Die Praktikantin und 12 andere heiße Erzählungen. Lisa Vild

Читать онлайн.
Название Die Praktikantin und 12 andere heiße Erzählungen
Автор произведения Lisa Vild
Жанр Языкознание
Серия LUST
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726248661



Скачать книгу

      

      Elena Lund, Katja Slonawski, Lisa Vild, Malin Edholm

      Die Praktikantin und 12 andere heiße Erzählungen

      Lust

      Die Praktikantin und 12 andere heiße Erzählungen ÜbersetztGesa Füßle, Mareike Zoege Cover Bild: Shutterstock Copyright © 2019, 2019 Elena Lund, Katja Slonawski, Lisa Vild, Malin Edholm und LUST All rights reserved ISBN: 9788726248661

      1. Ebook-Auflage, 2019

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von LUST gestattet.

      Camgirl

      Viele – besonders ihre Familie und nächsten Freunde – beschreiben Ella als smarte, seriöse und reife junge Frau. Sie möchte gern glauben, dass das stimmt und gibt niemandem Anlass, diese Attribute infrage zu stellen – außer sich selbst. Eine seriöse und reife Person hätte nämlich in weiser Voraussicht einen Job für die Sommerferien organisiert. Eine smarte Person würde sich nicht in Ellas Situation befinden. Als arbeitslose Studentin am Semesterende, die Hälfte vom Bafög noch auf dem Konto und den dräuenden Sommer über sich wie einen dichten, undurchdringlichen Schleier, braucht sie dringend Geld.

      „Du kommst mit essen, oder? Wir müssen doch feiern!“ Josefin lächelt sie so breit an, dass die Schneidezähne zwischen den vollen Lippen hervorlugen. Es ist der letzte Tag des Sommersemesters und der Vorlesungssaal wird schnell von den nach draußen drängenden Studenten geräumt, die in den warmen Frühsommer strömen, erleichtert, endlich frei zu sein. Ella lässt sich Zeit damit, alle ihre über den Tisch verteilten Papiere und Stifte einzusammeln. Einerseits will sie nichts lieber, als mit Josefin und dem Rest der Clique Mittag zu essen. Oder Kaffee zu trinken. Oder in eine Bar zu gehen. Sie möchte mitgehen und nicht mehr an die nagende Angst denken müssen. Andererseits ist es genau das Gefühl, dass sie am Mitgehen hindert. Es ist so verdammt vermessen. Sie kann sich nichts davon leisten, weil sie nicht einmal die nächste Miete bezahlen kann.

      „Nee, leider kann ich heute auch nicht“, antwortet sie.

      „Aber du kannst in letzter Zeit ja nie“, klagt Josefin mit Schmollmund – aber mit einem Funkeln in den Augen. Trotzdem trifft es Ella, als sie das hört. Nein, sie kann nicht mehr mitgehen, wenn man dabei Geld ausgeben muss. Aber wie sagt man das, ohne die Fassade zum Einstürzen zu bringen?

      „Ja, leider, ich habe …“, beginnt Ella, aber dann merkt sie, dass Josefin ihre Aufmerksamkeit bereits dem Rest der Clique zugewandt hat, „… was zu tun.“ Sie sieht, wie sie den Vorlesungssaal verlassen und bleibt allein zurück. Einige Sekunden vergehen und alles scheint ganz still zu sein. Das verstreute Lachen und die Stimmen werden leiser und auf einmal fühlt sie sich einsamer als je zuvor. Schnell rafft sie die mittlerweile zerknitterten Papiere in ihren militärgrünen Rucksack.

      „Warte!“ Ella stößt die Tür weit auf und rennt die dunklen Marmortreppen hinunter. Ihre flachen Schuhe sind weit hörbar, wie sie die breite Wendeltreppe immer rundum herunterläuft. Am Fuß der Treppe drehen sich Josefin, Anna, Joel und Maria verwundert um, aber als sie sehen, dass es Ella ist, die angerannt kommt, lächeln sie sie warmherzig an. „Ich komme mit, die Wäsche kann warten.“

      Als sie später an dem Abend nach Hause kommt, setzt sie sich in ihre enge Einzimmerwohnung und weint. Welle um Welle der niederschmetternden Angst schlägt über ihr zusammen, wenn sie an all das Geld denkt, das sie ausgegeben hat. Geld, das sie eigentlich nicht hat. Ihr Handy vibriert in ihrer Tasche. Erst, als es wieder aufhört, blickt sie auf den Bildschirm und sieht einen weiteren unbeantworteten Anruf von ihrer Mutter. Der dritte heute. Ihre Augen werden wieder feucht. Morgen muss sie anrufen und erzählen, dass sie keinen Job gefunden hat. Dass sie kein Gespartes mehr hat und sich ihre Wohnung nicht mehr leisten kann. Sie muss wieder zu Hause einziehen und sich bei ihren Eltern durchschnorren – sie wird die Versagerin der Familie sein.

