Die bedeutendsten Staatsmänner. Isabella Ackerl

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Название Die bedeutendsten Staatsmänner
Автор произведения Isabella Ackerl
Жанр Документальная литература
Серия marixwissen
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783843802093



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Angelegenheiten bestellt, nahm er seine Verständigungspolitik abermals auf. Nun versuchte er, in Europa ein System der kollektiven Sicherheit zu schaffen, in dem auch Deutschland seinen Teil leisten sollte. Es sollte sich freiwillig verpflichten, den Status quo, also den Vertrag von Versailles mit all seinen für Deutschland teils demütigenden Bedingungen, zu wahren.

      Der erste Schritt zu einem solchen System war der Vertrag von Locarno, der am 16. Oktober 1925 unterzeichnet wurde. Dieser Vertrag garantierte die französisch-deutschen und belgisch-deutschen Grenzen und sah einen gegenseitigen Beistandspakt vor. Im Dezember 1926 erhielt Briand gemeinsam mit seinem deutschen Amtskollegen Gustav Stresemann den Friedensnobelpreis.

      Schließlich schloss er am 27. August 1928 mit dem amerikanischen Staatssekretär Frank Billings Kellogg den viel zitierten Briand-Kellogg-Pakt, der den Krieg ächtete. Obwohl diesem Pakt 60 Staaten beitraten, hatte er nur moralischen Wert und keine ideologischen Konsequenzen.

      Inspiriert von der paneuropäischen Idee des Österreichers Richard Coudenhove-Kalergi, legte Briand ein Memorandum über die Schaffung einer europäischen Union vor. 1927 wurde er Präsident der von Coudenhove-Kalergi gegründeten Paneuropa-Bewegung. 1929 präsentierte er beim Völkerbund einen Zollunionspakt zwischen Frankreich, Deutschland und den Nachbarstaaten, eine sehr weit gehende Vereinbarung, die auch die Sowjetunion einschließen sollte. Sein präzise ausgearbeiteter Vorschlag für eine europäische Konferenz, den er 1930 unterbreitete und der einen gemeinsamen Markt vorschlug, hatte wieder großen Erfolg.

      Doch Europa und die Mächte waren noch nicht reif für eine gemeinsame Politik, Briands und damit Coudenhove-Kalergis Ideen scheiterten am Egoismus der Nationalstaaten, an der eklatanten Schwäche des Völkerbundes und an der Unmöglichkeit einer allgemeinen Abrüstung. Das nationale Interesse der einzelnen Staaten war noch immer stärker als die gemeinsamen Ziele, was auch beim Scheitern einer deutsch-österreichischen Zollunion von 1931 offenkundig wurde. Damit war Europa um eine Friedenshoffnung ärmer. Erst die Römischen Verträge von 1957 nahmen Briands Ideen wieder auf.

      Nachdem Briand bei den Präsidentschaftswahlen von 1931 gegen Paul Doumer unterlegen war, zog er sich ins Privatleben zurück.

      Der »pèlerin de la paix«, der »Wanderprediger des Friedens«, wie Aristide Briand genannt wurde, war zu dieser Zeit durch seine auf Ausgleich gerichtete Politik zwar visionär, aber nicht modern, denn sie entsprach nicht dem Zeitgeist des politischen Diskurses. Vertrauen statt Misstrauen gehörte noch nicht zum Vokabular der europäischen Politik. Wie sein deutscher Amtskollege Stresemann war auch Briand Freimaurer, in Paris gehörte er der Loge »Le Chevalier du Travail« an.

       Werke

      Frankreich und Deutschland

      LÁZARAO CÁRDENAS DEL RÍO

      Cárdenas, ein Indio aus einem mexikanischen Bauerndorf, wurde von Salesianerpadres erzogen und erhielt nach seiner rudimentären Ausbildung Arbeit in einem lokalen Finanzamt.

      1913, nach der Ermordung von Präsident Francisco Madero, der 1911 den Sturz des langjährigen Diktators Porfirio Diaz herbeigeführt hatte, und der nachfolgenden Militärdiktatur, kam es zum Ausbruch eines Bürgerkrieges. Cárdenas schloss sich jenem Teil der revolutionären Armee an, der von Guillermo García Aragón kommandiert wurde. Innerhalb eines Jahres avancierte er zum Hauptmann. In den Kämpfen der folgenden Jahre erwies er sich als höchst loyal und erreichte schließlich 1920 den Rang eines Generals.

