Aus zwei Welttheilen. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Название Aus zwei Welttheilen. Zweiter Band.
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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      Aus zwei Welttheilen. Zweiter Band. Gesammelte Erzählungen

       Die Tochter der Riccarees.

      Lebensbild aus Louisiana

      Eine glühende Septembersonne schoß ihre fast senkrechten Strahlen auf die weiten Baumwollen- und Zuckerfelder und ausgedehnten Sümpfe und Prairien Louisianas herab. Die ganze Natur ruhte, oder schien vielmehr matt und kraftlos, verschmachtet und erschöpft zu liegen, und mit fieberheißen Poren den Nachtthau herbeizusehnen, der die lechzenden Lippen der Erde tränken und den Bäumen ihre Farbe, den Blumen ihren Duft wiedergeben sollte. Eine glühende Septembersonne trieb den weichlichen Pflanzer in das Innere seiner kühlen Wohnung zurück, und hinter verschlossenen Jalousien, den claretgefüllten Krystallbecher neben sich, lag er träumend in seinem geflochtenen Schaukelstuhl und vertrieb sich die Zeit dadurch, das in dem Wein rubinartig funkelnde Eis mit dem langen, silbernen Löffel auf- und niederzustoßen und zu zerschmelzen.

      Draußen aber im Feld, der sengenden Glutenhitze ausgesetzt, die auf ihre nackten Schultern niederbrannte, standen in langer Reihe die Negersklaven, Männer, Frauen und Kinder mit großen leichten Spahnkörben und sammelten in diese die Baumwollenflocken aus den holzigen Kapseln, und im Schatten eines nicht fernen Pecanbaums, die große lederne Peitsche in der Hand, lehnte der Overseer1 und überschaute gähnend die keuchende Schar, dann und wann nur einen flüchtigen Blick hinüberwerfend, nach der nicht fernen Piazza des Wohngebäudes, wo allerdings ein freundlicheres, lieblicheres Bild sein Auge fesseln konnte.

      Zehn Stufen führten zu der von hohen Chinabäumen und zwei duftigen Magnolien umschatteten Galerie des Herrenhauses empor, und rankende weiße Rosen schlängelten sich hier an den buntgeschnitzten Säulen hinauf, bis sie oben die wilden Reben erreichten, die, unter dem niederen Schutz- und Sonnendache hingezogen, ihre blauen vollen Trauben mitten zwischen den zarten Rosenknospen hineinsenkten, als ob sie den Duft aus diesen ziehen und ihnen dafür den kühlen Saft ihrer Beeren gewähren wollten. Seltene tropische und nordische Gewächse waren dabei rings im Inneren des laubigen Raumes aufgestellt und vermischten ihre Wohlgerüche mit denen der sie umwuchernden Schlingpflanzen.

      Doch nicht nur Blum' und Blüte schmückten den Eingang des reichen Beaufort Haus, der als einer der wohlhabendsten Pflanzer am ganzen Fausse Rivière bekannt und geachtet war, nicht allein Blum' und Blüte schwankte und wehte in dem kaum bemerkbaren Westwind, der von der breiten Wasserfläche des »falschen Flusses« herüberzog, sondern noch, aufgehangen zwischen den knospen- und fruchtumdrängten Pfeilern schaukelte, durch die Hand eines kleinen Negerkindes in Bewegung gehalten, eine bunte, wunderlich geflochtene Hängmatte, und darin, das von rabenschwarzen Locken umwogte Köpfchen auf den vollen weißen Arm gelehnt, während das zierliche Füßchen eben unter dem weiten faltigen Kleide sichtbar wurde, lag des Pflanzers holdes Kind, die reizendste Creolin Louisianas, und schaute halb sinnend, halb träumend zu der Blütenpracht hinauf, die von buntfarbigen Schmetterlingen und diamantfunkelnden Kolibris umflattert und beraubt wurde.

      Um sie lagen zerstreut theils frisch abgebrochene Blumen, theils große sammetne Magnolienblätter, auf deren schneeige Fläche sie mit der Nadel Figuren und Namen gezeichnet, und selbst einzelne französische Hefte und Journale deckten die Hängmatte und das danebenstehende kleine Tischchen; ein Zeichen, wie Mademoiselle Alles, selbst das Letzte versucht hatte, die Langeweile zu tödten.

      Und sandte der sonngebräunte, finstere Aufseher der Schwarzen nach dieser holden Blume seine leidenschaftglühenden Blicke herüber? Wagte er es zu der schönsten und reichsten Erbin des Landes das Auge zu erheben? Nein – wohl wußte er, wie diese ihn haßte und verabscheute, wohl kannte er die Kluft, die zwischen ihm und der Jungfrau in jeder Hinsicht gähnte; nein; er wollte nicht girren und schmachten, er wollte genießen, und ein anderes Wesen als Gabriele Beaufort, hatte sich sein lüsterner Blick ersehen.

      Neben der Gebieterin, den breitfaltigen Pfauenwedel in der Hand, mit dem sie dem schönen Mädchen nicht allein Kühlung zufächelte, sondern auch die umherschwärmenden Insekten verscheuchte, lehnte auf weichem Sitz ein fast ebenso liebliches, wenn auch von dem ersten gar sehr verschiedenes Kind. Es war eine Indianerin, die dunkle Bronzefarbe der Haut, das lebhaft funkelnde Auge, die schneeweißen Zähne und das ganze Wesen, die ganze Haltung des Mädchens kündete die Tochter der Wälder, nur das rabenschwarze, sonst lange und straffe Haar schien sich, leicht gekräuselt, jener bläulichen Färbung nähern zu wollen, die den schönen Quadroonenmädchen, den Mischlingen der Weißen und Mulatten, einen so eigenthümlichen Reiz verleiht.

