Der neue Dr. Laurin 20 – Arztroman. Viola Maybach

Читать онлайн.
Название Der neue Dr. Laurin 20 – Arztroman
Автор произведения Viola Maybach
Жанр Языкознание
Серия Der neue Dr. Laurin
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740963064



Скачать книгу

ction> Der neue Dr. Laurin – 20 –

      »Weil Martin sich morgen in den Urlaub absetzt, während wir hier weiter schuften müssen, gibt er heute einen aus«, verkündete Jonas Schmieder mit lauter Stimme.

      Fröhliches Geschrei antwortete ihm, und Martin Wiedemeyer wurde von mehreren Kollegen so kräftig auf die Schulter geklopft, dass er in die Knie ging. Jonas schenkte ihm sein breitestes, unschuldigstes Grinsen, denn er wusste ganz genau, dass Martin nichts Dergleichen vorgehabt hatte. Er würde sich bei Gelegenheit dafür rächen, dass sein Kollege und bester Freund ihn so überfahren hatte, nahm Martin sich vor.

      Natürlich machte er gute Miene zum bösen Spiel, und so zog wenig später eine Gruppe von fünf Rettungssanitätern in die nahe gelegene Kneipe, zwei Frauen und drei Männer. Die Stimmung war gut, und Martin hatte sich bereits damit ausgesöhnt, dass Jonas ihn hereingelegt hatte. Ihr Dienst war meistens hart, sie sahen viel Leid und Elend, da musste man sich kleine Inseln schaffen, auf denen man sich wohlfühlte und vergessen konnte, was der Beruf an Belastungen mit sich brachte. Und wenn es ein Feierabendbier war – oder auch mehrere, denn darauf würde es heute natürlich hinauslaufen, das war ihm von Anfang an klar.

      Letzten Endes gab er nicht nur eine Runde aus, sondern sogar drei. Ihm war plötzlich danach. Er fühlte sich gut. Bianca Sommer, die neue Kollegin, flirtete ein bisschen mit ihm, und er würde sich vielleicht darauf einlassen. Sie war sehr hübsch, und er war frei und ungebunden. Eigentlich fand er diesen Zustand ganz schön, er hatte in den letzten Jahren fast immer Freundinnen gehabt, aber es war nie die Eine dabei gewesen, mit der er gern zusammengeblieben wäre, um sein Leben mit ihr zu teilen. Aber er war ja noch jung, erst sechsundzwanzig, er hatte es nicht eilig.

      Auch nicht mit Bianca. Das konnte warten bis nach seinem Urlaub. Erst einmal würde er in den Bergen wandern, sich nur draußen aufhalten, seinen Kopf durchlüften. Das hatte er nötig.

      Ihre Kollegin Amelie Düringer war auch hübsch, aber eher auf die unauffällige Art, und sie war eine ganz Stille. Fachlich war sie erstklassig, aber er wurde nicht klug aus ihr. Immerhin war sie mitgegangen, das gefiel ihm.

      Und dann war da noch Jasper Kobel, der immer für einen dummen Spruch gut war. Er redete zu laut, liebte schmutzige Witze und fiel schon mal aus der Rolle, wenn er ein Bier zu viel getrunken hatte, aber er hatte das Herz auf dem rechten Fleck und arbeitete, wenn es nötig war, bis zum Umfallen. Sie wussten, was sie an ihm hatten. Im größten Chaos war Jasper plötzlich der Fels in der Brandung, auf den sich die anderen hundertprozentig verlassen konnten.

      Als sie sich von Bianca, Amelie und Jasper verabschiedet hatten, machten sich Martin und Jonas auf den Heimweg.

      »Ich dachte eigentlich, du und Bianca …«, begann Jonas, doch Martin winkte gleich ab.

      »Vielleicht später«, sagte er. »Jetzt habe ich Urlaub, da fange ich doch vorher nichts mit einer Frau an.«

      »Wieso nicht?«

      »Weil ich dann ständig telefonieren und Nachrichten schicken muss, das kann ich jetzt nicht gebrauchen. Ich will überhaupt keine Verpflichtungen haben, wenn ich in den Bergen herumkraxele.«

      »Du warst ein bisschen sauer vorhin, oder? Weil ich gesagt habe, dass du einen ausgibst?«

      »Zuerst ein bisschen, dann fand ich es eigentlich nett. Aber rechne damit, dass ich mich bei Gelegenheit revanchiere.«

      Jonas grinste. »Das war mir von Anfang an klar.« Er verstummte, und Martin ahnte, dass er etwas auf dem Herzen hatte, aber noch nicht wusste, wie er es ausdrücken sollte.

      »Spuck’s aus«, sagte er, als ihm das Schweigen zu lange dauerte.

      Jonas warf ihm einen schrägen Blick zu, er fühlte sich ertappt. »Du kennst mich zu gut, das finde ich unheimlich«, sagte er.

