Название | Die großen Reden der Weltgeschichte |
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Автор произведения | Martin Kaufhold |
Жанр | Документальная литература |
Серия | marixwissen |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783843802215 |
REDE
Die meisten, die bisher hier gesprochen haben, rühmen den, der zuerst den alten Bräuchen diese Rede beifügte, weil es schicklich sei, am Grabe der Gefallenen sie zu sprechen. Mich aber würde es genug dünken, Männern, die ihren Wert durch ein Tun erwiesen haben, auch ihre Ehre durch ein Tun zu bezeugen, wie ihr es jetzt bei diesem öffentlichen Begängnis der Totenfeier seht, und nicht den Glauben an vieler Männer Heldentum zu gefährden durch einen einzigen guten oder minder guten Redner. Es ist nämlich schwer, das rechte Maß der Rede zu treffen, wo man auch die Vorstellungen, die jeder sich von der Wahrheit macht, kaum bestätigen kann: denn der wissende und wohlwollende Hörer wird gegenüber dem, was er erwartet und kennt, leicht etwas unvollkommen dargestellt finden, und der unkundige manches übertrieben, aus Neid, wenn er von Dingen hört, die seine Kraft übersteigen. Denn soweit ist Lob erträglich, das anderen gespendet wird, als jeder sich fähig dünkt, wie er’s gehört hat, auch zu handeln; was darüber hinausgeht, wird aus Neid auch nicht mehr geglaubt. Nachdem es aber den Ahnen sich bewährt hat, dass dies so recht sei, muss auch ich dem Brauche folgen und versuchen, jedem von Euch Wunsch und Erwartung zu erfüllen, so gut es geht.
Zunächst will ich unsrer Vorfahren gedenken … es ist wohl recht und auch geziemend, ihnen in solchem Augenblick die Ehre des Gedächtnisses zu erweisen. Denn die Freiheit dieses Landes haben sie, in der Aufeinanderfolge der Nachwachsenden immer die gleichen Bewohner, mit ihrer Kraft bis jetzt weitergegeben. So sind sie preiswürdig, und noch mehr als sie unsre Väter. Denn diese erwarben zu dem, was sie empfingen, noch unser ganzes Reich, nicht ohne Mühe, und haben es uns Heutigen mitvererbt. Das meiste davon haben jedoch wir selbst hier, die jetzt noch Lebenden, in unseren reifen Jahren ausgebaut und die Stadt in allem so ausgestattet, dass sie zu Krieg und Frieden sich selbst genügen kann. Was davon Kriegstaten sind, durch die Teil um Teil erworben wurde, oder wenn wir selbst oder unsere Väter alles daran gaben, einen fremdländischen oder griechischen Feind, der angriff, entschlossen abzuwehren, das will ich, um nicht weitschweifig von Bekanntem zu reden, beiseitelassen; aber aus welcher Gesinnung wir dazu gelangt sind, mit welcher Verfassung, durch welche Lebensform wir so groß wurden, das will ich darlegen, bevor ich dann zum Preis unserer Gefallenen mich wende … es ist diese Stunde, glaube ich, vielleicht ganz angemessen, dass dies ausgesprochen werde, und von Vorteil, wenn die ganze Menge von Bürgern und Fremden es anhört.
Die Verfassung, die wir haben, richtet sich nach keinen fremden Gesetzen; viel eher sind wir für sonst jemanden ein Vorbild als von anderen abhängig. Mit Namen heißt sie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf eine große Zahl gestellt ist, Volksherrschaft. Es haben aber nach dem Gesetz, in dem was den einzelnen angeht, alle gleichen Teil, und der Geltung nach hat im öffentlichen Wesen den Vorzug, wer sich irgendwie Ansehen erworben hat, nicht weil er zu einer Gruppe gehört, sondern nach seinem Verdienst – und wiederum wird keiner aus Armut, wenn er für die Stadt etwas leisten könnte, durch die Unscheinbarkeit seines Namens verhindert. Sondern frei leben wir miteinander im Staat und im gegenseitigen Geltenlassen des alltäglichen Treibens, ohne dem Nächsten zu grollen, wenn er einmal seine Laune lebt, und ohne jenes Ärgernis zu nehmen, das zwar keine Strafe und doch kränkend anzusehen ist. Bei soviel Nachsicht im Umgang von Mensch zu Mensch erlauben wir uns doch im Staat, schon aus Furcht, keine Rechtsverletzungen, im Gehorsam gegen die für ein Jahr eingesetzen Beamten und gegen die Gesetze, vornehmlich die, welche zu Nutz und Frommen der Verfolgten bestehen, und gegen die ungeschriebenen, die unwidersprochne Schande bringen.
Dann haben wir bei unsrer Denkweise auch von der Arbeit die meisten Erholungen geschaffen: Wettspiele und Opfer, die jahraus jahrein bei uns Brauch sind, und die schönsten häuslichen Einrichtungen, deren tägliche Lust das Bittere verscheucht. Und es kommt wegen der Größe der Stadt aus aller Welt alles zu uns herein; so können wir von uns sagen, wir ernten zu grad so vertrautem Genuss wie die Güter, die hier gedeihn, auch die der übrigen Menschen.
