Gefährliche Reise durch den wilden Kaukasus. Alexandre Dumas

Читать онлайн.
Название Gefährliche Reise durch den wilden Kaukasus
Автор произведения Alexandre Dumas
Жанр Книги о Путешествиях
Серия Paperback
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783843806411



Скачать книгу

und, zu weit von einer schützenden Behörde entfernt, sich in wehrhaften Zustand setzte.

      Je näher wir der Stadt kamen, desto schlechter wurde der Weg. In Frankreich, Deutschland oder England würde man ihn für unbefahrbar gehalten haben. Aber die Tarantasse kommt überall durch, und wir saßen in einer Tarantasse.

      Wir hatten eine Sandwüste durchquert und waren fünf Tage durch Staub geblendet worden; nun versanken unsere Pferde bis über die Knie, die Räder bis an die Naben im Schlamm.

      »Wohin soll ich fahren?«, fragte der Mietkutscher.

      »In den besten Gasthof.«

      Er schüttelte den Kopf.

      »In Kislar, Gospodin«, antwortete er, »gibt es keinen Gasthof.«

      »Wo kehrt man denn ein?«

      »Man wendet sich an den Polizeimeister und dieser bestimmt ein Haus.«

      Wir riefen einen Kosaken unserer Begleitung herbei, gaben ihm unsere Vollmachten zur Bereitstellung von Pferden und einer Eskorte und befahlen ihm, zum Polizeimeister zu eilen und uns mit der Antwort am Stadttor zu erwarten.

      Er ritt im Galopp davon und verschwand in den Windungen des Weges, der sich zwischen Hecken verlor. Diese Hecken umschlossen Weingärten, die sehr gut angebaut schienen.

      Wir befragten unseren Mietkutscher und erfuhren von ihm, es seien armenische Gärten, in denen der treffliche Kislarwein gewonnen wird.

      Seit fünf Tagen hatten wir keinen Baum gesehen, und unsere Herzen erweiterten sich, als wir diese Oase erreichten, obgleich die Oase schon halb entlaubt war.

      In Russland hatten wir den Winter zurückgelassen, in Kislar fanden wir den Herbst wieder. Man versicherte uns, dass wir in Baku sogar den Sommer finden würden. Die Jahreszeiten traten also in umgekehrter Reihenfolge ein.

      Unser Kosak erwartete uns am Stadttor. Der Polizeimeister hatte uns ein nahes Haus angewiesen.

      Wir waren nun wirklich im Orient, freilich im nördlichen; aber der nördliche Orient unterscheidet sich von dem südlichen nur durch die Volkstrachten. Sitten und Gebräuche sind nahezu gleich.

      Moynet bemerkte es gleich beim Eintritt in unser Zimmer. Er stieß mit dem Kopf an die Türverkleidung, die für ein zehnjähriges Kind gemacht zu sein schien.

      Ich sah mich mit einiger Besorgnis um. Die bisherigen Poststationen waren allerdings spärlich möbliert gewesen, aber man fand doch eine hölzerne Bank, einen Tisch und zwei Stühle. Unser Zimmer hingegen hatte außer einer an der Wand hängenden Gitarre gar keine Möbel.

      Was für ein Musikenthusiast mochte unser Vorgänger in dieser Wohnung gewesen sein?

      Wir befragten einen etwa fünfzehnjährigen Knaben, der sich uns mit seiner patronenbespickten Tscherkesska und mit seinem im Gürtel steckenden Handschar vorstellte; aber er antwortete bloß mit einer geringschätzigen Bewegung der Achseln: »Die Gitarre ist da, weil man sie dahin gehängt hat.«

      Wir mussten uns natürlich mit dieser unverständlichen Aufklärung begnügen.

      Wir fragten ihn ferner, wo wir speisen, sitzen und schlafen sollten. Er zeigte auf den Fußboden und entfernte sich etwas unwillig über unsere bescheidenen Fragen. Sein jüngerer Bruder, ein achtjähriges Knäblein, dem seine Verwandten einen langen Handschar umgeschnallt hatten, schaute uns unter seinem zottigen Papak scheu an und folgte dem Älteren. Wir blieben in einiger Besorgnis zurück. War dies die vielgerühmte orientalische Gastfreundschaft?

      Erst jetzt bemerkten wir unseren Kosaken, der gebückt vor der viel zu niedrigen Tür stand.

      »Was willst du, Bruder?«, fragte ihn Kalino mit der den Russen eigentümlichen Sanftmut.

      »Ich wollte dem General melden«, antwortete der Kosak, »dass ihm der Polizeimeister Möbel schicken wird.«

      »Es ist gut«, antwortete Kalino.

      Der Kosak machte kehrt und ging fort. Wir mussten, um uns Respekt zu verschaffen, diese Meldung kühl aufnehmen und diese Aufmerksamkeit des Polizeimeisters als eine Schuldigkeit betrachten.

