Название | Muskeln und Gelenke |
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Автор произведения | Arnold Achmüller |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | Kraut und Wurzel |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788872837429 |
Mit der Entdeckung des Blutkreislaufes im 17. Jahrhundert kamen die Vorstellungen der Säftelehre zunehmend ins Wanken. Ende der 1920er-Jahre erlebte die Reiztherapie zwar durch den Wiener Arzt Bernhard Aschner nochmals eine Renaissance, verschwand dann aber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts endgültig aus dem Therapiekanon der Schulmedizin. Das Provozieren von Wunden wurde nämlich zunehmend als „Rosskur“ angesehen. Zudem fehlt dieser Therapieform bis heute ein wissenschaftliches Konzept, mit dem man sie auch nach modernen Gesichtspunkten erklären könnte.
Tipp: Milde Reiztherapie mit frischen Brennnesseln
Eine besonders milde Form der Reiztherapie ist übrigens auch das nach wie vor in der Volksmedizin bekannte Aufschlagen von frischen Brennnesseln. Diese noch im 19. Jahrhundert von Ärzten empfohlene Therapiemöglichkeit wird bis heute bei rheumatischen Beschwerden angewandt. Hierzu werden die frischen Brennnesseln in der Tradition der Reiztherapie auf die schmerzenden Gelenke aufgeschlagen, worauf Bläschen und Hautrötungen entstehen. Nach Abklingen des anfänglichen Brennens sollten sich die Schmerzen bessern.
Die Brennnessel in einer Illustration aus dem 18. Jahrhundert
Heilen mit Wärme und Kälte
Dass Wärme und Kälte heilen können, ist den Menschen schon seit Langem bekannt. Kneipp erkannte beispielsweise schon vor über 100 Jahren, dass man mit der richtigen Wasseranwendung allein durch die vom Wasser übertragene Temperatur bereits Beschwerden effektiv lindern kann.
In der Wahl der richtigen Temperatur kommt es aber auf das zugrunde liegende Krankheitsbild an. Manche Beschwerden bessern sich nämlich durch Wärme, andere wiederum durch Kälte. Andererseits kann man mit der falschen Temperatur das Krankheitsbild sogar verschlechtern. Das ist gerade bei Muskel- und Gelenkschmerzen unbedingt zu beachten.
Ein wichtiger Anhaltspunkt bei der Entscheidung, ob die betreffende Stelle warm oder kalt behandelt werden sollte, ist die Dauer der Beschwerden. Akute, also erst kürzlich aufgetretene Beschwerden wie Sportverletzungen oder auch akute Entzündungen und Schwellungen sprechen meist sehr gut auf kühlende Umschläge, Gele oder Einreibungen an. Mithilfe der über Wasser, einen Kältespray oder eine Kältepackung übertragenen Kälte ziehen sich die darunterliegenden Blutgefäße zusammen. Dadurch nimmt die Durchblutung im betroffenen Gewebe ab, die Entwicklung von Schwellungen und Hämatomen wird abgebremst. Letztlich reduzieren sich dadurch auch Schmerzen.
Bei bereits länger bestehenden chronischen Beschwerden würden Kälteanwendungen allerdings eher schaden. Denn die Kälte würde die Durchblutung und somit den Abtransport von Entzündungsstoffen hemmen. Auch Verspannungen nehmen unter dem Einwirken von Kälte zu, wodurch sich krampfartige Schmerzen tendenziell verschlimmern. Wärme löst dagegen nicht nur Verkrampfungen in der Muskulatur, sondern fördert auch die Durchblutung. Dadurch werden Stoffe, die die Entzündung befördern, besser aus dem Gewebe abtransportiert und die Entzündung gelindert. Bei chronischen Schmerzen und Verspannungen bringen deshalb eher wärmende Salben, Lotionen und Wickel eine Besserung.
Rückenschmerzen sind ein sehr spezieller Fall – denn diese sollten im akuten Fall immer nur warm und niemals kalt behandelt werden. Denn bei Rückenschmerzen ist immer auch die Rückenmuskulatur durch Verspannungen oder leichte Muskeleinrisse beteiligt. Diese gilt es zu entspannen, Schmerzen würden sich mit Kälteanwendungen dagegen verstärken.
Es gibt auch Heilmittel, die von sich aus kühlend oder wärmend wirken. Menthol und Kampfer vermitteln in Zubereitungen einen kühlenden Effekt. Dieser besteht letztlich aber nur aus einer oberflächlich betäubenden Wirkung und nicht einer tatsächlichen Kühlung. Anders ist dies bei wässrig-alkoholischen Lösungen und Gelen. Bei diesen Anwendungen führt die Verdunstungskälte tatsächlich zu einer kühlenden Wirkung. Die meisten ätherischen Öle, darunter vor allem jene von Nadelhölzern (Fichte, Wacholder, Tanne, Latschenkiefer, Zirbe), wirken dagegen durchblutungsfördernd und damit wärmend.
