Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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die­ses gan­zen Trei­bens, der so­ge­nann­ten »Ci­vi­li­sa­ti­on«, im­mer leich­ter wird, daß der Ein­zel­ne an­ge­sichts die­ser un­ge­heu­ren Ma­schi­ne­rie ver­zag­t und sich un­ter­wirft.

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      34.

      Der mo­der­ne Pes­si­mis­mus ist ein Aus­druck von der Nutz­lo­sig­keit der mo­der­nen Welt, – nicht der Welt und des Da­seins.

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      35.

      Das »Über­ge­wicht von Leid über Lust« oder das Um­ge­kehr­te (der He­do­nis­mus): die­se bei­den Leh­ren sind selbst schon Weg­wei­ser zum Ni­hi­lis­mus …

      Denn hier wird in bei­den Fäl­len kein an­de­rer letz­ter Sinn ge­setzt, als die Lust- oder Un­lust-Er­schei­nung.

      Aber so re­det eine Art Mensch, die es nicht mehr wagt, einen Wil­len, eine Ab­sicht, einen Sinn zu set­zen: – für jede ge­sün­de­re Art Mensch mißt sich der Werth des Le­bens schlech­ter­dings nicht am Maa­ße die­ser Ne­ben­sa­chen. Und ein Ü­ber­ge­wicht von Leid wäre mög­lich und trotz­dem ein mäch­ti­ger Wil­le, ein Ja-sa­gen zum Le­ben, ein Nö­thig-Ha­ben die­ses Über­ge­wichts. »Das Le­ben lohnt sich nicht«; »Re­si­gna­ti­on«; »warum sind die Thrä­nen?« – eine schwäch­li­che und sen­ti­men­ta­le Denk­wei­se. »Un mons­tre gai vaut mieux qu’un sen­ti­men­tal en­nuy­eux

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      36.

      Der phi­lo­so­phi­sche Ni­hi­list ist der Über­zeu­gung, daß al­les Ge­sche­hen sinn­los und um­sons­tig ist; und es soll­te kein sinn­lo­ses und um­sons­ti­ges Sein ge­ben. Aber wo­her die­ses: Es soll­te nicht? Wer wo­her nimmt man die­sen »Sinn«, die­ses Maaß? – Der Ni­hi­list meint im Grun­de, der Hin­blick auf ein sol­ches ödes, nutz­lo­ses Sein wir­ke auf einen Phi­lo­so­phen un­be­frie­di­gen­d, öde, ver­zwei­felt. Eine sol­che Ein­sicht wi­der­spricht un­se­rer fei­ne­ren Sen­si­bi­li­tät als Phi­lo­so­phen. ES läuft auf die ab­sur­de Wer­thung hin­aus: der Cha­rak­ter des Da­seins müß­te dem Phi­lo­so­phen Ver­gnü­gen ma­chen, wenn an­ders es zu Recht be­ste­hen soll …

      Nun ist leicht zu be­grei­fen, daß Ver­gnü­gen und Un­lust in­ner­halb des Ge­sche­hens nur den Sinn von Mit­teln ha­ben kön­nen: es blie­be üb­rig zu fra­gen, ob wir den »Sinn«, »Zweck« über­haupt se­hen könn­ten, ob nicht die Fra­ge der Sinn­lo­sig­keit oder ih­res Ge­gent­heils für uns un­lös­bar ist. –

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      37.

      Ent­wick­lung des Pes­si­mis­mus zum Ni­hi­lis­mus. – Ent­na­tür­li­chung der Wert­he. Scho­las­tik der Wert­he. Die Wert­he, los­ge­löst, idea­lis­tisch, statt das Thun zu be­herr­schen und zu füh­ren, wen­den sich ver­urt­hei­lend ge­gen das Thun.

      Ge­gen­sät­ze ein­ge­legt an Stel­le der na­tür­li­chen Gra­de und Rän­ge. Haß auf die Rang­ord­nung. Die Ge­gen­sät­ze sind ei­nem pö­bel­haf­ten Zeit­al­ter ge­mäß, weil leich­ter faß­lich.

      Die ver­wor­fe­ne Welt, an­ge­sichts ei­ner künst­lich er­bau­ten »wah­ren, wert­h­vol­len«. – End­lich: man ent­deckt, aus wel­chem Ma­te­ri­al man die »wah­re Welt« ge­baut hat: und nun hat man nur die ver­wor­fe­ne üb­rig und rech­net jene höchs­te Ent­täu­schung mit ein auf das Con­to ih­rer Ver­werf­lich­keit.

