Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Название Deutsche Geschichte
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Документальная литература
Серия Sachbücher bei Null Papier
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783962817725



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un­ter­stellt, dass er, da die letz­te­re gar nicht nach­ge­sucht sei, nicht Papst sein kön­ne. In ei­nem be­son­de­ren Brie­fe be­ton­te der Kö­nig zu­nächst die An­ma­ßun­gen des Paps­tes ge­gen­über den Bi­schö­fen, dann erst, dass der Papst dem Kö­nig ge­droht habe, ihn der kö­nig­li­chen Ge­walt zu be­rau­ben, »als ob die Kö­nigs- oder Kai­ser­kro­ne in dei­ner und nicht in Got­tes Hand läge.« Er schloss den Brief mit dem pa­the­ti­schen Zu­ruf: »Stei­ge her­ab, stei­ge her­ab und ver­las­se den an­ge­maß­ten Stuhl des hei­li­gen Pe­trus.« Gre­gors Ant­wort war der Bann­strahl und die Auf­lö­sung des Treu­ei­des, mit dem die Un­ter­ta­nen an den Kö­nig ge­bun­den wa­ren. Hein­rich lud nun die Bi­schö­fe noch­mals zu ei­ner Synode durch ein Rund­schrei­ben, in dem er sag­te, Gre­gor habe sich das Kö­nig­tum und Pries­ter­tum zu­gleich an­ge­maßt und da­durch Got­tes Ord­nung ver­ach­tet, die nicht auf ei­nem, son­dern auf zwei Prin­zi­pi­en, Kö­nig­tum und Pries­ter­tum, be­ru­he.

      In­zwi­schen hat­ten sich be­reits die Ver­hält­nis­se ge­gen den Kö­nig ge­wen­det: nicht nur, dass die Sach­sen sich von Neu­em em­pör­ten, die Schwa­ben schlos­sen sich ih­nen an, ja Her­zog Ru­dolf von Schwa­ben ließ sich von den Hein­rich feind­li­chen Fürs­ten be­we­gen, als Ge­gen­kö­nig auf­zu­tre­ten. Un­ter die­sen Um­stän­den fie­len auch die Bi­schö­fe, die eben noch mit dem Kö­nig zu­sam­men den Papst ab­ge­setzt hat­ten, vom Kö­nig ab und er­klär­ten dem Papst ihre Un­ter­wer­fung. Die ab­trün­ni­gen Fürs­ten for­der­ten Gre­gor auf, als Schieds­rich­ter über die Al­pen nach Augs­burg zu kom­men; den Kö­nig er­klär­ten sie für ab­ge­setzt, wenn er nicht bin­nen Jah­res­frist vom Ban­ne be­freit sei.