Gele selbst zubereiten: keine Hexerei!
Von Teemischungen über Tinkturen bis hin zu Salben kann man viele verschiedene Zubereitungen leicht selbst herstellen. Etwas anspruchsvoller und weniger bekannt ist die Methode, mit der man Gele macht. Doch reichen ein paar Kenntnisse und wenige Grundstoffe aus, sodass man auch dabei bald eine gewisse Übung bekommt.
Der Vorteil eines Gels liegt in der höheren Konzentrationsmöglichkeit der Applikation. Im Gel erhöht sich nämlich die Viskosität der zugrunde liegenden Flüssigkeit, wodurch die Applikation wesentlich vereinfacht wird und auch in höheren Mengen erfolgen kann. Zusätzlich wirkt ein Gel bereits an sich kühlend, wodurch Schwellungen leichter reduziert werden. Ein schmerzstillendes Gel eignet sich daher besonders bei Sportverletzungen, Prellungen und Verstauchungen, verschafft aber auch bei kurzfristigen Muskel- und Gelenkschmerzen Linderung.
Es gibt zahlreiche Grundstoffe, mit denen man ein Gel zubereiten kann. Ausgangsstoffe sind beispielsweise schmerz- und entzündungshemmende Tinkturen und wässrige Lösungen. Besonders geeignet sind Auszüge aus Arnika, Beinwell oder Wacholder. Dann bedarf es einer gelbildenden Struktur, die die Viskosität der vorhandenen Lösung erhöht. Hierzu eignen sich von Agar-Agar über Johannisbrotkernmehl bis hin zu Xanthan zahlreiche Substanzen, die man zum Teil sogar im Lebensmittelhandel bekommt. Allerdings sind diese organischen Substanzen anfällig für eine bakterielle Zersetzung, weshalb es unbedingt einer Zugabe von Alkohol oder eines Konservierungsmittels bedarf. Etwas moderner, weil haltbarer, sind Gele auf Basis von Carbomeren. Das Carbomer ist ein chemisch gewonnenes Produkt. Ursprünglich liegt dieses als sogenanntes saures Polymer vor, ähnlich einer langen Kette von kleinen Knäueln. Neutralisiert man diese durch Zugabe eines basischen Stoffes (z. B. Trometamol), entwirrt sich die Kettenstruktur, Wassermoleküle werden eingelagert und es entsteht ein Gel. Das Carbomergel hat den Vorteil, dass es sehr gut haltbar ist, keine Rückstände auf der Haut bleiben und es bis zu einem Alkoholgehalt von ca. 30 % sehr feste Gele erzeugt. Der Nachteil ist, dass man keine hochprozentigen Tinkturen weiterverarbeiten kann. Ein Grundrezept für ein Carbomergel findet sich auf S. 45. Carbopol und Trometamol sind in Apotheken oder im Onlinehandel erhältlich.
Grenzen der Selbstmedikation und Zutaten der Heilmittel
Die Anwendung von Heilpflanzen und der daraus hergestellten Produkte kann bei leichten bis mittelschweren Erkrankungen sehr sinnvoll sein, sie sind allerdings keine Wundermittel. Heilpflanzen und Hausmittel eignen sich besonders bei Sportverletzungen, kurzfristigen Muskelverspannungen, leichten Rückenschmerzen oder zur unterstützenden Behandlung einer rheumatischen Erkrankung. Eine offene Verletzung, ein Bandscheibenvorfall oder starke Schmerzen sollten dagegen überhaupt nicht ohne vorherige ärztliche Abklärung behandelt werden.
Schmerzen sind immer Warnsignale. Sie sollten ernst genommen und rasch behandelt werden. Bestehen die Schmerzen länger als 3 Monate, verlieren sie ihre Funktion als Warnsignale und chronifizieren. Das heißt, es entstehen chronische Schmerzen, die viel schwerer therapierbar sind als akute Schmerzen. Eine Selbstmedikation sollte zudem nur dann erfolgen, wenn die Ursachen bekannt sind. Bei schweren Erkrankungen kann man sie als Ergänzung und Unterstützung einer herkömmlichen Therapie einsetzen, allerdings nur nach Absprache mit dem behandelnden Arzt. Jedes der folgenden Kapitel enthält Hinweise darauf, wann es notwendig ist, einen Arzt zu konsultieren, und wo die Grenzen der Selbstmedikation liegen.
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