      Der freundliche Leser hat sich gewiss schon nach dem »General« umgesehen. Der General war ich. In Russland wird nämlich jedermann in einen »Tschin« gesteckt. Dieses Wort bedeutet Klasse oder Rang und scheint chinesischen Ursprungs zu sein. Je nach dem Tschin, dem man angehört, wird man entweder als ein Lump oder als vornehmer Herr behandelt. Die äußeren Zeichen des Tschins sind: eine Borte, eine Medaille, ein Kreuz, ein Stern.

      Vor meiner Abreise von Moskau hatte man mir gesagt: »Sie reisen in Russland, heften Sie sich irgendeine Auszeichnung ins Knopfloch oder an die Brust, sonst finden Sie kein Stück Brot in den Wirtshäusern, kein Pferd auf den Poststationen, keinen Kosaken in den Stanitzen.«

      Ich lachte über den gutgemeinten Rat, aber bald sah ich ein, wie nützlich, ja wie notwendig die Befolgung desselben war. Ich steckte daher den spanischen Ordensstern an meinen russischen Militärüberrock und bemerkte sogleich die gänzliche Umwandlung im Benehmen der Leute. Man kam allen meinen Wünschen zuvor, und da in Russland gewöhnlich nur Generale einen Stern tragen, so hielt man mich eben für einen General. Meine beiden Geleitscheine, die vom Fürsten Barjatinski unterzeichnet waren und mich ermächtigten, auf allen Militärposten eine Eskorte zu nehmen, bestärkten die Leute in der Vermutung, dass ich ein hoher Offizier sei. Man hielt mich freilich für einen französischen General, und da die Russen gute Freunde der Franzosen sind, so ging alles sehr gut.

      Zehn Minuten später wurden die Möbel wirklich auf einem Karren mit dem Befehl gebracht, uns so viele Zimmer zur Verfügung zu stellen, wie wir haben wollten.

      Bis dahin hatte uns der ziemlich unfreundliche junge Wirt nur das Gitarrezimmer geöffnet. Als er aber die Möbel sah und den Befehl des Polizeimeisters vernahm, änderte sich sein Benehmen schlagartig.

      Die Möbel bestanden aus drei Bänken, die als Betten dienen sollten, drei Teppichen als Ersatz für die fehlenden Matratzen, drei Stühlen und einem Tisch.

      Jetzt fehlte uns nur noch etwas auf den Tisch zu stellen. Daher baten wir unseren jungen Tataren, Eier und ein Huhn zu holen.

      Unterdessen machten wir unsere Reiseküche auf und nahmen einen kleinen Ofen, eine Pfanne, Teller, Gabeln, Löffel und Messer heraus. Der Teekasten lieferte uns Gläser und ein Tischtuch, an dem sich jedermann Mund und Finger abwischte.

      Unser Bote brachte Eier. Ein Huhn hatte er nicht aufgetrieben, er bot uns dafür vortreffliches Hammelfleisch an, das man im Kaukasus überall findet. Ich nahm das Anerbieten an, ich hatte nun Gelegenheit, ein Schaschlik zu versuchen.

      Man nimmt ein Stück Hammelfleisch, möglichst vom Lendenbraten, schneidet es in walnussgroße Stücke, lässt es eine Viertelstunde in Essig, Zwiebeln, Salz und Pfeffer liegen, steckt dann die Stücke auf einen kleinen Bratspieß und dreht ihn über der Kohlenglut, bis das Fleisch mürbe ist.

      Während ich mein Schaschlik zubereitete und Moynet und Kalino den Tisch deckten, schickte uns der Kommandant, der unsere Ankunft erfahren hatte, frische Butter, zwei Hühner und vier Flaschen Wein.

      Ich ließ dem Kommandanten meinen Dank sagen und meinen Besuch für den Abend melden.

      Hühner und Butter sparten wir bis zum Frühstück auf. Aber von dem alten Wein wurde eine Flasche zum Diner geöffnet.

      Nach Tisch begab ich mich mit Kalino zum Kommandanten. Die Hauptstraße von Kislar war ein Morast, wo man bis über die Knöchel im Kot watete.

      Als ich kaum zehn Schritte gegangen war, fühlte ich mich am Rockschoß festgehalten.

      Ich sah mich um. Es war unser sehr freundlich und zuvorkommend gewordener junger Wirt, der mir in einem aus schlechtem Russisch und Tatarisch gemischten Kauderwelsch den Rat gab, nicht unbewaffnet auszugehen.

      Kalino übersetzte mir die Warnung.

      Ich hatte wirklich keine Waffen mitgenommen. Es war vier Uhr und heller Tag, ich glaubte daher, keine Unbesonnenheit zu begehen.

      Ich