      Von al­len ver­las­sen, au­ßer­stan­de, das Glück der Waf­fen zu ver­su­chen, fass­te Hein­rich den küh­nen Ent­schluss, über die Al­pen zu ge­hen und den Papst zur Zu­rück­nah­me des Ban­nes zu be­we­gen, um da­durch zu ver­hin­dern, dass der Ab­fall der Fürs­ten durch den Papst bün­dig ge­macht wer­de. Es war mit­ten im Win­ter und die Käl­te so groß, dass der Rhein vom No­vem­ber bis zum April zu­ge­fro­ren war; der Über­gang über den Ju­pi­ter­berg, wie der Mont Ce­nis im Mit­tel­al­ter ge­nannt wur­de, im­mer schwie­rig, war so ein Wa­g­nis und ein Schre­cken. Aber der Kö­nig er­reich­te sein Ziel und über­rasch­te den Papst, der, auf dem Wege nach Deutsch­land, als er die Nach­richt von Hein­richs An­kunft ver­nahm, un­ge­wiss, was sein Feind vor­ha­be, sich auf die fes­te Burg Ca­nos­sa zu­rück­ge­zo­gen hat­te. Die zahl­rei­chen Geg­ner Gre­gors in Ita­li­en hoff­ten, der Kö­nig kom­me, um den Papst ab­zu­set­zen; aber das glaub­te er auf eine ge­le­ge­ne­re Zeit ver­schie­ben zu müs­sen; im Au­gen­blick konn­te er sei­nem Fein­de eine Nie­der­la­ge nur bei­brin­gen, in­dem er sich ihm un­ter­warf. Die Voraus­set­zun­gen des Chris­ten­tums wa­ren so, dass der Papst ei­nem reui­gen Sün­der die Los­spre­chung vom Ban­ne nicht ver­sa­gen konn­te. Man sah ihm nicht ins Herz; es war die Kehr­sei­te der kirch­li­chen Äu­ßer­lich­keit, dass die fest­ge­setz­ten äu­ße­ren Zei­chen der Reue als sol­che gel­ten ge­las­sen wer­den muss­ten. In­dem Hein­rich als Bü­ßer er­schi­en, zwang er den Papst, ihn wie­der in den Schoß der Kir­che auf­zu­neh­men. Den Papst trös­te­te über das er­trotz­te Zu­ge­ständ­nis der in­ne­re Vor­be­halt, dass der Kö­nig zwar vom Ban­ne be­freit, aber nicht als Kö­nig wie­der ein­ge­setzt sei, wäh­rend der Kö­nig zu­frie­den war, die au­gen­blick­li­che Ge­fahr be­sei­tigt zu ha­ben. Nach­dem Gre­gor die Lö­sung vom Ban­ne aus­ge­spro­chen hat­te, ga­ben sich Papst und Kö­nig den Frie­dens­kuss.

      Eine furcht­ba­re Pau­se starr­te zwi­schen den Ge­wit­ter­schlä­gen des Rie­sen­kamp­fes. Kö­nig und Papst, der ger­ma­ni­sche und der rö­mi­sche Wel­t­herr­scher, stan­den sich Auge in Auge ge­gen­über, die Brust voll Hass und Ra­che, aber ge­lähmt durch das Be­wusst­sein, un­trenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­den zu sein. Sie wa­ren nicht zwei Herr­scher, von de­nen je­der des an­de­ren Reich be­sit­zen, von de­nen je­der den an­de­ren ver­nich­ten möch­te, sie wa­ren un­lös­lich mit­ein­an­der ver­wach­sen und in­ein­an­der ver­bis­sen, und im­mer wie­der ka­men Au­gen­bli­cke, wo ih­nen das klar wur­de. Der Papst be­grün­de­te sei­nen welt­li­chen Be­sitz auf Schen­kun­gen der Kai­ser, die Kai­ser emp­fin­gen ihre Kro­ne in Rom durch den Papst, die Völ­ker sa­hen zu ih­nen bei­den als zur Spit­ze der Chris­ten­heit auf; sie wa­ren auf­ein­an­der an­ge­wie­sen und konn­ten höchs­tens durch einen Per­so­nen­wech­sel vor­über­ge­hend zu ge­win­nen hof­fen. Bei­de wa­ren mäch­tig, wenn auch auf ver­schie­de­ne Wei­se: dem Papst ge­hör­te nur eine klei­ne Pro­vinz, aber er herrsch­te über die re­li­gi­ösen Ge­füh­le und Ge­dan­ken al­ler Chris­ten, und sein Thron stand auf den Trüm­mern der al­ten Welt­stadt Rom; der Kö­nig war der An­füh­rer der deut­schen Rit­ter, die an die Stel­le rö­mi­scher Le­gio­nen ge­tre­ten wa­ren, aber ihm ge­hör­te nur, was er sich durch ei­ge­ne Kraft un­ter­warf. Bei­de konn­ten sich ge­gen­ein­an­der ih­rer Macht nur so­weit be­die­nen, als sie nicht sich selbst da­durch ver­letz­ten.

