Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Название Der Dreißigjährige Krieg
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Документальная литература
Серия Sachbücher bei Null Papier
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783962818555



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Ent­schei­dung käme. In­des­sen na­ment­lich die Städ­te äu­ßer­ten sich da­hin, dass sie eine län­ge­re Va­kanz nicht gern sä­hen und dass, wenn denn an einen evan­ge­li­schen Frei­er für die Kro­ne nicht zu den­ken wäre, das Haus Habs­burg sich im­mer­hin durch die lan­ge Ge­wohn­heit emp­föh­le. Auch eine Un­ter­stüt­zung von Kur­pfalz in der böh­mi­schen Sa­che lehn­ten die Städ­te ab, weil sie sich in die Fürs­ten­hän­del nicht mi­schen woll­ten, bei de­nen sie doch nur um das Ih­ri­ge kämen. Bei die­sem üb­len Stan­de der Din­ge wur­de durch den Her­zog von Zwei­brücken, des­sen Bru­der im Diens­te des schwe­di­schen Kö­nigs stand, auf die­sen als auf einen he­ro­i­schen jun­gen Fürs­ten hin­ge­wie­sen, der, wenn er in den Bund ein­trä­te, wohl in der Lage wäre, die evan­ge­li­sche Sa­che tüch­tig zu se­kun­die­ren. Der­sel­be habe im Kamp­fe mit den Mos­ko­wi­tern und Po­len aus­neh­men­den Kriegs­ver­stand und Tap­fer­keit ge­zeigt, da­bei auch jene Mä­ßi­gung an den Tag ge­legt, die die Grö­ße des wah­ren Staats­man­nes aus­ma­che. Er, der Her­zog, habe kürz­lich in ei­nem Flug­blatt ge­le­sen, wie eine Weis­sa­gung des be­rühm­ten kai­ser­li­chen Astro­no­men Ty­cho de Bra­he, die der­sel­be beim Er­schei­nen des Ko­me­ten im Jah­re 1572 von sich ge­ge­ben habe, auf den Kö­nig Gu­stav Adolf be­zo­gen wer­de, dass näm­lich, um die in je­nem Jah­re ver­üb­ten Gräu­el der Bar­tho­lo­mäus­nacht zu rä­chen, ein Held im Nor­den er­schei­nen und nach zwei­mal drei­ßig Jah­ren un­ter­ge­hen wer­de.

      Des wei­te­ren er­zähl­te der Her­zog von Zwei­brücken, dass ihm so­eben Be­richt von ei­ner wun­der­ba­ren Be­ge­ben­heit aus Schwe­den ge­kom­men sei: Der jun­ge Kö­nig habe sich mit sei­nem Kanz­ler, dem durch sei­ne Weis­heit und Ge­lehr­sam­keit be­kann­ten Gra­fen Oxens­tier­na, in ei­nem kö­nig­li­chen Schlos­se auf­ge­hal­ten, als am spä­ten Abend Feu­er aus­ge­bro­chen sei und nach Art die­ses höl­li­schen Ele­men­tes rasch um sich ge­grif­fen habe, so­dass als­bald das gan­ze Ge­bäu­de lich­ter­loh ge­brannt habe. Die bei­den Her­ren hät­ten mit­ein­an­der bei der Ar­beit ge­ses­sen und der Kö­nig da­ne­ben auf der Lau­te ge­klim­pert, sie hät­ten kei­nen un­zei­ti­gen Schre­cken ge­spürt, son­dern sich schnur­stracks aus dem Fens­ter ge­schwun­gen, wo­bei der Kö­nig sei­nem Kanz­ler noch hilf­reich bei­ge­stan­den hät­te. Nach­dem sie so dem Feu­er ent­ron­nen wä­ren, hät­ten sie noch durch den Burg­gra­ben wa­ten müs­sen, der voll Schmutz und Was­ser ge­we­sen sei, so­dass es ih­nen fast an den Hals ge­stie­gen wäre, und als sie drü­ben an­ge­kom­men wä­ren, hät­te der Kö­nig auf sich selbst ge­schol­ten, weil er die Lau­te, die er bei der Flucht un­will­kür­lich in der Hand be­hal­ten, über sich zu he­ben ver­ges­sen hät­te und sie nun durch die Näs­se ver­dor­ben sei. Der Kanz­ler hät­te einen Schnup­fen da­von­ge­tra­gen, der Kö­nig aber sei ganz un­ver­sehrt ge­blie­ben, wor­über die Pre­di­ger in Schwe­den viel ge­pre­digt hät­ten, und auch sein, des Her­zogs von Zwei­brücken, Hof­pre­di­ger hät­te sich fein auf der Kan­zel aus­ge­las­sen, wie der pro­tes­tan­ti­sche Held nun­mehr durch Feu­er und Was­ser ge­gan­gen sei, um er­probt und ge­läu­tert, gleich­sam als ein Erz­en­gel, den ab­göt­ti­schen ka­tho­li­schen Dra­chen zu zer­tre­ten.