      Das Gefühl der Hoffnungslosigkeit weicht der reinen Wut. Sie wirft sich auf das quietschende Bett und öffnet den Browser. Mit großen, wütenden Bewegungen tippt sie die Worte How to make money fast in die Suchmaschine. Eine Stunde lang liest sie sich durch diverse verschiedene Seiten und Artikel, aber keiner der Tipps hilft ihr, die Miete in der nächsten Zukunft bezahlen zu können. Sie klickt sich weiter und weiter durch die Suchergebnisse, findet aber nichts. Als sie gerade aufgeben, das Telefon nehmen und ihre Mutter anrufen will, sieht sie etwas am Rand der zuletzt besuchten Seite blinken. Es ist eine Anzeige, auf der eine hübsche junge Frau sich auszieht und streichelt, während die Worte „Buy a private show now“ über dem Bild blinken. Ella betrachtet die Anzeige mit gerunzelter Stirn. Dann hat sie einen Geistesblitz. Sie schließt alle Seiten und fängt von vorne an. Sie sucht nach How to camgirl und stößt sofort auf diverse Forumsthreads, in denen das Camgirl-Phänomen diskutiert wird. Schließlich findet sie bei Flashback einen Thread, in dem eine Frau darauf besteht, Tausende Kronen als Camgirl verdient zu haben. Der Thread ist lang und voller Trolle, aber Ella vertieft sich trotzdem in die Erzählung der Frau. Sie liest alle Abschnitte und saugt die Informationen nur so auf. Nach einer weiteren Stunde lässt sie ihren Blick aus dem Fenster über die lahme Studentenstadt schweifen, die noch leerer als sonst aussieht. Die meisten Kommilitonen sind bereits für die Semesterferien nach Hause gefahren. Einige arbeiten, andere wohnen zu Hause bei ihren Eltern und ruhen sich vor dem nächsten Semester aus. Die Stadt blickt zu ihr zurück und sie versucht sich vorzustellen, was sie in ihr sieht. Hoffnungslosigkeit? Gescheitertsein? Das sieht sie auf jeden Fall in sich selbst.

      Sie blickt wieder runter und liest noch einmal die Ausführungen der Frau. Es hört sich so einfach an, wenn sie das erzählt. Es macht total Spaß! Ich kann kommen und gleichzeitig Geld dafür kriegen. Es ist, als ob man Nutzen und Genuss miteinander vereint. Und manchmal muss ich mich nicht mal ausziehen, viele wollen einfach jemanden zum Reden und bezahlen dafür. Auf gehts, Mädels! Ihr werdet es nicht bereuen. Ella starrt Löcher in die Luft und versucht sich zu erinnern, wann sie ihren letzten Orgasmus hatte. Sie weiß nicht einmal, ob sie jemals nah dran war, oder ob sie es je versucht hat. Onanie ist nichts für sie, sie findet das Thema unwichtig. Ihr Körper ist ein unerforschtes Feld und ginge es nach Ella, würde es so bleiben. Sie versucht sich vorzustellen, wie es wäre, sich vor fremden Menschen auszuziehen und erschaudert bei dem Gedanken. Sie denkt bei sich selbst und ihrem Körper einfach nicht, dass er sexy ist, oder dass man ihn gar als Genussobjekt benutzen kann.

      Die Frau im Thread hat verschiedene Chatseiten verlinkt, bei denen sie aktiv war, und Ella führt die Maus zu einem der Links, hält dann aber inne. Erst stellt sie es sich als Spaß vor. Jedenfalls am Anfang. Dann wird ihr klar, dass sie eigentlich keine Wahl hat. Entweder kriecht sie mit eingezogenem Schwanz heim zu ihren Eltern oder sie beißt jetzt die Zähne zusammen. Alles, was sie tun muss, ist, ihr lahmes, altes MacBook zu starten, sich in den Chat einzuloggen und sich ein paarmal pro Woche Stück für Stück vor den ausgehungerten Augen auszuziehen. Irgendwann müssen die Klamotten ja ohnehin mal runter, und sie ist ja nun auch nicht gerade mehr Jungfrau. Der Gedanke bringt ihre Wange zum Glühen. Sie befeuchtet ihre Lippen und schluckt. Drei Monate ist es her, dass Victor nach sechs gemeinsamen Jahren Schluss gemacht hat. Er war bisher ihr erster und einziger Sexpartner. Sie war sich sicher gewesen, dass sie für immer zusammen bleiben würden. Der Gedanke hatte ihr Sicherheit gegeben und sie getröstet. Deswegen war es ein echter Schock gewesen, als er eines Abends verkündete, er habe jemand anderen getroffen. Sie hatte nach dem Grund gefragt und er hatte geantwortet, dass er sich nicht geliebt fühlte, dass er sich nicht sexy fühlte und dass er nicht befriedigt wäre. Er sagte, dass sie gar keinen Sex mehr haben wollte. Als sie vergeblich versuchte, gegenan zu argumentieren, schüttelte er den Kopf und antwortete: „Weißt du, wie lange es her ist, dass wir das letzte Mal miteinander geschlafen haben? Oder wie lange es her ist, dass du mich überhaupt angefasst hast? Das hier funktioniert nicht, Ella.“ Er hatte vollkommen Recht, es funktionierte nicht. Sie mochte Sex nicht einmal. Jedes Mal, wenn er sie in letzter Zeit berührt hatte oder sie nur hatte küssen wollen, hatte sie sich schnell losgemacht und Kopfschmerzen oder Müdigkeit vorgeschoben. Sex bedeutet ihr nichts – das macht man bei besonderen Anlässen und Geburtstagen, weil es von einem erwartet wird; es ist eine nervige Pflichtübung.

      Sie