Название | Schwarzes Echo |
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Автор произведения | Michael Connelly |
Жанр | Языкознание |
Серия | Kampa Pocket |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783311702269 |
Nachdem Bosch seinen Overall ausgezogen und zusammengefaltet in den Kofferraum seines Wagens gelegt hatte, sah er sich an, wie Sakai und Osito die Leiche rüde auf die Bahre und dann hinten in den blauen Transporter rutschen ließen. Er überlegte, wie er es schaffen konnte, die Autopsie als vorrangige Angelegenheit behandeln zu lassen, was bedeutete, dass sie am nächsten Tag und nicht erst vier oder fünf Tage später durchgeführt würde. Er holte den Mann von der Gerichtsmedizin ein, als der gerade die Fahrertür öffnete.
»Wir hauen ab, Bosch.«
Bosch legte seine Hand an die Tür, verhinderte so, dass Sakai hineinklettern konnte.
»Wer schneidet heute?«
»Bei dem hier? Niemand.«
»Kommen Sie schon, Sakai. Wer hat Dienst?«
»Sally. Aber er wird den hier nicht zu sehen kriegen, Bosch.«
»Hören Sie, ich habe dasselbe gerade mit meinem Partner durchgekaut. Kommen Sie jetzt nicht auch noch so, ja?«
»Bosch, hören Sie. Sehen Sie es doch ein. Ich arbeite seit sechs Uhr gestern Abend, und das hier ist der siebte Tatort, um den ich mich kümmere. Wir haben mehrere Fahrerfluchten, Wasserleichen, einen Sexfall. Die Leute können es gar nicht erwarten, dass wir zu ihnen kommen. Keine Rast für müde Krieger, und das bedeutet: keine Zeit für etwas, das Sie für einen Fall halten. Hören Sie dieses eine Mal auf Ihren Partner. Diese Sache ist eine Routineangelegenheit. Das heißt, wir werden Mittwoch dazu kommen, vielleicht Donnerstag. Ich verspreche: spätestens Freitag. Und toxikologische Ergebnisse dauern mindestens zehn Tage. Das wissen Sie. Wozu die verdammte Eile?«
»Dauern. Toxikologische Ergebnisse dauern zehn Tage.«
»Am Arsch.«
»Sagen Sie Sally, ich brauch die Voruntersuchung noch heute. Ich komm später vorbei.«
»Himmel, Bosch, hören Sie doch, was ich sage. Bei uns stapeln sich Leichen auf den Bahren im Flur, von denen wir wissen, dass sie 187er sind und aufgeschnitten werden müssen. Salazar wird keine Zeit für etwas haben, das für mich und alle anderen hier – abgesehen von Ihnen – wie ein Drogentoter aussieht. Reine Routine, Mann. Was soll ich ihm sagen, damit er die Autopsie noch heute vornimmt?«
»Zeigen Sie ihm den Finger. Sagen Sie ihm, dass es in dem Rohr keinerlei Spuren gab. Denken Sie sich was aus. Sagen Sie ihm, der Tote war ein Mann, der sich mit Nadeln viel zu gut auskannte, um sich eine Überdosis zu spritzen.«
Sakai lehnte die Stirn gegen die Seite des Transporters und lachte laut auf. Dann schüttelte er den Kopf, als hätte ein kleines Kind einen Spaß gemacht.
»Und wissen Sie, was er zu mir sagen wird? Er wird sagen, dass es egal ist, wie lange der Mann gedrückt hat. Sie drehen alle ab. Bosch, wie viele fünfundsechzigjährige Junkies sieht man rumlaufen? Keiner von denen schafft es so weit. Am Ende kriegt die Nadel sie immer. Genau wie den Mann im Rohr.«
Bosch drehte sich um, weil er sichergehen wollte, dass keiner der Uniformierten etwas hörte. Dann wandte er sich wieder Sakai zu.
»Sagen Sie ihm, ich komme später vorbei«, sagte er leise. »Wenn er bei der Voruntersuchung nichts findet, gut, dann stellen Sie die Leiche ans Ende der Schlange auf dem Flur oder parken Sie sie unten bei der Tankstelle an der Lankershim. Dann soll es mir egal sein, Larry. Aber sagen Sie es ihm. Es ist seine Entscheidung, nicht Ihre.«
Bosch nahm die Hand von der Tür und trat zurück. Sakai stieg in den Wagen und knallte die Tür zu. Er ließ den Motor an und starrte Bosch lange durch die Scheibe an, bevor er sie herunterkurbelte.