      Trotz des großen Ein­drucks, den die­se Be­rich­te von dem jun­gen Schwe­den­kö­nig mach­ten, fehl­te es nicht an Be­den­ken ge­gen ein et­wai­ges Bünd­nis: so woll­ten die Städ­te ge­hört ha­ben, dass der Kö­nig statt mit gu­tem ge­münz­tem Gel­de mit Kup­fer zu zah­len pfle­ge, weil dies schlech­te Me­tall in den schwe­di­schen Ber­gen über­flüs­sig zu fin­den sei; be­merk­ten auch, dass Bünd­nis­se mit aus­wär­ti­gen Po­ten­ta­ten nach der Gol­de­nen Bul­le ver­bo­ten sei­en und also zwie­späl­tig und skru­pu­lös zu un­ter­neh­men wä­ren. Die Fürs­ten woll­ten sich dar­auf we­ni­ger ein­las­sen, deu­te­ten aber an, dass der Kö­nig von Schwe­den zur­zeit noch mit Mos­ko­wi­tern und Po­len en­ga­giert sei, auch mit dem Kö­nig von Dä­ne­mark über­quer ste­hen sol­le, mit dem man es, als mit ei­nem schwer­rei­chen, ge­walt­tä­ti­gen Mon­ar­chen, der mit vie­len Reichs­fürs­ten ver­schwä­gert und selbst Reichs­glied sei, nicht ver­der­ben dür­fe. In­zwi­schen woll­te man den jun­gen Herrn von Schwe­den nicht aus den Au­gen las­sen und emp­fahl dem Her­zog von Zwei­brücken wie auch dem Land­gra­fen Mo­ritz von Hes­sen, wel­che bei­de zu sei­ner Ver­wandt­schaft ge­hör­ten, ein gu­tes Ver­neh­men mit ihm zu er­hal­ten.