      »Du kennst mich auch zu gut, wir sind also quitt. Nun sag schon, was dir zu schaffen macht.«

      »Die Bianca … also, sie gefällt mir, und ich dachte, ich könnte versuchen, sie näher kennenzulernen, aber wenn du … Also, ich meine, sie steht auf dich, nicht auf mich, jedenfalls im Moment, aber wenn …« Jonas brach ab. Es kam selten vor, dass er um Worte verlegen war. Martin staunte, er hatte seinen Freund noch nie so erlebt.

      »Dich hat es ja richtig erwischt«, stellte er fest. »Dass ich das noch erleben darf!«

      »Sieht so aus«, gab Jonas verlegen zu. »Blöd, nicht? Ich habe ja die Blicke gesehen, die sie dir vorhin zugeworfen hat …«

      »Die haben doch nicht viel zu bedeuten«, erwiderte Martin ruhig. »Du kennst das Spiel. Man testet zuerst mal, was geht. Gut, ich war nicht abgeneigt, aber ich bin nicht verliebt, überhaupt nicht. Sonst würde ich ja jetzt auch nicht sagen: Das kann warten. Wenn man verliebt ist, kann überhaupt nichts warten.«

      »Du hast also nichts dagegen, wenn ich es mal versuche? Ich meine, vielleicht gelingt es mir ja, sie zu überzeugen, dass ich die bessere Wahl bin …« Jonas grinste schon wieder, was Martin sehr erleichterte.

      »Meinen Segen hast du«, erklärte er betont feierlich. »Sie ist nett, und sie ist hübsch, und sie beherrscht ihren Job.«

      »Na ja«, bemerkte Jonas betont gleichmütig, »wahrscheinlich will sie nichts von mir wissen, aber ich teste mal, wie meine Chancen stehen.«

      »Ich bin gespannt, ob ich Bianca bei meiner Rückkehr morgens im Badezimmer begegne«, erwiderte Martin.

      Jonas und er teilten sich eine Zweizimmerwohnung im Münchener Südwesten. Sie hatten Glück, die Miete war erschwinglich, und sie hatten nette Nachbarn im Haus, die die beiden jungen Männer wegen ihrer medizinischen Sachkenntnis zu schätzen wussten. Schon zwei Mal hatten sie Erste Hilfe geleistet, was ihr Ansehen im Haus stark hatte ansteigen lassen.

      »Das wird nicht passieren«. versicherte Jonas. »Du kennst mich doch, ich bin in diesen Dingen nicht so schnell«,

      Martin schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. Sie hatten es beide leicht bei den Frauen, aber während Martin sich wieder trennte, sobald ihn etwas störte, hielt Jonas eher an Beziehungen fest, weil er die Hoffnung nicht zu schnell aufgeben wollte. Seit einigen Monaten waren sie nun beide Singles. Aber während Martin dieser Zustand recht gut gefiel, machte er Jonas unruhig: Er wollte heiraten und Kinder haben, am liebsten drei oder vier, und er fand, bei diesen Plänen musste er früh anfangen. Nur fehlte ihm leider die Frau, mit der er sie hätte umsetzen können.

      »Du machst das schon, Jo!«

      Sie nahmen den Aufzug ins Dachgeschoss, wo ihre kleine Wohnung sich befand. Das Haus war schon dunkel und still, nur im zweiten Stock war noch Licht.

      »Bleibt es dabei, dass du morgen nicht so früh aufbrichst?«, fragte Jonas.

      »Auf jeden Fall, ich will ausschlafen, sonst habe ich ja schon gleich wieder Stresse, den brauche ich nicht.«

      »Sehr gut«, seufzte Jonas. »Ich habe ja Spätdienst, also kann ich auch ausschlafen, und vielleicht frühstücken wir beide dann noch zusammen.«

      »So gegen Mittag, schätze ich. Gute Nacht, Alter, träum schön von Bianca.«

      Jonas zeigte seinem besten Freund eine unflätige Geste, sah aber ganz vergnügt dabei aus. Dann verschwand er in seinem Zimmer.

      Als Martin im Bett lag, war ihm etwas schwindelig. Natürlich, er hatte eindeutig zu viel getrunken, aber das machte nichts. Er würde erst wieder aufstehen, wenn er sich ausgeschlafen fühlte, und dann würde er die Arbeit und alles, was damit zusammenhing, erst einmal hinter sich lassen.

      Zufrieden rollte er sich auf die Seite und war im nächsten Moment eingeschlafen.

      *

      »Aber du hast gesagt, du kommst mit!« Jasmin Schaller war einigermaßen fassungslos und zeigte das auch deutlich.

      Ihr Freund Severin Korte überspielte sein schlechtes Gewissen, indem er laut wurde. »Ja, ich weiß, dass ich das gesagt habe, aber ich bin ja kein Hellseher, der damals schon wusste, dass ich leider für einen Kollegen einspringen muss und dich nicht begleiten kann.«

      »Und das weißt du erst seit heute? Das konntest du mir nicht schon etwas früher sagen?«