      Ihre schlanke Gestalt war in ein weites, luftiges Gewand, nach Art ihres Stammes angefertigt, gekleidet, ein buntgestickter Perlengürtel hielt es über der Hüfte zusammen und bildete mit zwei gleichen Korallenschnuren, eine um den sammetweichen Nacken, die andere um die Schläfe geschlungen, den einzigen Schmuck des holden Mädchens. Nur die aus zartgegerbten Fellen bereiteten Moccasins, in denen die kleinen zierlichen Füße staken, trugen noch die Zeichen der kunstfertigen Hand Nedaunis-Ais' (die kleine Tochter) oder Saisens, wie sie der Kürze wegen von Gabrielen genannt ward.

      So wunderlieblich und reizend aber auch das Bild der beiden, von einer Blumenwelt umgebenen Jungfrauen war, so trübe, wehmüthige Gefühle schienen Saisens Busen zu heben und einmal – ach, sie wandte das Köpfchen ab, daß es die Gebieterin nicht bemerken sollte – streifte sie sogar mit dem zarten Finger einen perlenden Tropfen von den langen, seidenen Wimpern und ein leiser, leiser Seufzer entrang sich der Brust des armen Kindes.

      Was war es aber, das ihr hier, von Pracht und Ueberfluß umgeben, das Herz beengte? Dachte sie an das Schicksal ihres Stammes? ihres ganzen Volkes, das, von dem Grund und Boden vertrieben der einst sein Eigenthum, durch den Stahl und das Feuerwasser der Weißen fast vernichtet, jetzt im weiten Westen, fern von den Gräbern der Lieben weilen mußte, während eine seiner Töchter dem Abkömmling jener stolzen, trotzigen Race diente, wo sie selbst doch eigentlich die Herrin dieses Landes nach Geburt und Recht war? Ach, sie hätte Ursache gehabt, darüber zu trauern, und die zwei holden Wesen lieferten ein treues, aber darum nur ein so wehmüthigeres Bild der beiden Nationen, der Sieger und Besiegten. Doch es war nicht das, auch nicht das Gefühl der Dienstbarkeit, denn Gabrielen behandelte sie nicht wie eine Dienerin, sondern wie eine Freundin, nein es war wohl die Trennung von den theuern Aeltern, denen sie durch teuflische List geraubt worden. Der Gedanke an die daheim um sie Trauernden füllte auf's Neue ihre Wimpern und diesmal tropfte die Thräne voll und schwer in ihren Schoos hernieder.

      Gabriele bemerkte es.

      »Saise, meine herzliebe Saise, was fehlt Dir? Warum bist Du immer so traurig und willst mich nicht zur Mitwisserin Deines Kummers machen?« frug theilnehmend die junge Creolin; »bin ich nicht Deine Freundin, und habe ich nicht auch Dir alle meine kleinen Sorgen und Pläne entdeckt und um Deinen Rath und Deine Hülfe gebeten?«

      Saise drückte der Herrin Hand und schaute ihr wenige Secunden lang wehmüthig lächelnd in die klaren treuherzigen Augen, dann aber fiel ihr Blick auf das kleine, die Hängematte wiegende Negermädchen und Gabriele, den Wink verstehend, sagte:

      »Geh hinunter, Piccaninny2, und zähle die Küchelchen, die im Hof herumlaufen; komm aber nicht wieder, bis Du mir genau sagen kannst, wie viel es sind«.

      Das kleine runde Dingelchen zog den breiten Mund zu einem freundlichen Grinsen auseinander und sprang schnell durch den schmalen Eingang die Treppe hinab, den Befehl ihrer »Missus« auszuführen. Lächelnd sah ihr Gabriele einen Augenblick nach, dann aber, sich theilnehmend zur Gespielin wendend, sagte sie herzlich:

      »Siehst Du – das Kind ist fort, nun erzähle mir aber auch offen, was Dich drückt – gewiß kann ich Dir helfen.«

      »Du sollst Alles erfahren,« flüsterte Saise, »vielleicht ist es überdieß besser, daß Du es weißt, denn wenn« – sie schwieg plötzlich und barg schaudernd ihr Antlitz in den Händen.

      »Aber was ist Dir, um aller Heiligen willen,« bat Gabriele, »so hab ich Dich nie gesehen.«

      »So höre denn,« sagte, sich fassend, die Indianerin, »mit wenig Worten kann ich dir Alles vertrauen; ich habe, wenn auch noch jung, doch schon Entsetzliches erduldet. Ich bin die einzige Tochter eines Riccareehäuptlings, und ein kleiner Theil unseres Stammes – deine Brüder vertilgten fast unsere ganze Nation von der Erde – hatte sich dicht unter den Osagen, zwischen diesen



<p>1</p>

Overseer, die obersten Aufseher der Neger, meistens Weiße und zwar Amerikaner, auch oft Creolen. Die ihnen untergebenen Aufseher, gewöhnlich selbst Neger, werden nur nigger drivers genannt, wie überhaupt nigger der verächtliche und sehr oft angewandte Ausdruck für Neger ist.

<p>2</p>

Piccaninny, ein afrikanischer Ausdruck und gewöhnlich für alles das gebraucht, was klein und niedlich ist.