Missi Moppel - Detektivin für alle Fälle (2). Die schwebende Teekanne und andere Ungereimtheiten. Andreas H. Schmachtl

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die drei Geschwister das geheime Turmzimmer zu ihrem Clubraum, ihrer Zentrale. Hier oben verwahrte Missi übrigens auch die Unterlagen zu ihren Fällen.

      Immerhin waren recht brisante Vorfälle darunter. Und Informationen, die nun wirklich nicht in die falschen Hände geraten durften.

      Gleich unter dem Turmzimmer lag Missis Zimmer. Und wenn man sie fragte, war das einer der schönsten Plätze der Stadt. Ach – der ganzen Welt.

      Missis Bett stand unter der Dachschräge. So konnte sie hören, wie der Wind über das Dach strich und die Pfannen klappern ließ. Wenn die Tauben morgens auf dem Außensims umherspazierten, hörte Missi das ebenfalls und klopfte gegen die Schräge, um höflich zu grüßen. Der Schreibtisch stand mitten im Raum, damit das Licht vom Fenster direkt darauffiel. Womöglich war das Fenster sogar das Schönste an Missis Zimmer. Es war sehr hoch und lief in altertümlicher Weise oben spitz zu. So wie man es in alten Kirchen sehen kann. Die Wände waren dick. Darum war die sogenannte Fensterleibung tief genug, um einer gepolsterten Fensterbank Platz zu bieten. Und hier konnte Missi zwischen haufenweisen Kissen ganze Nachmittage damit zubringen, in ihre Bücher einzutauchen, gebannt irgendwelche Abenteuer zu erleben oder beispielsweise jedes spannende Detail über die Entstehung von Wolken zu studieren. Man konnte ja nicht wissen, wann diese Kenntnisse einmal nützlich sein würden. Und auf dieser Fensterbank saß Missi auch, als der denkwürdige Fall des alten Knochens seinen Anfang nahm.

      Nach einem enorm heißen und, ehrlich gesagt, viel zu trockenen Sommer war der Himmel an diesem Tag zum ersten Mal wieder mit dichten Wolken bedeckt, aus denen dicke Regentropfen herabfielen. Auch wenn viele ihrer Freunde es anders sahen, mochte Missi dieses Wetter. Und sie sah zu, wie die Tropfen einander die Scheiben hinabscheuchten. Sie musste nicht lauschen, denn ihren spitzen Katzenohren entging ohnehin kein Laut. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, und das Regenwasser würde über die Dachpfannen in die Dachrinne laufen. Diese verlief direkt über Missis Fenster und verursachte ein wohlvertrautes Gurgeln und Murmeln. Beinahe wie ein kleiner Bach. Als Nächstes sollte das Wasser die Dachrinne entlang weiterfließen, im Fallrohr verschwinden und auf diese Weise fortgeleitet werden. Auch das Fallrohr hatte einen besonderen Klang. Es hörte sich fast wie Geplapper an. Und Missi grinste bei dem Gedanken, dass ihre Kaninchen-Freundin Dotti sich ganz ähnlich anhörte. Das war Missi sofort aufgefallen, als Dotti Fröhlich und ihre Mutter nach Animalia gezogen waren. Das war übrigens noch gar nicht so furchtbar lange her.

      Missi horchte. Sie wartete auf das Geplapper. Doch das kam nicht. Stattdessen hörte sie Ganges, der vom Fuße der Treppe »Überschwemmung!« heraufbrüllte.

      Sofort sausten Missi und Nil aus ihren Zimmern die vordere Treppe hinab, durch die kleine Eingangshalle und hinaus in den Vorgarten, wo Ganges stand und zur Dachrinne hinaufdeutete. Er hatte nicht übertrieben. Das Regenwasser ergoss sich in voller Breite über den Rand der Dachrinne und rauschte wie ein Wasserfall in die Tiefe. Genau auf die Blumenbeete. Die trotz der langen Trockenheit solche Wassermengen nicht wirklich gut vertrugen. Und es wurde immer schlimmer. Denn erstens nahm der Regen deutlich zu. Und zweitens schienen die bleischweren Wolken noch jede Menge davon loswerden zu wollen.

      Missi musste ihre Augen zu schmalen Schlitzen zusammenkneifen, um bei all den Tropfen überhaupt hinaufschauen zu können. Doch das hinderte sie nicht, die Dachrinne genau zu beobachten. Im Gegenteil! Sie lauschte und stellte fest, dass das Fallrohr noch immer nicht plapperte. Also lief auch kein Wasser hindurch. Und deshalb wiederum strömte besagtes Wasser auch über den Rand der Dachrinne.

