Название | Der Dreißigjährige Krieg |
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Автор произведения | Ricarda Huch |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Sachbücher bei Null Papier |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962818555 |
Sich zu seinen Schülern wendend, fragte er plötzlich, was denn nach ihrer Meinung den Menschen vom Tiere unterscheide? und erhielt zur Antwort, das tue der Gedanke. »Wohlan«, sagte Bernegger, »misstrauet immer denen, die euch abhalten wollen zu denken; aber vergesst niemals, dass das Denken von Gott stammt und zu Gott führen muss.« Dann zeigte er ihnen die Planeten, welche sichtbar waren, die Sternbilder und den Kometen, der seinen ansehnlichen Schweif quer durch die Milchstraße zog. »Gleicht er nicht«, sagte er, »einem wütenden Stier, der blind in eine Herde fromm weidender Kühe hineinstürmt?« Verhoffentlich wäre dies Himmelsbild kein Vorspiel der Zukunft, sondern diente den streitenden Menschen zur Warnung, dass sie lieber die Rosse vor den Pflug schirrten und die Erde sich zum Nutzen pflegten und schmückten, anstatt sie durch ihre Hufe zerstampfen zu lassen.
Er habe immer gehört, sagte der Turmwart ein wenig missvergnügt, dass die Kometen die notwendige Bestrafung der Menschen anzeigten und deshalb auch die Gestalt einer Zuchtrute hätten, welche Gott dräuend aushänge. Auch sei er überzeugt, dass zu keiner Zeit die Menschen mehr und gründlicher ein Strafgericht verdient hätten durch Bosheit, Lüge, Abgötterei und Ruchlosigkeit aller Art, sodass es ihn nicht wundernehmen würde, wenn Gott sie allesamt mit einem Staupbesen wie Sodom und Gomorrha von der Erde fegen sollte.
Es sei im Plutarch zu lesen, erzählte Bernegger, dass vor der Verschüttung der Städte Herkulaneum und Pompeji durch den Vesuv ein rotgeschwänzter Komet mehrere Monate am Himmel gestanden habe. Auch jetzt vernehme man wieder von einem Rumoren und Zischen im Innern des Vesuvs, und sei es jawohl möglich, dass die durch den Kometen in der Sternenwelt hervorgerufene Unordnung sich im Bauche des Erdplaneten spiegle.
Einer der Schüler bemerkte, dass Italien der Sitz des Antichrist sei und die geweissagte Katastrophe also füglich dort Platz greifen könnte, vielleicht stehe gar der Umsturz der päpstlichen Tyrannei bevor.
Bernegger schüttelte den Kopf; Venedig habe den Stuhl des Papstes wohl ein wenig ins Wanken gebracht, aber nun stehe er fester als zuvor.
Die Böhmen seien doch aber in Aufruhr und wollten einen evangelischen König, sagte der Schüler. Wenn sich alle österreichischen Länder ihnen anschlössen, so könne etwa noch von dort aus die gereinigte Kirche über ganz Europa wachsen.
Er möchte lieber wünschen, sagte Bernegger, das Feuer bliebe auf Böhmen beschränkt und man könnte, wie man bei Waldbränden zu tun pflegte, durch Ausroden ringsum eine Insel aus dem Lande machen, von der die Funken nicht anderswohin übersprängen und zündeten. Schließlich aber könnten sie auf alle Fälle Gott danken, dass sie in der freien Stadt Straßburg wie auf einem glückseligen Eiland säßen, hinter dessen guten Mauern und Rechten man den Kriegsschwall nur wie fernes Meerbrausen höre.
In der Stadt Straßburg, murrte der Turmwart, sei es auch nicht mehr, wie es sein solle, wer die Augen offen halte, könne auch hier den leidigen Teufel durch die Gassen schwänzeln sehen, und man müsse sich nur der Langmut Gottes verwundern, mit der er die gebührende Strafe noch immer verhalte.
Bernegger, der wusste, dass er als Ausländer und Reformierter in der lutherischen Stadt missbilligt wurde, bezog diesen Tadel nicht mit Unrecht auf sich und schwieg ein wenig kleinlaut, aber er fasste sich wieder und sagte lächelnd, sie wären sich wohl alle mannigfacher Unvollkommenheit und Übertretung bewusst, und so täten sie allesamt am besten, auf die Gnade Gottes zu hoffen, von welcher der Sternenbogen, der schon seit Jahrtausenden ungetrübt über der menschlichen Verworrenheit stehe, ein tröstendes Bild sei.
30.
In der Mitte des Monats März wehte der Wind aus Süden und schien die Sonne so warm, dass die Ärzte dem Kaiser Matthias eine Ausfahrt empfahlen, von welcher er jedoch statt erheitert bitterböse zurückkam, sodass seine dünnen, von faltiger Haut umschlotterten Hände hin und her zitterten. Er pflegte nämlich bei Ausfahrten Zuckerwerk unter die Kinder auszuteilen, die seinem Wagen nachliefen, und als er nun aus dem Sack, den man ihm hingelegt hatte, ein Stück herausnahm, um daran zu lutschen, merkte er, dass es ein Kieselstein war und dass die ganze Tüte nur von solchen voll war. Es entstand ein Laufen unter der Dienerschaft, ein Koch schob die Schuld auf den Konditor, der es wieder auf seine Ausläufer ablud, und endlich wurde dem Kaiser gemeldet, es habe gerade an Geld gemangelt, und da sei der Gewürzkoch auf den Einfall mit den Kieselsteinen gekommen, weil es ohnehin nur für die heillosen Gassenbuben sei; er bitte nun aber demütig um Verzeihung und wolle sogleich aus seiner Tasche gutes echtes Zuckerwerk unter die liebe Jugend verteilen lassen. Das kleine zusammengeschnurrte Gesicht des Kaisers nahm wieder einen freundlichen Ausdruck an, indem er sich zufrieden erklärte, doch klagte er noch ein wenig über die böse Welt, mit der es nun schon so weit gekommen sei, dass man sogar die schuldlosen Kindlein betröge.
Am folgenden Tage blies der Föhn so stark, dass der Kaiser keine Ausfahrt wagen konnte, und er lag kläglich von Schmerzen geplagt in seinem Bette, von den Ärzten vertröstet, dass sie mit dem verderblichen welschen Winde wieder vergehen würden. Zwei Räte statteten ihm Bericht von den Geschäften ab, wie sich der König Christian von Dänemark beschwere, dass der Graf von Schauenburg zum Reichsfürsten ernannt sei und sich obendrein Fürst zu Holstein nenne, was eine unleidliche Provokation für ihn als Herzog von Schleswig-Holstein sei. Ferner hielt sich der König über das Reichskammergericht auf, welches entschieden hatte, dass die Stadt Hamburg eine freie Reichsstadt sei, und