Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Jörg Olbrich

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Название Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges
Автор произведения Jörg Olbrich
Жанр Историческая литература
Серия Geschichten des Dreißigjährigen Krieges
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783862825301



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hättest du auch dort gekonnt.«

       ***

      Als er an diesem Abend in seinem Bett lag, konnte Philipp keinen Schlaf finden. Das Gespräch mit Magdalena wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen. Der Gedanke, dass er sie für immer verlieren könnte, war unerträglich und schmerzte in seinem gesamten Körper. Die ganze Nacht über wälzte er sich unruhig in seinem Bett hin und her und schreckte mehrmals schweißgebadet auf. Als er sein Zimmer am Morgen verließ, hatte er das Gefühl, überhaupt nicht geschlafen zu haben.

       Pressburg, 01. Juli 1618

      Anton schreckte aus dem Schlaf hoch und hatte das Gefühl, sein Kopf würde explodieren. Stöhnend ließ er sich zurück auf das Bett fallen und blickte Richtung Fenster. Was in Gottes Namen ist passiert, dachte er. Seine Zunge hing ihm wie ein trockener Schwamm im Mund, sein Durst war entsetzlich. Er kämpfte gegen seine Kopfschmerzen an und setzte sich erneut auf. Dabei schien sich das Zimmer um ihn herum zu drehen. Er kämpfte gegen den Schwindel an und stand auf. Ich muss etwas trinken.

      »Wohin gehst du?«, fragte eine Frauenstimme.

      Anton drehte sich entsetzt zum Bett um, aus dem er gerade aufgestanden war. Dort lag eine dralle Rothaarige, die lediglich bis zum Bauch zugedeckt war und ihm so einen Blick auf ihren üppigen Busen gewährte. Er schaute an sich selbst herunter und stellte fest, dass auch er nackt war. Offensichtlich hatte er mit der Dame die Nacht verbracht. Dumm nur, dass er sich weder daran erinnern konnte, wie ihr Name war, noch daran, wie sie in sein Zimmer gekommen war.

      »Ich habe Durst«, ächzte Anton, weil ihm in dieser Situation nichts Besseres einfiel.

      »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«

      »Könntest du bitte deine Blöße bedecken?«

      »Warum? Heute Nacht hat es dich auch nicht gestört, dass wir beide nicht bekleidet waren. Ganz im Gegenteil. Außerdem bist du gerade selbst entblößt.«

      Anton griff nach der Decke und band sie sich unbeholfen um die Hüften. Was auch immer in den vergangenen Stunden passiert war, er steckte in Schwierigkeiten. In Großen sogar. Wenn man das Weib in seinem Zimmer erwischte, würde er die Krönungszeremonie im Kerker verbringen. Der König. Ich muss sofort in den Martinsdom.

      »Du musst sofort verschwinden.«

      »Willst du nicht lieber zu mir zurück ins Bett kommen?«

      »Du liebe Güte, nein!« Anton sah die junge Frau schockiert an, die sich jetzt der Decke entledigte und komplett unbekleidet vor ihm lag. Er musste zugeben, dass sie alles zu bieten hatte, was ein Mann sich von einem Weib wünschen konnte. Aus ihren hellblauen Augen blickte sie ihn verführerisch an und strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Anton schluckte und sein Hals wurde noch trockener.

      »Ich kann nicht.«

      »Heute Nacht konntest du.«

      Anton wollte das Weib in diesem Moment nur noch loswerden. Sie machte allerdings keine Anstalten, sich endlich aus dem Bett zu erheben und fuhr sich stattdessen mit einer Hand über die Brust und winkte ihn mit der zweiten zu sich. So sehr Anton sich anstrengte, es wollte ihm einfach nicht einfallen, wann er das Weib getroffen hatte. Er konnte nicht einmal sagen, ob sie eine Adelige war, oder ob sie zu den Dienstboten des Schlosses gehörte. In beiden Fällen hatte er ein Problem, wenn herauskam, wo sie sich die Nacht über aufgehalten hatte.

      Nur langsam kehrten die Erinnerungen an den vergangenen Tag zurück. Das Denken bereitete Anton noch immer große Kopfschmerzen und er hatte das Gefühl, alles wie in einem Traum zu erleben. Am vorherigen Mittag war er mit dem König und einem Tross von über zweihundert Menschen in Pressburg angekommen. Am Abend hatte es einen Empfang zu Ehren von Ferdinand gegeben, bei dem der Wein in wahren Strömen geflossen war. Irgendwo dort musste er dann seine nächtliche Bekanntschaft gemacht haben.

