Название | Anne & Rilla - Der Weg ins Glück |
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Автор произведения | Lucy Maud Montgomery |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | Anne Shirley Romane |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783732009039 |
„Hier steht, daß Fred Carson aus Lowbridge die Kriegsverdienstmedaille bekommen hat“, sagte Gilbert, über die Zeitung gebeugt.
„Davon habe ich schon gehört“, sagte Susan. „Er ist ein Bataillonsbote und hat irgend etwas besonders Wagemutiges getan. Sein Brief, in dem er seinen Leuten darüber schreibt, kam gerade an, als seine alte Großmutter Carson auf dem Sterbebett lag. Sie hatte bloß noch ein paar Minuten zu leben, und der Priester, der bei ihr war, fragte sie, ob es ihr recht wäre, wenn er jetzt betet. ‚Ja, ja, beten Sie nur‘, sagte sie da ziemlich ungeduldig – sie war eine Dean, lieber Doktor, und die Deans waren immer schon temperamentvoll – ‚beten Sie nur, aber beten Sie um Himmels willen leise und stören Sie mich nicht. Ich will mir diese wunderbare Nachricht noch mal durch den Kopf gehen lassen, und dazu habe ich nicht mehr viel Zeit.‘ Das war typisch Almira Carson. Fred war ihr Herzblatt. Sie war fünfundsiebzig Jahre alt und hatte nicht ein einziges graues Haar auf dem Kopf, heißt es.“
„Apropos, heute morgen habe ich ein graues Haar entdeckt, mein allererstes“, sagte Anne.
„Das ist mir schon eine ganze Weile aufgefallen, liebe Frau Doktor, aber ich habe lieber nichts gesagt. Ich habe mir nur gedacht: ‚Sie hat aber auch genug auszuhalten.‘ Aber jetzt, wo Sie es entdeckt haben, darf ich Sie vielleicht daran erinnern, daß graue Haare etwas Ehrenwertes sind.“
„Ich werde wohl langsam alt, Gilbert“, sagte Anne und lachte ein wenig wehmütig. „Die Leute sagen jetzt öfter zu mir, wie jung ich doch noch aussehe. Das sagen sie nie, wenn man wirklich noch jung ist. Aber ich werde mir wegen meines Silberfadens keine Sorgen machen. Ich habe rotes Haar noch nie leiden können. Gilbert, habe ich dir je davon erzählt, wie ich mir damals auf Green Gables die Haare gefärbt habe? Niemand wußte etwas davon außer Marilla.“
„War das der Grund, warum du sie dir plötzlich ganz kurz geschnitten hast?“
„Ja. Ich hatte einem deutschen Hausierer eine Flasche Farbe abgekauft. Ich bildete mir ein, mein Haar würde davon schwarz werden, aber es wurde grün. Also mußte ich es wohl abschneiden.“
„Da können Sie aber von Glück reden, liebe Frau Doktor!“ rief Susan. „Natürlich waren Sie damals zu jung, um zu wissen, was ein Deutscher ist. Das war die besondere Gnade Gottes, daß es nur grüne Farbe war und nicht Gift.“
„Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit seit der Zeit auf Green Gables“, seufzte Anne. „Das war eine ganz andere Welt. Der Krieg ist wie ein Abgrund und hat das Leben in zwei Hälften geteilt. Was vor uns liegt, weiß ich nicht, aber es kann unmöglich so sein wie die Vergangenheit. Ich frage mich, ob diejenigen von uns, die ihr halbes Leben in der alten Welt verbracht haben, sich jemals in der neuen Welt zu Hause fühlen werden.“
„Ist Ihnen auch aufgefallen“, sagte Miss Oliver, während sie von ihrem Buch aufsah, „daß alles, was vor dem Krieg geschrieben wurde, plötzlich so weit weg zu sein scheint? Man hat das Gefühl, als lese man etwas aus der Antike, wie die Ilias von Homer. Dieses Gedicht von Wordsworth – die höheren Klassen schreiben gerade eine Arbeit darüber —, ich habe es flüchtig gelesen. Diese friedliche Stille, die es ausdrückt, und diese schöne Sprache scheinen einem anderen Planeten anzugehören und haben sowenig mit dem gegenwärtigen Chaos auf dieser Welt zu tun wie der Abendstern.“
„Die Bibel ist zur Zeit das einzige, was mich trösten kann“, sagte Susan, während sie ihre Plätzchen in den Ofen schob.