      Un­ge­hin­dert wur­de nun die Kai­ser­wahl aus­ge­schrie­ben, und Fer­di­nand be­gab sich, nach­dem er mit vie­ler Mühe und nach­drück­li­chen Pres­su­ren das nö­ti­ge Geld zu­sam­men­ge­borgt hat­te, präch­tig aus­ge­rüs­tet nach Frank­furt. Gleich­zei­tig schlepp­te sich über die nach Frank­furt füh­ren­de Land­stra­ße ein schwe­rer, mit vier Pfer­den be­spann­ter und von vie­len Be­waff­ne­ten ge­lei­te­ter Wa­gen, in wel­chem sich nebst zwei Of­fi­zie­ren und zwei Rats­per­so­nen eine auf 140.000 Gul­den ge­schätz­te Kro­ne be­fand. Die­sen be­deu­tungs­vol­len ver­gol­de­ten Wa­gen zu se­hen, war über­all ein großes Zu­sam­men­lau­fen des Vol­kes, und in Ro­ten­burg, wo die Kut­sche bei ein­bre­chen­der Dun­kel­heit ein­zog, fiel es mü­ßi­gen Leu­ten ein, zu ih­rer fest­li­chen Be­grü­ßung Ra­ke­ten ab­zu­bren­nen, wel­che ge­ra­de vor den Fü­ßen der Pfer­de platz­ten und zi­schend in die Luft fuh­ren. Die er­schro­cke­nen Tie­re scheu­ten und bäum­ten sich, wor­über die Kut­sche auf die Sei­te fiel, der Schlag sich öff­ne­te und die Kro­ne in einen ne­ben der Stra­ße hin­lau­fen­den Gra­ben sprang, ohne dass die selbst über­ein­an­der­ge­wor­fe­nen Bei­sit­zer es hin­dern konn­ten; frei­lich konn­te die­ser Vor­gang nicht deut­lich wahr­ge­nom­men wer­den, weil die Es­kor­te sich so­fort mit ge­zo­ge­ner Waf­fe zum Schut­ze um das so elend ent­blö­ßte und aus­ge­sä­te Reichs­klein­od auf­stell­te.

      Die­ser Un­fall wur­de zwar nach Mög­lich­keit ver­schwie­gen, er­reg­te aber bei de­nen, die da­von hör­ten, großes Be­den­ken, wie auch meh­re­re an­de­re Un­zu­träg­lich­kei­ten, die an­läss­lich der Kai­ser­wahl vor­fie­len, als üble Vor­zei­chen ge­deu­tet wur­den. So ver­fuh­ren die Quar­tier­meis­ter, wel­che den Kur­fürs­ten und ih­rem Ge­fol­ge Her­ber­ge an­zu­wei­sen hat­ten, so grob und un­be­dacht, dass sie eine Wöch­ne­rin, die erst vor we­ni­gen Stun­den ge­bo­ren hat­te, aus ih­rem Zim­mer schaff­ten, wor­auf sie un­auf­halt­sam von ih­rer weh­kla­gen­den Fa­mi­lie hin­wegstarb. Da­durch wur­de der Frank­fur­ter Pö­bel noch mehr auf­ge­reizt, der so­wie­so kein Herz für die Kai­ser­sa­che hat­te, weil bei der letz­ten Re­bel­li­on des Vol­kes ge­gen das Pa­tri­zi­at der Kai­ser für die­ses Par­tei ge­nom­men und die Em­pö­rer grau­sam be­straft hat­te. Fer­ner soll­te Mo­ritz von Hes­sen, der sich vor­ge­nom­men hat­te, die Wahl des Erz­her­zogs Fer­di­nand auf ir­gend­ei­ne Art zu hin­ter­trei­ben, als er zur Stadt hin­aus muss­te (denn es war Ge­setz, dass alle Frem­den, mit Aus­nah­me der Kur­fürs­ten und ih­res Ge­fol­ges, an den Ta­gen der Kai­ser­wahl das Ge­biet der Stadt Frank­furt ver­las­sen muss­ten), bit­ter­bö­se Droh­wor­te aus­ge­sto­ßen ha­ben; die­ses Fürs­ten not­ge­drun­ge­ner Ab­zug er­reg­te aber nicht Teil­nah­me, son­dern Scha­den­freu­de des Vol­kes, weil er sich da­mals gleich­falls der Re­bel­li­on nicht an­ge­nom­men hat­te.

      Das größ­te Auf­se­hen gab es, als am Tage nach er­folg­ter Wahl der Erz­bi­schof von Tri­er, Lo­thar von Met­ter­nich, in­dem er aus sei­ner Kut­sche aus­stei­gen woll­te, von ei­nem Hun­de ins Bein ge­bis­sen wur­de und als ein Schwer­ver­letz­ter