      Ich brauche meine Hose. Anton sah sich im Raum um und atmete erleichtert auf, als er seine Sachen auf einem Stuhl liegen sah. So schnell es sein körperlicher Zustand zuließ, zog er sich an und drehte sich dann wieder zum Bett um.

      »Willst du nicht aufstehen?«

      »Warum die Eile?«

      »Ich muss in den Dom. Ferdinand wird heute zum König gekrönt. Als sein Schreiber darf ich das nicht verpassen. Willst du nicht ebenfalls an der Zeremonie teilnehmen?«

      »Seit wann werden Küchenhilfen zu so etwas eingeladen?«

      Also keine Adelige. Anton atmete auf. Wenn das Weib zum Personal gehörte, gab es vielleicht doch noch die Möglichkeit ungeschoren aus der Sache herauszukommen. »Du hast aber doch sicher viel mit der Vorbereitung der Feierlichkeiten zu tun.«

      »Das habe ich. Es ist aber noch früh am Morgen. Schau mal durch das Fenster. Die Sonne ist gerade erst aufgegangen. Warum hast du es so eilig? Hast du etwa Angst, mit mir gesehen zu werden?«

      Was denkst du denn? Natürlich habe ich das. »Es könnte unangenehme Fragen aufwerfen, wenn man uns unbekleidet in diesem Zimmer erwischt. Du musst gehen. Und zwar sofort.«

      »In der Nacht hast du ganz anders geredet.«

       Da war ich auch volltrunken wie ein alter Säufer!

      »Ich hoffe, du erinnerst dich noch an die Versprechungen, die du mir gemacht hast.«

      »Wie könnte ich die vergessen?«

      »Dann holst du mich nach Wien, sobald du die Stellung des kaiserlichen Schreibers bekommen hast?«

      Gott bewahre, nein. Anton sah das Weib entsetzt an. Die merkte wohl, dass es ihrem Liebhaber nun doch nicht mehr so ernst war, und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.

      »Du hast es mir versprochen.« Noch immer lag sie unbekleidet im Bett und machte weder Anstalten aufzustehen, noch endlich ihre Blöße zu bedecken.

      Trotz allem gefiel Anton sehr, was er sah. Die Wiener Frauen hatten aber auch schöne Töchter und er würde das Weib auf keinen Fall mit nach Hause nehmen. Zeidler würde ihn glatt aus dem Kaiserhof werfen, wenn er es wagte, sie mit dorthin zu nehmen.

      »Noch unterstütze ich meinen Meister nur. Es kann noch dauern, bis ich der erste Schreiber des Kaisers werde.«

      »Das hast du mir gestern schon gesagt. Ich kann warten. Auch wenn es noch ein Jahr dauert, bis du mich zu dir nach Wien holst.«

      »Können wir heute Abend noch einmal darüber sprechen«, versuchte es Anton, der mit der Situation völlig überfordert war und in diesem Moment beschloss, nie wieder einen Becher Wein anzurühren.

      »Nach den Feierlichkeiten im Ballsaal?«

      »Ja. Jetzt muss ich wirklich dringend weg. Und du musst ebenfalls gehen. Das musst du verstehen.«

      »Das tue ich auch, mein Geliebter.«

       Nenn mich nie wieder so.

      Anton hatte es jetzt noch eiliger, das Weib aus diesem Zimmer herauszubekommen. Der Durst war unerträglich und außerdem musste er sich dringend erleichtern. Er öffnete die Tür einen Spalt breit und sah vorsichtig nach draußen. Im Flur war alles ruhig.

      »Wo willst du denn hin?«

      »Ich bin gleich wieder da. Es wäre besser, wenn du dann nicht mehr in meinem Zimmer wärst.« Es schien tatsächlich noch recht früh zu sein. Auf dem Weg zum Abort traf er niemanden. Wenn sich das Weibsbild beeilte, würde man sie nicht sehen, wie sie sich aus seinem Zimmer und zurück in den Trakt des Dienstpersonals schlich.

      Zu Antons Erleichterung war sie tatsächlich nicht mehr im Raum, als er seine Notdurft verrichtet hatte und in das Zimmer zurückkehrte. Der junge Mann hatte nicht vor, sich noch einmal mit dem Weib zu treffen. Am Abend würde er schon eine Möglichkeit finden, ihr aus dem Weg zu gehen.

       ***

      Drei Stunden