      1928 wurde er zum Gouverneur seines Geburtsstaates Michoacán gewählt und konnte sich als fähiger Verwalter seiner Heimatprovinz profilieren. Gleichzeitig engagierte er sich beim landesweiten Aufbau der PNR (Partido Nacional Revolucionario), deren Führerschaft er 1930 übernahm. Er einte die in einzelne Provinzparteien zersplitterte Gruppe zu einer nationalen Partei, die ein stabiles Element in Mexiko werden sollte. Unter dem Diktator Plutarco Calles übernahm er zunächst das Amt des Innenministers, dann das Verteidigungs- und Marineministerium. Er trennte sich jedoch bald von Calles und kandidierte selbst für die bevorstehenden Präsidentenwahlen. Ein Jahr lang führte Cárdenas einen großartigen Wahlkampf, bereiste das ganze Land, besuchte jede Stadt und sprach mit hunderten Bürgern. Er stellte allen seine Pläne vor, mit Hauptaugenmerk auf seine Sozial- und Wirtschaftsreformen. Der Erfolg blieb nicht aus: Cárdenas wurde mit einem eindrucksvollen Votum gewählt. Langsam begann er seine Pläne umzusetzen, nachdem er sichergestellt hatte, dass der Einfluss seines Vorgängers ausgeschaltet war. Calles wurde schließlich 1936 in die USA ins Exil geschickt.

      Obwohl Cárdenas eine beeindruckende Karriere gemacht hatte, vergaß er nie seine Herkunft und verwirklichte deshalb auch Ideen des Staatssozialismus. Bisher hatten sich die politischen Machthaber auf Kirche, Armee, Großgrundbesitz und Auslandskapital gestützt. Er änderte dies grundlegend. Obwohl sein Landwirtschaftsprogramm unter der schlechten Verwaltung litt, gelang es ihm, das Latifundiensystem zu brechen. Als Präsident unterstützte er die Gewerkschaften, die schon unter seinem Vorgänger Abelardo Rodríguez stark geworden waren, und sorgte für ihren Zusammenschluss unter der Bezeichnung Confederación de Trabajadores de Mexico. Als Verteidiger eines aggressiven mexikanischen Nationalismus konnte er auf eine breite Zustimmung in der Bevölkerung zählen. Er öffnete außerdem die Mexikanische Revolutionspartei für die breite Masse; bisher gehörten nur Beamte und Politiker der Partei an. Überaus entscheidend für die politische Stabilität des Landes war, dass er den vorherrschenden Einfluss der Militärs egalisieren konnte.

      Obwohl die mexikanische Verfassung des Jahres 1917 die Möglichkeit geboten hätte, gegen Großgrundbesitzer einzuschreiten, erhielten die landlosen Bauern erst unter seiner Präsidentschaft im Jahr 1937 in großem Umfang Boden und konnten auch auf günstige Kredite hoffen. Die in ausländischem Besitz befindliche Eisenbahngesellschaft wurde verstaatlicht. Ein Jahr später wurden die britischen und amerikanischen Ölgesellschaften verstaatlicht, was dem Land ein großes Stück wirtschaftlicher Unabhängigkeit schenkte.

      Als Cárdenas 1940 sein Amt niederlegte, war er ein hoch geachteter Mann, der auch weiterhin Einfluss auf die Regierungsgeschäfte nahm. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, an dem Mexiko an der Seite der Alliierten teilnahm, übernahm Cárdenas noch einmal für zwei Jahre das Amt des Verteidigungsministers.

      Allen seinen Nachfolgern bot er ein Beispiel an linker politischer Verantwortung und Integrität. Immer blieb er ein strikter Gegner amerikanischer politischer Einflussnahme auf die Wirtschaft Mexikos.

      Als in Kuba Fidel Castro sein Regime etablierte, erwies er sich als ein verlässlicher Partner. In seinen letzten Lebensjahren verlor er an politischem Einfluss, blieb aber immer ein »elder statesman« für das linke kritische Lager des Landes.

      ROBERT STEWART VISCOUNT CASTLEREAGH

      Viscount Castlereagh führte gemeinsam mit Metternich die große Allianz gegen Napoleon Bonaparte. Wie kaum ein anderer englischer Politiker nahm er Einfluss auf die Gestaltung Europas beim Wiener Kongress der Jahre 1814/1815. Auf seine Initiative geht das Konzept eines ausgewogenen Gleichgewichts der europäischen Großmächte zurück, ein Konzept, das auch wesentlich die gesamte Überseepolitik bestimmte.

      Robert Stewart Castlereagh war der Sohn eines anglo-irischen Grundbesitzers, er wurde in Armagh und am St. John’s College erzogen. 1790 zog er als unabhängiges Mitglied in das irische Parlament ein. Vier Jahre später heiratete er Emily Anne Hobart, mit der er eine sehr gute, aber kinderlose Ehe führte. 1798 wurde er mit der Aufgabe eines Chefsekretärs von John Jeffreys Pratt Earl of Camden, einem Verwandten, betraut, der Vizekönig von Irland war. In der gleichen Funktion war Castlereagh anschließend bei Lord Charles Cornwallis, dem Nachfolger Earl Camdens, tätig. Castlereagh trug die strengen Maßnahmen, die angesichts der Niederschlagung des irischen Aufstandes von 1798 verhängt wurden, mit, trat aber in der Folge für eine Politik der Milde ein, um weitere Unruhen auf Dauer zu verhindern.

      Angesichts