergebnis war ausnahmslos ein klumpiges Faltenterrain, das arg nach Marcel Duchamps dadaistischer Fotomontage Dust Breeding aussah.

      Der Mongolenausschuss taugte, wenn schon sonst zu nicht sonderlich viel, immerhin dazu, seinen Mitgliedern Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch zu geben. So konnten sie zum Beispiel die Ausreden ihrer Partner vergleichen, wenn sie wieder mal nicht nach Hause gekommen waren, und feststellen, dass sie alle gleich waren:

      1. überfallen und bewusstlos auf der Straße liegen gelassen,

      2. bei Nelson nach einem irrsinnigen Roten Libanesen aus den Latschen gekippt,

      3. verhaftet und durfte nicht raustelefonieren,

      4. auf Past Blasts Party nach einem Yohimbin-Meskalin-Magic-Mushroom-Tequila-Punsch umgekippt — kein Telefon.

      Der Mongolenausschuss kannte sie alle in- und auswendig.

      Ihre Stärke kam aus der Fähigkeit zu teilen, schließlich hatten sie von offizieller Seite praktisch keine Unterstützung: keine Tagesstätten, kein Mietzuschuss, keinerlei Kommunaleinrichtungen seitens der Stadt. Die East Side hätte ein Sozialzentrum vertragen, das mit den Sitten und Gebräuchen der Beat-Ära vertraut war. Es gab zwar eine Klinik, oder jedenfalls nannte sie sich so, aber selbst die war ein gutes Stück zu Fuß, und dann gab es natürlich die Wohlfahrt, die aber schon in jenen Tagen – so wie heute — Familien eher zerstörte, als dass sie ihnen half. Also trafen sie sich vormittags, tauschten sich über ihre Probleme aus, die Krankheiten ihrer Kinder, die kleinen Schwächen ihrer Partner, die kleinen Schwächen der Zeit. Einige zögerten anfangs, die Details ihres Privatlebens schonungslos offen zu legen, vor allem, wenn es unappetitlich zu werden begann.

      Ihre erste Entscheidung als Gruppe bestand darin, bei sich zu Hause ein totales Verbot von Gewalt und deren Androhung anzustreben. Dies führte zu beträchtlicher Verlegenheit, ja zu Animositäten seitens der Männer — es kam zu Ausrufen wie: »Wer, ich? Was redest du denn? So was mach ich doch nicht! Na das eine Mal, da hast du mich provoziert.« Und zu weiteren Feindseligkeiten kam es, als sie einige Frauen vor Ehemännern versteckten, denen öfter mal die Hand ausrutschte und die dann drohend oder wimmernd die Wohnungen abklapperten, in denen man ihren Frauen Schutz gewährt haben konnte.

      Der Ausschuss organisierte Streiks gegen besonders schleimige Vermieter, wie etwa gegen den berüchtigten Slumlord Two Car Louis, der in einer Rostlaube in die Lower East Side fuhr, um die Miete zu kassieren, nachdem er seinen Cadillac an der 59th-Street-Bridge geparkt hatte, und dessen Häuser nur deshalb nicht als Hütten zu bezeichnen waren, weil die Bauherren zweihundert Jahre zuvor Mörtel und Steine benutzt hatten anstatt Holz.

      Sie gaben ihren Kindern Namen, die in der Beat-Generation Tradition hatten, wie Nathaniel, Sebastian, Katherine, Django, und einige mit afrikanischen Wurzeln wie Damjeela und Onghi. Zu den Flowerpower-Namen waren es noch einige Jahre hin. Noch hörte man nirgendwo: »Sequoia! Bringst du mal deine Batikfarben her?«, oder: »Mondfuchs, wir bewerfen Mountain aber nicht mit Sand, ja?« Es gab allerdings ein paar Kinder von Protohippies rund um den Sandkasten, die hießen Rainbow und Bountiful, und ein charmanter kleiner Junge namens Mulligan hörte gar auf den Vornamen On the Road.

      Die meisten der Frauen arbeiteten nicht, und selbst wenn sie sich Babysitter hätten leisten können, sahen ihre verklemmten Gatten sie in der Regel lieber in ihrer alternativen Küche. Derlei ökonomische Arrangements funktionierten, weil die Ausgaben fürs tägliche Leben so verlockend gering waren — man konnte sich einige Wochen in ein kreatives Projekt stürzen, dann ein paar Tage auftauchen, um Geld für Miete und Stadtwerke zusammenzukratzen, und wenn man die beisammenhatte, stürzte man sich wieder in seine Kunst.

      Erst wenn es zum gesundheitlichen Krisenfall kam oder Telefon und Strom abgestellt wurden und aus der Schüssel fürs Nudel- oder Kerzengeld keine Münzen mehr hervorkommen wollten, krachte der geballte Terror des New Yorker Lebens wie Hesiods Amboss in Ehe, Leben und Kunst — und der Ausschuss trat in Aktion. Man ging ans Eingemachte, brach Ersparnisse für Geburtstage und Weihnachten an und teilte sie mit den anderen. Man gab die eine oder andere Telefonnummer weiter, die rasch problemlose Kohle für den Notfall garantierte, sei es durch Modellstehen für Künstlerklassen am Cooper Union College oder der Universität von New York, durch Kellnern im Village oder im House of Nothingness oder eine Fülle anderer Möglichkeiten im Lichterdschungel von uptown New York.

      Die Zeit ging ins Land, und das Leben derer, die sich vormittags im Park versammelten, war zwar nicht weniger chaotisch, aber glücklicher als zuvor. Die Autorinnen unter ihnen hatten angefangen, ein hektografiertes Magazin herauszugeben, und die Malerinnen teilten sich die Kosten für Modelle und gemeinsames Babysitting.

      Zur Feier seines zweiten Jahrestags veranstaltete der Ausschuss ein Picknick am Sandkasten mit Essen und Wein, und eine von ihnen brachte sogar ein paar Speed-Pillen mit für alle, denen danach war, und reichte sie in Schokoladenpapier