      Da­mit ist der Ni­hi­lis­mus da: man hat die rich­ten­den Wert­he üb­rig be­hal­ten – und nichts wei­ter!

      Hier ent­steht das Pro­blem der Stär­ke und der Schwä­che:

      1. die Schwa­chen zer­bre­chen dar­an;

       2. die Stär­ke­ren zer­stö­ren, was nicht zer­bricht;

       3. die Stärks­ten über­win­den die rich­ten­den Wert­he.

      Das zu­sam­men macht das tra­gi­sche Zeit­al­ter aus.

      3. Die nihilistische Bewegung als Ausdruck der décadance

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      38

      Man hat neu­er­dings mit ei­nem zu­fäl­li­gen und in je­dem Be­tracht un­zu­tref­fen­den Wort viel Miß­brauch ge­trie­ben: man re­det über­all von »Pes­si­mis­mus«, man kämpft um die Fra­ge, auf die es Ant­wor­ten ge­ben müs­se, wer Recht habe, der Pes­si­mis­mus oder der Op­ti­mis­mus.

      Man hat nicht be­grif­fen, was doch mit Hän­den zu grei­fen: daß Pes­si­mis­mus kein Pro­blem, son­dern ein Sym­ptom ist, – daß der Name er­setzt wer­den müs­se durch »Ni­hi­lis­mus«, – daß die Fra­ge, ob Nicht­sein bes­ser ist als Sein, selbst schon eine Krank­heit, ein Nie­der­gangs-Un­zei­chen, eine Idio­syn­kra­sie ist.

      Die ni­hi­lis­ti­sche Be­we­gung ist nur der Aus­druck ei­ner phy­sio­lo­gi­schen dé­ca­dence.

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      39

      Zu be­grei­fen: – Daß alle Art Ver­fall und Er­kran­kung fort­wäh­rend an den Ge­sammt-Wer­thurt­hei­len mit­ge­ar­bei­tet hat: daß in den herr­schend ge­w­ord­nen Wer­thurt­hei­len die dé­ca­dence so­gar zum Über­ge­wicht ge­kom­men ist: daß wir nicht nur ge­gen die Fol­ge­zu­stän­de al­les ge­gen­wär­ti­gen Elends von Ent­ar­tung zu kämp­fen ha­ben, son­dern al­le bis­he­ri­ge dé­ca­dence rück­stän­dig, das heißt le­ben­dig ge­blie­ben ist. Eine sol­che Ge­sammt-Abir­rung der Mensch­heit von ih­ren Grund­in­stink­ten, eine sol­che Ge­sammt-dé­ca­dence des Wer­thurt­heils ist das Fra­ge­zei­chen par ex­cel­lence, das ei­gent­li­che Räth­sel, das das Thier »Mensch« dem Phi­lo­so­phen auf­giebt.

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      40

      Be­griff »dé­ca­dence«. – Der Ab­fall, ver­fall, Aus­schuß ist Nichts, was an sich zu ver­urt­hei­len wäre: er ist eine not­wen­di­ge Kon­se­quenz des Le­bens, des Wachst­hums an Le­ben. Die Er­schei­nung der dé­ca­dence ist so nothwen­dig, wie ir­gend ein Auf­gang und Vor­wärts des Le­bens: man hat es nicht in der Hand, sie ab­zu­schaf­fe­nen. Die Ver­nunft will um­ge­kehrt, daß ihr ihr Recht wird.

      Es ist eine Schmach für alle so­cia­lis­ti­schen Sys­te­ma­ti­ker, daß sie mei­nen, es könn­te Um­stän­de ge­ben, ge­sell­schaft­li­che Com­bi­na­tio­nen, un­ter de­nen das Las­ter, die Krank­heit, das Ver­bre­chen, die Pro­sti­tu­ti­on, die No­th nicht mehr wüch­se… Aber das heißt das Le­ben ver­urt­hei­len … Es steht ei­ner Ge­sell­schaft nicht frei, jung zu blei­ben. Und noch in ih­rer bes­ten Kraft muß sie Un­rath und Ab­fallss­tof­fe bil­den. Je ener­gi­scher und küh­ner sie vor­geht, umso rei­cher wird sie an Miß­glück­ten, an Miß­ge­bil­den sein, umso nä­her dem Nie­der­gang sein… Al­ter schafft man nicht durch In­sti­tu­tio­nen ab. Die Krank­heit auch nicht. Das Las­ter auch nicht.

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      41

      Gr­und­ein­sicht über das We­sen der dé­ca­dence: was man bis­her als de­ren Ur­sa­chen an­ge­se­hen hat, sind de­ren Fol­gen.

      Da­mit