Der rätselhafte Findling. Jörn Dassow

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Название Der rätselhafte Findling
Автор произведения Jörn Dassow
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783864081026



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      Jörn Dassow

      Der rätselhafte Findling

      Das Leben des Kaspar Hauser

       Impressum

      Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

      Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

      http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      ISBN: 978-3-86408-102-6 (epub) // 978-3-86408-103-3 (pdf)

      Korrektorat: Alexander Schug

      © Copyright: Vergangenheitsverlag, Berlin / 2012

       www.vergangenheitsverlag.de

      Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen und digitalen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.

      eBook-Herstellung und Auslieferung:

       readbox publishing, Dortmund

       www.readbox.net

      Inhalt

       1. Einleitung

       2. Der historische Kaspar Hauser

       2.1. Verhör und Inhaftierung

       2.2. Das Opfer eines Verbrechens?

       2.3. Vom Tiermenschen zum Schuljungen

       2.4. Ein Attentat?

       2.5. Der neue Vormund: Gottlieb von Tucher

       2.6. Ein englischer Lord tritt auf

       2.7. Die letzten Lebensjahre

       2.8. Rätselhafte Herkunft - Rätselhafter Tod

       3. Die prominentesten Kaspar-Hauser-Legenden

       3.1.Die Kerkerlegende

       3.2. Die Prinzenlegende

       4. Fazit

       Quelle 1 (Zitiert nach: Weckmann, Kaspar Hauser. Die Geschichte und ihre Geschichten, S. 83f.):

       Quelle 2 (Aus: Peter Josef Keuler: Der Findling Kaspar Hauser als medizinisches Phänomen, S. 86f.)

       Quelle 3 (Aus: Feuerbach, Kaspar Hauser, S. 139f., 169):

       Quelle 4 (Aus: Hermann Pies, Die amtlichen Aktenstücke über Kaspar Hausers Verwundung und Tod, Bonn 1928, S. 12f.)

       Quelle 5 (Aus: Ulrich Struve, Der Findling Kaspar Hauser in der Literatur, S. 191ff.)

       Abbildungsverzeichnis

       Quellen und Literatur

      1. Einleitung

      Am zweiten Pfingsttag des Jahres 1828 tauchte auf dem Unschlittplatz in Nürnberg eine merkwürdige Gestalt auf. „Possierlich und pudelnärrisch“, so wurde später zu Protokoll gegeben, war ein etwa 16 bis 17-jähriger Junge den Berg „heruntergewackelt“ gekommen.1 Er hatte eine auffällig untersetzte Statur und die „unteren Teile“ seines Gesichtes traten hervor, was ihm ein „gemeines“ Aussehen gab.2 Seine Augen hatten den Ausdruck „thierischer Stumpfheit“3 und sein Wortschatz beschränkte sich auf wenige, schwer verständliche Wortfetzen wie „ reutha wöan“, „woas nit“ oder „hoam weissa“.4 Auf die Frage nach seiner Herkunft konnte oder wollte der junge Mann keine sinnvolle Antwort geben. Auch die Beamten der städtischen Polizeibehörde, die ihn noch am selben Abend verhörten, hatten Mühe, aus seinen wirren Äußerungen brauchbare Informationen zu ziehen. Das einzige Resultat der langen Vernehmung bestand darin, dass der Junge auf einem ihm vorgelegten Bogen Papier den Namen „Kaspar Hauser“ schrieb.5

      Die Nachricht über den auffälligen, offenbar schwer verwahrlosten jungen Mann verbreitete sich schon bald wie ein Lauffeuer in ganz Deutschland. Dies war vor allem auf eine öffentliche „Bekanntmachung“ zurückzuführen, die vom Nürnberger Bürgermeister Jakob Binder herausgegeben worden war. Kaspar Hauser, so wurde hier erklärt, sei als Kind das Opfer eines schweren Verbrechens geworden. Über viele Jahre sei er in einem finsteren Kerker eingesperrt gewesen und nur mit Wasser und Brot ernährt worden. Völlig abgeschnitten von seiner Umwelt und ohne jeglichen Menschenkontakt habe er in einem dunklen Raum dahinvegetieren müssen, bis er im Alter von 16 Jahren in die Freiheit entlassen wurde.6

      Ob diese These tatsächlich der Wahrheit entspricht, ist jedoch bis heute umstritten. Die Ursache hierfür liegt in der unklaren Quellenlage begründet: Es sind keine schriftlichen Dokumente überliefert, anhand derer wir mit absoluter Sicherheit Aussagen über Kaspar Hausers Kindheit und Jugend treffen können.7 Erst nachdem der Junge im Jahr 1828 zum ersten Mal in der Öffentlichkeit aufgetaucht war, ist sein Leben von zahlreichen Zeitzeugen dokumentiert worden.8 Alles andere davor liegt im Ungewissen. Und dennoch: Der Fall Kaspar Hauser hat einen nachhaltigen Eindruck bei vielen Generationen von Schriftstellern und Intellektuellen hinterlassen. Namhafte Autoren wie Georg Trakl, Jakob Wassermann oder Klaus Mann haben sich von Hausers Schicksal inspirieren lassen und ihn zum Thema gemacht.9 Auch viele Historiker, Kriminologen und Mediziner haben sich mit der Geschichte des Nürnberger Findeljungen auseinandergesetzt und sie unter wissenschaftlichen Aspekten untersucht.10 In der Psychologie und in der Verhaltensbiologie sind sogar eigene Fachtermini in Anlehnung an den Jungen entstanden. So ist der Ausdruck „Kaspar-Hauser-Versuch“ ein gängiger Begriff für Experimente, bei denen Tiere ohne jeglichen Kontakt zu Artgenossen oder anderen Tieren aufgezogen werden.11

      Bild 1: Kaspar Hauser im Jahr 1830, Pastell von J.F.C Kreul.

      Auch in den populären Medien ist der Fall Kaspar Hauser bis heute präsent geblieben. Als „Rätsel seiner Zeit“, als „Kriminalfall“ oder als „Kronprinz oder Schwindler?“ ist er noch immer Gegenstand zahlreicher Film- und Buchveröffentlichungen.12 Manchmal wird sein Name auch fallen gelassen, um den Folgen von jahrelanger, menschenunwürdiger Isolation einen Namen zu geben. So wurde etwa das Entführungsopfer Natascha Kampusch, das jahrelang in einem Keller eingesperrt war, in einem Artikel des Magazins „Stern“ als „Kaspar