Zu den Klippen von Vanikoro. Jean-Francois de Lapérouse

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Название Zu den Klippen von Vanikoro
Автор произведения Jean-Francois de Lapérouse
Жанр Книги о Путешествиях
Серия Edition Erdmann
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783843804202



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Wir segelten in einer Entfernung von einer Meile die Küste entlang. Da sahen wir denn, wie das Wasser in Kaskaden von den Gipfeln der Berge herabschoss, sich zwischen den Niederlassungen der Indianer hindurchschlängelte und dann dem Meer zuströmte. Die Dörfer lagen so nahe beieinander, dass man sie für eine einzige Ansiedlung von drei oder vier Meilen Länge halten konnte. Alle diese Hütten stehen dicht am Ufer, und die hinter ihnen liegenden Berge sind so nahe, dass der Umfang der bewohnten Uferzone eine halbe Meile nicht übersteigen dürfte. Nur ein Seemann, der sich an einem glühendheißen Tag mit einer einzigen Flasche Wasser begnügen muss, um seinen Durst zu stillen, ermisst, was wir beim Anblick der Küste von Mowée empfanden. Die Baumgruppen auf den vor uns liegenden Bergen, das frische Grün, die Bananenbäume, die die Indianer um ihre Hütten gepflanzt hatten, dies alles wirkte mit unbeschreiblichem Zauber auf unsere Sinne. Leider brandete das Meer an der Küste so heftig, dass wir, neue Tantalusse, zunächst nur das, was sich uns entzog, mit gierigen Blicken verschlangen.

      Mittlerweile nahm der Wind zu, und wir legten in einer Stunde zwei Meilen zurück. Ich bestand darauf, noch vor Einbruch der Dunkelheit die ganze Küste bis hin zur Insel Morokinne abzufahren; vor Morokinne hoffte ich einen Ankerplatz zu finden, der unsere Schiffe vor den Landwinden schützte. Diesem Plan zufolge war es mir nicht möglich, einige Segel zu reffen und auf die ungefähr hundertfünfzig Pirogen zu warten, die sich uns von Mowée aus näherten. Sie waren sämtlich mit Obst und Schweinen beladen. Die Indianer führten uns die Waren zu, um sie gegen Eisen einzutauschen.

      Fast alle Pirogen kamen uns so nahe, dass sie an eine der beiden Fregatten anlegten. Da wir aber auf der Suche nach einem sicheren Ankerplatz rasch davonsegelten, gerieten sie in hohen Wellenschlag und füllten sich mit Wasser. Die paddelnden Indianer sahen sich genötigt, das Schiffsseil, das wir ihnen zugeworfen hatten, wieder fahren zu lassen. Sie schwammen ans Ufer zurück, liefen ihren jungen Schweinen nach, brachten sie zurück, drehten mit den Schultern die gekenterten Pirogen wieder um, schöpften das Wasser aus den Booten, sprangen vergnügt und munter wieder hinein und paddelten aus Leibeskräften auf uns zu, um den Platz wieder einzunehmen, an dem anderen Händlern just das gleiche Schicksal widerfuhr. Auf diese Art sahen wir hintereinander mehr als vierzig Pirogen umschlagen. Wiewohl nun der Handel mit diesen gutmütigen Indianern sie und uns ganz ausnehmend zufriedenstellte, kam dabei doch nicht allzu viel heraus; es gelang uns nicht, mehr als fünfzehn Schweine und einige Früchte einzutauschen.

      Je weiter wir vorankamen, desto mehr hatten wir den Eindruck, dass sich die Berge immer tiefer ins Innere der Insel zurückzögen, die nun in der Gestalt eines ziemlich ausgedehnten, gelbgrün schimmernden Halbrunds vor uns lag. Die Wasserfälle verschwanden; die Bäume in der Ebene schienen nicht mehr so dicht beieinanderzustehen wie bisher; die Dörfer bestanden nur noch aus zehn bis zwölf elenden Hütten, die ziemlich weit auseinanderlagen. Nachdem ich Kurs gegen Südwest genommen hatte und bis zur Südwestspitze von Mowée gekommen war, wendete ich mich nach West, dann allmählich nach Nordwest und kam an den Ort, wo die Astrolabe in dreiundzwanzig Klaftern Tiefe, ungefähr eine Drittelmeile vom Land, vor Anker lag. Hier waren wir gegen die Winde, die von der offenen See kamen, durch eine himmelhohe, von Wolken umgebene Felswand gedeckt, aus der von Zeit zu Zeit heftige Windstöße herabfuhren. Mit jedem Augenblick nahm der Wind eine andere Richtung an, sodass wir unaufhörlich an unseren Ankern hin und her trieben. Wir waren an dieser Stelle übel dran, weil wir uns, der heftigen Strömung wegen, nicht eher gegen den Wind legen konnten, als bis uns die oben erwähnten Windstöße dazu Gelegenheit boten. Sie wühlten das Meer dermaßen auf, dass man es mit unseren Booten fast nicht befahren konnte. Dem ungeachtet ließ ich eins derselben sofort aussetzen und in der Bucht das Senkblei auswerfen. Der Offizier, dem ich dies aufgetragen hatte, berichtete mir, dass der Ankergrund bis nahe ans Ufer überall von gleicher Beschaffenheit sei, dass er zwar allmählich seichter werde, jedoch zwei Kabeltaue vom Gestade noch immer eine Tiefe von sieben Klaftern habe. Als ich die Anker lichten ließ, sah ich, dass die Ankertaue stark zerscheuert und zerrieben waren. Folglich gab es um uns herum viele verborgene Klippen, die nur mit einer ganz dünnen Schicht Sand bedeckt waren.