„Da steht so vieles drin, was genau auf die Hunnen paßt. Sandy, der alte Schotte, behauptet, der Antichrist, von dem in der geheimen Offenbarung die Rede ist, wäre zweifellos der Kaiser, aber so weit gehe ich nicht. Wenn ich meine bescheidene Meinung dazu äußern darf, liebe Frau Doktor, dann muß ich sagen, das wäre doch eine zu große Ehre für ihn.“
Ein paar Tage später tauchte Miranda Pryor frühmorgens auf Ingleside auf, angeblich um Nähzeug fürs Rote Kreuz zu holen, in Wahrheit aber, um mit der verständnisvollen Rilla Probleme zu besprechen, die allein nicht zu ertragen waren. Sie brachte ihren Hund mit, ein überfüttertes, O-beiniges Tier, an dem sie sehr hing, weil Joe Milgrave es ihr geschenkt hatte, als es noch ganz klein war. Mr. Pryor konnte Hunde nicht leiden, aber zu der Zeit war er Joe als angehendem Schwiegersohn wohlgesonnen, und so erlaubte er ihr, das Hündchen zu behalten. Miranda war ihm dafür so dankbar, daß sie ihrem Vater einen Gefallen tun wollte, indem sie dem Hund den Namen seines politischen Idols, des großen Anführers der Liberalen, Sir Wilfrid Laurier, gab – auch wenn sie ihn bald nur noch Wilfy nannte. Sir Wilfrid wuchs und gedieh und wurde fett und fetter. Miranda verwöhnte ihn nach Strich und Faden, und außer ihr konnte ihn niemand leiden. Rilla haßte ihn regelrecht. Sie konnte es einfach nicht ausstehen, wenn er sich auf den Rücken legte und bettelnd mit den Pfoten wackelte, damit man ihm den wohlgenährten Bauch kitzelte.
Mirandas Augen ließen deutliche Anzeichen einer verweinten Nacht erkennen, also bat Rilla sie hinauf in ihr Zimmer. Sie wußte, daß Miranda nun mit einer Leidensgeschichte kam, und befahl Sir Wilfrid, solange unten zu bleiben.
„Ach bitte, kann ich ihn nicht mitnehmen?“ bettelte Miranda. „Der arme Wilfy wird uns überhaupt nicht stören, und ich habe ihm draußen vor der Tür die Pfoten ganz saubergeputzt. Er fühlt sich woanders immer so einsam, wenn ich nicht bei ihm bin, und bald wird er das einzige sein, was mich – was mich noch an – an Joe erinnert.“
Rilla willigte ein, und Sir Wilfrid trottete mit seinem vorwitzigen Ringelschwanz triumphierend vor ihnen die Treppe hinauf.
„Ach, Rilla“, schluchzte Miranda, als sie die Zufluchtsstätte erreicht hatten. „Ich bin ja so unglücklich! Ich kann dir gar nicht sagen, wie unglücklich ich bin! Es bricht mir das Herz, ganz ehrlich!“
Rilla setzte sich neben sie aufs Sofa. Sir Wilfrid hockte sich vor ihnen nieder, streckte seine freche rosa Zunge heraus und lauschte.
„Was ist los, Miranda?“
„Joe kommt heute abend das letztemal nach Hause. Am Samstag habe ich seinen Brief bekommen. Er schreibt mir an Bob Crawfords Adresse, mußt du wissen, wegen Vater. Rilla, stell dir vor, er bekommt nur vier Tage Urlaub, und Freitagmorgen muß er gehen – und ich sehe ihn womöglich nie mehr wieder.“
„Will er denn immer noch, daß du ihn heiratest?“ fragte Rilla.
„Ja, natürlich. Er hat mich in seinem Brief angefleht, fortzulaufen und ihn zu heiraten. Aber das kann ich nicht, Rilla, nicht mal ihm zuliebe. Mein einziger Trost ist, daß ich ihn morgen nachmittag eine Weile sehen kann. Vater muß geschäftlich nach Charlottetown. Dann werden wir uns wenigstens in Ruhe voneinander verabschieden können. Aber danach – ach, Rilla, ich weiß, daß Vater mich noch nicht mal am Freitagmorgen zum Bahnhof gehen läßt, um Joe Lebewohl zu sagen.“
„Warum in aller Welt geht ihr nicht hin und heiratet einfach morgen nachmittag bei dir zu Hause?“ wollte Rilla wissen.
Miranda glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen, und verschluckte sich fast an ihrem Schluchzer.
„Wie – also – also, das geht doch nicht, Rilla!“
„Wieso nicht?“ fragte Rilla kurz und bündig. Ja, wieso nicht, wo sie doch in der Lage war, ein Jugend-Rotkreuz zu organisieren und Babys in Suppenschüsseln zu transportieren!
„Weil – weil – die Idee ist uns nie gekommen. Joe hat keine Genehmigung, und ich, ich habe kein Kleid – ich kann doch nicht in Schwarz heiraten – ich – ich – wir – du – du —“
Miranda verlor völlig die Fassung. Sir Wilfrid witterte ihre arge Bedrängnis, warf den Kopf in den Nacken und ließ ein klagendes Jaulen vernehmen.
Rilla dachte ein paar Minuten scharf nach. Dann sagte sie: „Miranda, laß mich nur machen, dann bist du noch vor vier Uhr morgen nachmittag mit Joe verheiratet.“
„Das schaffst du nicht.“
„Doch, das schaffe ich. Aber du mußt genau tun, was ich dir