»Bosch, Sie sind eine echte Nervensäge. Morgen früh. Das ist alles, was ich für Sie tun kann. Heute ist nichts zu machen.«
»Erster Schnitt am Morgen?«
»Hauptsache, heute lassen Sie uns in Ruhe.«
»Erster Schnitt?«
»Ja, ja. Erster Schnitt.«
»Selbstverständlich lasse ich Sie in Ruhe. Ich sehe Sie morgen.«
»Mich nicht, Mann. Ich werde schlafen.«
Sakai kurbelte das Fenster hoch, und der Wagen fuhr an. Bosch trat zurück, um ihn vorbeizulassen, und als er weg war, stand er da und starrte die Röhre an. Da nahm er die Graffiti eigentlich zum ersten Mal wahr. Nicht, dass ihm nicht aufgefallen wäre, dass die Röhre buchstäblich mit gesprayten Botschaften übersät war, aber diesmal sah er sich die einzelnen Zeichnungen an. Viele waren alt, ineinander verwoben – ein Muster aus Buchstaben, die Drohungen ausstießen, die entweder lang vergessen oder längst eingelöst waren. Es gab Slogans: »Raus aus L.A.« Es gab Namen: »Ozone«, »Bomber«, »Stryker« und viele andere. Einer der neueren Schriftzüge fiel ihm ins Auge. Er bestand nur aus drei Buchstaben, etwa vier Meter vor dem Ende der Röhre – »Sha«. Die drei Buchstaben waren in einer fließenden Bewegung gesprüht. Das S war oben gezackt und dann mit Konturen versehen. Es sah aus wie ein Maul. Ein weit aufgerissener Rachen. Zähne waren keine zu sehen, aber Bosch konnte sie spüren. Es schien, als wäre das Werk nicht vollendet. Dennoch war es gut, originell und sauber. Er richtete die Polaroidkamera darauf und machte ein Foto.
Bosch ging zum Polizeitransporter hinüber, steckte die Aufnahme in seine Tasche. Donovan war gerade dabei, die Ausrüstung auf Borden und die Tüten mit den Beweisstücken in hölzernen Napa-Valley-Weinkisten zu verstauen.
»Hast du irgendwelche abgebrannten Streichhölzer gefunden?«
»Ja, eins. Ein frisches«, sagte Donovan. »An einem Ende abgebrannt. Es lag etwa drei Meter weit drinnen. Steht da auf der Liste.«
Bosch sammelte ein Klemmbrett auf, an dem ein skizziertes Diagramm der Röhre steckte. Der Fundort der Leiche war eingezeichnet, ebenso die Stellen, an denen die anderen Gegenstände im Rohr gelegen hatten. Bosch fiel auf, dass das Streichholz etwa fünf Meter von der Leiche entfernt gefunden worden war. Dann zeigte Donovan ihm das Streichholz am Boden eines Plastikbeutels. »Ich sag dir Bescheid, ob es aus dem Heftchen stammt, das dem Toten gehört hat«, sagte er. »Falls du das gerade überlegen solltest.«
Bosch sagte. »Was ist mit den Uniformierten? Was haben die gefunden?«
»Ist alles da drüben«, sagte Donovan und deutete auf eine Holzkiste, in der noch weitere Tüten mit Beweisstücken lagen. Sie enthielten Abfälle, die die Streifenbeamten in einem Radius von fünfzig Metern um die Röhre eingesammelt hatten. Jeder Beutel enthielt eine Beschreibung des jeweiligen Fundortes. Bosch nahm die Beutel heraus und sah sich den Inhalt genau an. Das meiste war Abfall, der wahrscheinlich nichts mit der Leiche zu tun hatte. Es waren Zeitungen, Lumpen, ein hochhackiger Schuh, ein weißer Strumpf mit getrockneter, blauer Farbe. Eine Schnüffeltüte.
Bosch nahm einen Beutel in die Hand, der das Oberteil einer Sprühdose enthielt. Im nächsten Beutel war die Dose selbst. Auf dem Krylon-Etikett stand »Ocean Blue«. Bosch wog den Beutel in der Hand und schätzte, dass noch Farbe in der Dose war. Er nahm den Beutel mit zur Röhre, öffnete ihn, tippte die Düse mit einem Kugelschreiber an, sprühte einen blauen Strich neben die Buchstaben »Sha«. Er sprühte zu viel. Die Farbe verlief an der Wölbung der Röhre und tropfte auf den Kies. Aber Bosch konnte sehen, dass die Farben übereinstimmten.
Darüber dachte er einen Moment lang nach. Warum sollte ein Graffiti-Sprayer eine halb volle Dose Farbe wegwerfen? Er sah nach, was auf dem Beutel stand. Man hatte sie am Rand des Reservoirs gefunden. Jemand hatte versucht, sie in den See zu werfen, aber nicht getroffen. Wieder dachte er: wieso? Er hockte sich neben die Röhre und sah sich die Buchstaben genau an. Er kam zu dem Schluss, dass die Botschaft oder der Name, was immer es sein sollte, nicht vollständig sein konnte. Irgendwas war passiert, das den Sprayer veranlasst hatte, aufzuhören und die Dose, den Deckel und seine Schnüffeltüte über den Zaun zu werfen. War es die Polizei gewesen? Bosch nahm sein Notizbuch und schrieb auf, dass er Crowley nach Mitternacht anrufen wollte, um nachzufragen, ob sich jemand von seinen Leuten während der Frühschicht am Reservoir aufgehalten hatte.
Aber was, wenn es kein Cop