      Mittlerweile gaben sich die Bewohner der zunächst liegenden Dörfer alle Mühe, um an Bord zu gelangen. Sie führten uns auf ihren Pirogen allerlei Tauschwaren zu: einige Schweine, Süßkartoffeln, Bananen, Aronwurzeln, die sie Taro nennen, selbstgewebte Stoffe und allerlei Krimskrams, der zu ihrer Tracht gehört. Ich wollte nicht, dass sie an Bord kamen, bevor die Fregatte vor Anker gegangen war und ihre Segel gerefft hatte, und erklärte ihnen daher, das Schiff sei für sie tabu. Das Wort, dessen Bedeutung ich von den Berichten englischer Seefahrer her kannte, tat wie erwartet seine Wirkung; Herr de Langle, der nicht zur gleichen Vorsichtsmaßnahme gegriffen hatte, sah das Deck seines Schiffs in wenigen Augenblick von einer solchen Menge Indianer überschwemmt, dass er in arge Verlegenheit geriet. Sie waren jedoch so folgsam und hatten so große Furcht, uns zur Last zu fallen, dass es nicht der geringsten Anstrengung bedurfte, sie zur Rückkehr auf die Pirogen zu bewegen. Niemals hätte ich mir vorgestellt, dass diese Leute so sanft und artig wären. Auch als ihnen gestattet worden war, auf meine Fregatte zu kommen, setzten sie ohne Erlaubnis keinen Fuß von der Stelle. Man sah es ihnen an, dass sie beständig die Furcht hatten, unser Missfallen zu erregen. Ihre Tauschgeschäfte betrieben sie mit der größten Redlichkeit. Die eisernen Spitzen unserer alten Zirkel weckten ihr ganzes Verlangen, aber anstatt sie zu entwenden, boten sie ihre ganze Geschicklichkeit auf, um sie uns abzukaufen. Keiner von diesen Händlern war bereit, uns einen größeren Posten Stoff oder mehrere Schweine auf einmal zu verkaufen. Sie wussten sehr genau, dass sie mehr dabei gewannen, wenn wir ihnen jedes Stück einzeln abhandelten.

      Ihre Gewandtheit im Feilschen und ihre Kenntnis des Eisens, die sie nach eigenem Bekunden nicht dem Umgang mit Engländern verdankten, bestärkten mich in der Annahme, dass die Sandwich-Inseln in älterer Zeit schon von spanischen Schiffen angelaufen worden waren. Die spanische Nation hatte triftige Gründe, die Existenz dieser Inselgruppe ihren Nachbarn zu verheimlichen. Es strotzte in den Gewässern westlich von Amerika nur so von Seeräubern. Hätten sie von diesen Inseln Kenntnis gehabt, so hätten sie sich auf ihnen auch mit Lebensmitteln versorgt. Da dies aber nicht der Fall war, mussten sie, wenn es ihnen an Proviant, Holz und Wasser gebrach, entweder gen Westen bis in das Indische Meer segeln oder aber über Kap Hoorn in den Atlantik zurückkehren. Als dann die Schifffahrt der Spanier so sehr in Verfall geriet, dass nur noch einmal im Jahr ein einziges Galionsschiff nach Manila fuhr, dieses Galionsschiff aber stets eine so wertvolle Ladung an Bord hatte, dass seine Eigentümer sich um seine Erhaltung die größten Sorgen machten, da schrieb man ihm sehr wahrscheinlich ganz genau seinen Weg vor – einen Weg, der vergleichsweise ungefährlich war und von dem es unter keinen Umständen abweichen durfte. So gerieten dann jene Inseln, die Cook zum Verhängnis wurden, bei den Spaniern immer mehr in Vergessenheit.

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       Ankerplatz der Franzosen vor der Insel Mowée

      Einige Windstöße abgerechnet, die aber nicht länger dauerten als zwei Minuten, war die Nacht ruhig und still. Als es tagte, ließ ich sogleich das große Boot der Astrolabe aussetzen, das die Herren de Vaujuas, Boutin und Bernizet an Bord nahm. Sie hatten den Auftrag, eine sehr geräumige Bucht nordwestlich von uns zu untersuchen. Ich hoffte, hier einen besseren Ankerplatz zu finden. Die Offiziere meldeten, der in Aussicht genommene Ankerplatz sei leicht zu erreichen, aber nicht besser als die Stelle, an der wir uns befänden. Dieser Teil der Insel Mowée, so lautete ihr Bericht, werde zu Recht von den Seefahrern gemieden. Es fehle hier sowohl an Holz wie auch an Wasser, und die Reeden seien schlecht.