      Hein­rich, der sei­ne hohe Ge­stalt und sein blon­des Haupt vor dem häss­li­chen klei­nen Mönchs­papst ge­beugt hat­te, blieb im Her­zen un­beug­sam. Wäh­rend der Papst im ge­hei­men die Krö­nung des Ge­gen­kö­nigs be­trieb, trat er als recht­mä­ßi­ger Kö­nig auf und hoff­te auf einen Waf­fen­sieg über die Geg­ner. Ru­dolf fiel in der Schlacht und wur­de in Mer­se­burg be­gra­ben; schon vor­her hat­te Hein­rich einen treu­en An­hän­ger, den Gra­fen Fried­rich von Bü­ren, zum Her­zog von Schwa­ben er­ho­ben und dem bis da­hin in be­schei­de­nen Ver­hält­nis­sen le­ben­den jun­gen Mann sei­ne Toch­ter Ag­nes zur Frau ge­ge­ben. Nach­dem Gre­gor den Kö­nig von Neu­em ex­kom­mu­ni­ziert hat­te, er­klär­te Hein­rich auf ei­ner Synode in Bri­xen mit meh­re­ren Bi­schö­fen in maß­lo­ser Spra­che und un­ter un­ge­heu­ren Be­schul­di­gun­gen Gre­gor für ab­ge­setzt und Bi­schof Wi­bert von Ra­ven­na zum Papst. Dann zog er nach Ita­li­en, er­kämpf­te sich den Ein­zug in Rom, wo ein Teil der Be­völ­ke­rung ihm an­hing, und ließ sich von Wi­bert zum Kai­ser krö­nen. Gre­gor wäre ver­lo­ren ge­we­sen, hät­te er sich nicht den Bei­stand der Nor­man­nen ge­si­chert ge­habt, die in Un­ter­ita­li­en nach Ver­drän­gung der Grie­chen und Sa­ra­ze­nen ein Reich ge­bil­det und vom Papst zu Le­hen ge­nom­men hat­ten. Wie einst die Päps­te bei den Fran­ken Schutz ge­gen die Lan­go­bar­den ge­sucht hat­ten, so such­ten sie jetzt ge­gen die zu Nach­barn ge­wor­de­nen Deut­schen Schutz bei den neu ein­ge­drun­ge­nen Bar­ba­ren, die ihre Erobe­rung gern durch die Aner­ken­nung von sei­ten ei­ner recht­mä­ßi­gen Macht stütz­ten. Ob­wohl Hein­rich be­deu­ten­de Er­fol­ge er­run­gen hat­te, ging in Deutsch­land und in Ita­li­en der Kampf wei­ter. Die großen grund­sätz­li­chen Ge­gen­sät­ze, die aus­ge­spro­chen wa­ren, zo­gen wie weit­hin sicht­ba­re Fah­nen An­hän­ger an sich und zwan­gen je­den, Par­tei zu neh­men. Streit­schrif­ten wur­den ge­wech­selt, die zwar la­tei­nisch ver­fasst wa­ren, de­ren In­halt sich aber doch auch un­ter den Lai­en ver­brei­te­te.

      Die ita­lie­ni­schen Bi­schö­fe wa­ren dem Kai­ser im All­ge­mei­nen an­häng­li­cher als die deut­schen. Vie­le von ih­nen wa­ren Deut­sche, al­lein der scharf­sin­nigs­te und fol­ge­rich­tigs­te un­ter ih­nen, Ben­zo von Alba, scheint ein Sü­dita­lie­ner, viel­leicht grie­chi­scher Ab­kunft ge­we­sen zu sein. Er brach­te die An­sich­ten der äl­te­ren Bi­schö­fe, die nicht dar­an zwei­fel­ten, dass der Kö­nig das recht habe, die Bi­schö­fe ein­zu­set­zen, in eine zu­sam­men­hän­gen­de