Es war einmal ein Spiel. Moritz Küpper

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Название Es war einmal ein Spiel
Автор произведения Moritz Küpper
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783730703212



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      Moritz Küpper

      ES WAR EINMAL EIN SPIEL

      Wie der Fußball unsere Gesellschaft beherrscht

      VERLAG DIE WERKSTATT

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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      Umschlagfoto: imago sportfoto

      Satz und Gestaltung: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, Göttingen

      ISBN 978-3-7307-0321-2

      Über den Autor

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      Moritz Küpper, geboren 1980, ist Landeskorrespondent für das Deutschlandradio in Nordrhein-Westfalen. Zuvor arbeitete er als Redakteur in der Deutschlandfunk-Sportredaktion sowie beim Wirtschaftsmagazin Capital. Er ist Autor der Bücher „Politik kann man lernen. Politische Seiteneinsteiger in Deutschland“ und „Die Joker. Warum unsere Gesellschaft Genera-listen braucht“.

      Zu diesem Buch

      Der Fußball hat mich mein Leben lang begleitet. Zwar nie als Spieler in einem Verein, dafür in der Freizeit auf der Straße, mit Freunden auf Wiesen und Kunstrasenplätzen, als Zuhörer am Radio oder eben als Zuschauer im Stadion oder vor dem Fernseher. Und gut fünf Jahre als Redakteur in der Deutschlandfunk-Sportredaktion.

      Den Sport als einen Teil der Gesellschaft sehen – und ihn entsprechend journalistisch begleiten. Das ist der Ansatz dieser Redaktion, der ich viel zu verdanken habe. Und so habe ich mich jahrelang auch beruflich mit dieser Rolle des Fußballs beschäftigt. Dazu gehörte natürlich die klassische Berichterstattung aus Bundesliga-Stadien oder von Länderspielen. Doch abseits dieser häufig öffentlichen Bühnen fanden sich zumeist die interessanteren Geschichten: Ich habe bei Auswahlturnieren Nachwuchsscouts getroffen und mich auf Bundestagen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) oder FIFA-Kongressen mit Funktionären unterhalten. Mit einer DFB-Delegation der U15-Nationalmannschaft bin ich nach Israel gefahren und war dabei, als diese jungen Spieler die Gedenkstätte Yad Vashem besuchten. Bei der letztmals veranstalteten Lizenz-Prüfung für Spielerberater saß ich im Prüfungsraum, hörte im Bundestags-Sportausschuss zu und besuchte ein „Fan-Hearing“ der Piraten-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag. Mit NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans war ich mit einem alten Ball bei Fortuna Köln im Südstadion zum Spendensammeln unterwegs, Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff habe ich in seiner Wahlheimat am Starnberger See getroffen und im Deutschlandfunk-Sportgespräch mit den Bundesinnenministern Thomas de Maizière und Hans-Peter Friedrich, den Professoren Hans Ulrich Gumbrecht (Stanford University) und Moshe Zimmermann (Hebräische Universität Jerusalem), den einstigen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und Wolf-gang Niersbach, dem Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL), Christian Seifert, dem Weltmeister von 1954, Horst Eckel, und zahlreichen Bundesliga-Managern, -Trainern sowie anderen Sportlern wie Diskuswerfer Robert Harting und Welt-Hockeyspieler Tobias Hauke über die Rolle des Fußballs in unserer Gesellschaft diskutiert.

      Dass dieser Stellenwert hoch ist, mag eine naheliegende Erkenntnis sein. Und doch wurde mir bei all diesen Gesprächen und Reisen immer deutlicher, wie stark und wie umfassend das Massenphänomen Fußball unsere Gesellschaft dominiert. Ich habe – gerade abseits der üblichen Orte – die Wirkung und Kraft, aber auch die Macht des Fußballs gespürt. Es waren zumeist kleine Anekdoten, weitreichende (personelle) Verflechtungen, überraschende Beobachtungen aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie aussagekräftige Vergleiche, die – wie bei einem Puzzle – ein komplettes Bild entstehen ließen. Im Anekdotischen das Exemplarische zu entdecken und somit das Sittengemälde einer Gesellschaft zu zeigen, in deren Mitte der einstige „Arbeitersport“ Fußball mittlerweile angekommen ist: Das war die Idee der sechsteiligen Deutschlandfunk-Serie „Blinde Liebe – Wie sich der Fußball in unserer Gesellschaft ausbreitet“ – und wurde zur Grundlage für dieses Buch.