Anders als unsere Gegner sorgen wir auch in Kriegssachen. Unsere Stadt verwehren wir keinem, und durch keine Fremdenvertreibungen missgönnen wir jemandem eine Kenntnis oder einen Anblick, dessen unversteckte Schau einem Feind vielleicht nützen könnte; denn wir trauen weniger auf die Zurüstung und Täuschung als auf unseren eigenen tatenfrohen Mut. Und in der Erziehung bemühen sich die andern mit angestrengter Übung als Kinder schon um Mannheit, wir aber mit unsrer ungebundenen Lebensweise wagen uns trotz allem in ebenbürtige Gefahren. Der Beweis: die Spartaner rücken nicht für sich allein, immer nur mit dem ganzen Bund gegen unser Land aus, während wir, wenn wir selbst das der Gegner heimsuchen, unschwer in der Fremde die Verteidiger ihrer Heimat fast immer im Kampf besiegen. Und auf unsre gesammelte Macht ist noch kein Feind je gestoßen, wegen unsrer gleichzeitigen Sorge für die Flotte und vielfachen Verteilung auf dem Lande. Treffen sie dann irgendwo auf einen Splitter und besiegen einige von uns, so prahlen sie, sie hätten uns alle geworfen, und unterliegen sie: sie seien der Gesamtheit gewichen. Doch hat dieser mehr sorglose als mühselige Wagemut, diese weniger gesetzliche als natürliche Tapferkeit für uns noch den Vorteil, dass wir zukünftige Not nicht vorausleiden, und, ist sie da, doch nicht geringere Kühnheit bewähren als die ewig sich Plagenden, und darin verdient unsre Stadt Bewunderung – und noch in anderem.
Wir lieben das Schöne und bleiben schlicht, wir lieben den Geist und werden nicht schlaff. Reichtum dient bei uns dem Augenblick der Tat, nicht der Großsprecherei, und seine Armut einzugestehen, ist nie verächtlich, verächtlicher, sie nicht tätig zu überwinden. Wir vereinigen uns in der Sorge um unser Haus zugleich und unsre Stadt, und den verschiedenen Tätigkeiten zugewandt ist doch auch in staatlichen Dingen keiner ohne Urteil. Denn einzig bei uns heißt ein Mensch, der daran keinen Teil nimmt, nicht unpolitisch, sondern unnütz, und nur wir entscheiden in den Staatsgeschäften selber oder denken sie doch richtig durch. Denn wir sehen nicht im Wort eine Gefahr fürs Tun, wohl aber darin, sich nicht durch Reden zuerst zu belehren, ehe man zur nötigen Tat schreitet. Denn auch darin sind wir wohl besonders, dass wir am meisten wagen und doch auch, was wir anpacken wollen, erwägen, indes die andern Unverstand verwegen und Überlegung bedenklich macht. Die größte innere Kraft aber wird man denen mit Recht zusprechen, die die Schrecken und Freuden am Klarsten erkennen und darum den Gefahren nicht ausweichen. Auch mit der Art unserer Treue stehen wir im Gegensatz zu den meisten. Denn nicht durch Hilfe, die wir empfangen, sondern die wir bringen, gewinnen wir unsere Freunde. Zuverlässiger ist aber der Wohltäter, da er durch Freundschaft sich den, dem er gab, verpflichtet erhält; der Schuldner ist stumpfer, weiß er doch, er zahlt seine Leistung nicht zu Dank, sondern als Schuld. Und wir sind die einzigen, die nicht so sehr aus Berechnung des Vorteils wie aus sicherer Freiheit unbedenklich andern Gutes tun.
Zusammenfassend sage ich, dass unsere Stadt insgesamt die Schule von Hellas sei, und dass der einzelne Mensch, wie mich dünkt, bei uns am vielseitigsten und voll Anmut und leichtem Scherz in seiner Person wohl alles Notwendige vereine. Dass dies nicht Prunk mit Worten für den Augenblick ist, sondern die Wahrheit der Dinge, das zeigt gerade die Macht unsres Staates, die wir mit diesen Eigenschaften erworben haben. Unsre Stadt ist die einzige heute, die stärker als ihr Ruf aus der Probe hervorgehet, nur sie erregt im Feind, der angegriffen hat, keine Bitterkeit – was für ein Gegner ihm so übel mitspiele – und auch im Untertan keine Unzufriedenheit, dass er keinen würdigen Herrn hätte. Und mit sichtbaren Zeichen üben wir wahrlich keine unbezeugte Macht, den Heutigen und den Künftigen zur Bewunderung, und brauchen keinen Homer mehr als Sänger unsres Lobes noch wer sonst mit schönen Worten für den Augenblick entzückt – in der Wirklichkeit hält dann aber der Schein der Wahrheit nicht stand, sondern zu jedem Meer und Land erzwangen wir uns durch unseren Wagemut den Zugang, und überall leben mit unseren Gründungen Denkmäler unsres Wirkens im Bösen wie im Guten auf alle Zeit.
Für eine solche Stadt also sind diese Männer hier, nicht bereit auf ihren Besitz zu verzichten, in edlem Kampfe gefallen, und von denen, die bleiben, ist keiner, der nicht für