      »Echt interessant«, murmelte Missi halblaut. Nil und Ganges blickten sie erwartungsvoll an. Denn genau das sagte Missi immer dann, wenn sie eine heiße Spur entdeckt hatte. Als sie den Blick ihrer Brüder bemerkte, erklärte Missi: »Offenbar fließt das Regenwasser nicht durch das Fallrohr. Also muss irgendetwas das Rohr verstopfen.«

      »Vielleicht ein paar alte Blätter?«, mutmaßte Ganges. Aber Nil entgegnete: »Kann nicht sein. Papa hat die Dachrinne erst neulich ausgefegt.«

      »Am besten sehen wir mal nach«, verkündete Missi. Nil riss die Augen auf und rief: »Bist du wahnsinnig? Wir können doch nicht auf dem Dach herumklettern!«

      »Das hatte ich auch nicht vor«, antwortete Missi. »Aber wir könnten aus der Dachluke schauen. Von da aus guckt man direkt in das Fallrohr.«

      »Kann sein«, sagte Ganges. »Aber die Luke ist viel zu klein. Wir drei passen da nicht hindurch.«

      »Wir nicht«, antwortete Missi. »Aber Piwi.«

      Missi war mit Piwi Pots bereits in den Kindergarten gegangen. Sie kannten sich also praktisch schon ewig. Aber er war nicht nur ihr langjährigster Freund, er war auch der winzigste. Und zwar mit Abstand. Der Lurch war sogar so klein, dass die Klassenrüpel Rob, Nob und Hub – die fiesen Frettchen – ihn immer wieder in das Lehrerpult, den eigenen Spind und einmal sogar in seinen Sportbeutel gestopft hatten. Das war nicht nur gemein, das war vor allem ziemlich nervig. Aber Piwis minimale Größe konnte auch Vorteile haben. Zum Beispiel, wenn sich jemand durch eine sehr kleine Dachluke quetschen musste, um zu überprüfen, was das Fallrohr verstopfte.

      Missi hatte Piwi mit ihrem Smartphone eine Nachricht geschrieben, und schon kurz darauf hielt er mit seinem Roller vor dem Haus der Moppels. Ganges sagte gerade: »Vielleicht sollten wir doch lieber Mama und Papa anrufen.«

      Doch Nil erklärte: »Papa ist gerade in Ägypten und buddelt im Wüstensand nach Altertümern. Der kann uns im Moment wohl kaum helfen.«

      »Und Mama hält ihren Vortrag«, fügte Missi hinzu. Wenn Herr und Frau Moppel mal nicht durch die Welt reisten, arbeiteten sie an der Universität von Animalia. Entweder im Büro oder im Labor. Und normalerweise konnten Missi, Ganges und Nil sie dort natürlich jederzeit erreichen. Doch ausgerechnet heute hielt Frau Moppel eben einen Vortrag. Er war ziemlich wichtig, und ihre Mutter war deswegen schon seit einer Woche echt aufgeregt gewesen. Tja, und aus diesem Grund war sie wenigstens im Moment eben nicht zu erreichen. Nil war allerdings nicht recht wohl bei dem Gedanken, den kleinen Piwi da hinaufzuschicken. Es durfte auf gar keinen Fall eines der Kinder auf dem Dach herumspazieren. Das gab auf jeden Fall Ärger. Und den würde Missis ältester Bruder vermutlich ausbaden müssen.

      »Piwi soll ja nur durch die Luke schauen«, erklärte Missi noch einmal. »Wir können ihn auch vorsichtshalber an seinen Füßen festhalten. Dabei kann nun wirklich nichts passieren.«

      Die Sache war also beschlossen. Blieb nur noch ein Problem. Diese spezielle Dachluke erreichte man nämlich nur vom Turmzimmer aus. Aber das war bekanntermaßen streng geheim. Darum wurde Piwi mit verbundenen Augen die Treppe hinaufgeführt. Und was für ein guter Freund er war, erkannte man daran, dass er Missi mit keiner Silbe fragte, was sie da oben vor ihm verbarg. Schließlich linste er jedenfalls durch die Luke und untersuchte das Fallrohr. Dabei waren seine Augen natürlich nicht verbunden. Und so konnte Piwi sehen, dass tatsächlich etwas im Fallrohr der Dachrinne steckte. Und zwar etwas ziemlich Großes.

      »Kannst du es herausziehen?«, fragte Missi, während sie Piwis Füße festhielt. Obwohl das echt übertrieben war. Er konnte beim besten Willen nicht hinausfallen.

      »Ich versuch’s«, ächzte Piwi. Denn er musste sich gehörig anstrengen,