      Es will damit dem Gewöhnungsprozess ein wenig trotzen, der vieles bei diesem Massenphänomen mittlerweile als normal erscheinen lässt. Dieses Buch soll zeigen, wie sich der Fußball (und sein gesellschaft-licher Stellenwert) in den vergangenen sechs Jahrzehnten verändert hat: vom „Wunder von Bern“ bis hin zum „Triumph von Rio“. Wie sich der Fußball kommerzialisiert, politisiert, professionalisiert hat – und auch, wie dieses Spiel instrumentalisiert wird. Dieses Buch soll Augen öffnen, nicht anklagen – zugleich aber auch nicht der Faszination Fußball erliegen. Deshalb habe ich mich bemüht, meine Erlebnisse und Beobachtungen möglichst authentisch widerzuspiegeln. Denn, wie heißt es so oft? Fußball ist die schönste Nebensache der Welt. Dass der Fußball schön ist, erscheint angesichts des Massenphänomens als unstrittig. Aber eine Nebensache? Darüber dürfte wohl mancherorts diskutiert werden – vielleicht nach der Lektüre dieses Buchs.

       Moritz Küpper, Februar 2017

      Prolog: Von Bern nach Rio de Janeiro in sechs Jahrzehnten

       „Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt – Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor!“

      (Radioreporter Herbert Zimmermann beim Weltmeisterschafts-Endspiel 1954 in Bern)

       „Mach ihn! Maaach ihn! Er macht ihn!“

      (TV-Kommentator Tom Bartels beim Weltmeisterschafts-Endspiel 2014 in Rio de Janeiro)

      Die Füße tragen mittlerweile schwer. Knapp 60 Jahre nach dem legendären Weltmeisterschaftsfinale von Bern humpelt Hans Schäfer über eine große Einkaufsstraße im Kölner Westen. Gut 50 Meter könne er noch gehen, so Schäfer, das rechte Knie mache ihm Probleme. Jahrzehnte vorher war dies noch anders: Schäfer müsse nach innen flanken, rief einst der Rundfunkreporter Herbert Zimmermann in seinem legendären Kommentar. Der Rest waren ein Abpraller, ein Schuss von Helmut Rahn aus dem Hintergrund – und das 3:2 von Deutschland gegen Ungarn im WM-Finale 1954. Doch vom „Wunder von Bern“ will Schäfer heute nicht mehr viel wissen – er ist auf dem Weg zum Friseur. Wie fast jeden Donnerstag bringt er seine Frau dorthin. Schäfer setzt sich dann dazu, wartet und liest in der Kölner Boulevardzeitung Express. „Ich bin 1954 Weltmeister geworden, habe mir danach den Mund abgeputzt, das genügt doch“, sagte er einst in einem der seltenen Interviews, „was soll ich denn 60 Jahre ständig und immer darüber reden?“ In seiner Heimatstadt ist er dennoch bekannt: Im Supermarkt trägt ihm der Filialleiter die Einkaufstaschen zum Auto. Doch der Kult um die „Helden von Bern“ ist ihm fremd: „Die Dinge aus meiner Zeit als aktiver Fußballer habe ich alle verschenkt“, erzählt er: „Ich lebe in der Gegenwart.“ Von daher lehnt er weitere Interviews grundsätzlich ab, auch im Friseursalon – und widmet sich stattdessen wieder dem Express. Lesen mag er, sprechen mit Journalisten dagegen weniger. Auch Wochen später am Telefon bittet er darum, nicht mehr anzurufen, er habe „zu viel zu tun“. Dies sei eine Geheimnummer, man solle sie am besten streichen und sofort vergessen – und legt auf.

      Schäfer ist, neben Horst Eckel, das letzte lebende Mitglied der WM-Elf von 1954. Sie sind Weltmeister – genauso wie der Jahrgang von 1974 um Franz Beckenbauer, Sepp Maier und Uli Hoeneß, die „Helden von Rom“ 1990 um Lothar Matthäus, Andreas Brehme und Jürgen Klinsmann oder eben die Weltmeister 2014 aus Brasilien. Doch während der Titelgewinn all diese Männer verbindet, haben sich die Zeiten geändert. Es ist – ohne Vertragsdetails zu kennen – wohl nicht unwahrscheinlich, dass die drei deutschen Final-Siegtorschützen von 1954, 1974 und 1990, eben Helmut Rahn, Gerd Müller und Andreas Brehme, zusammengerechnet in ihrer gesamten Karriere nicht so viel verdient haben wie der damals 22-jährige Mario Götze bei seinem Siegtreffer im Juli 2014.

      60 Jahre liegen zwischen dem ersten und dem bislang letzten WM-Erfolg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Auch 1954 jubelten die Menschenmassen den „Helden von Bern“ zu, doch