Название | Die Vampirschwestern – Eine Freundin zum Anbeißen |
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Автор произведения | Franziska Gehm |
Жанр | |
Серия | Die Vampirschwestern |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783732003037 |
Der Vermieter, der Frau Tepes sogleich das „Du“ anbot und sich als „Peter“ vorstellte, obwohl er bestimmt schon über 45 war, wirkte sehr sympathisch. Er hatte graublonde Haare, die sich an der Stirn schon etwas zurückzogen. Um den Mund und auf der Stirn hatte er viele Falten, aber seine Augen funkelten. Vor allem, wenn er mit Elvira Tepes sprach.
Er führte sie im Laden herum, was mit fünf Schritten erledigt war. Der Raum war nicht größer als das Zimmer der Zwillinge. Im hinteren Bereich gab es eine kleine Küche und ein Klo. Das war alles.
Frau Tepes war völlig aus dem Häuschen. Das brachte Peter auch ganz aus dem Häuschen. „Und hier könnte der Verkaufstresen stehen“, sagte Elvira Tepes.
„Oh ja, ein wunderbarer Platz für den Tresen“, stimmte der Vermieter zu.
„Dort an die Wand würde eine Ausstellungsvitrine passen.“
„Eine Vitrine! Tolle Idee!“ Peter strahlte.
„An die Wand gegenüber vielleicht ein gemütliches Sofa für die wartende Kundschaft?“
„Das hat Stil“, bestätigte Peter.
„Und wo sollen die ganzen Klobrillen hin?“, warf Daka ein, die die Kopfhörer aus den Ohren genommen hatte.
„Klobrillen?“ Peter blickte fragend zwischen Daka und Elvira hin und her.
Elvira winkte ab. „Dafür finden wir schon eine Lösung. Vielleicht …“, Elvira strahlte Peter mit ihren nachtblauen Augen an, „können wir die Einzelheiten des Mietvertrags ja bei einem Kaffee klären?“
„Gute Idee.“
Peter und Elvira verabredeten sich. Für die Einzelheiten. Zum Kaffeetrinken. Und für einen „guten Start in ein langes, intensives, glückliches Mietverhältnis“, wie Peter hinzufügte.
Frau Tepes war begeistert. Sie hätte nie gedacht, dass sie so schnell so einen tollen Laden finden würde. Und sie dachte nicht eine Sekunde daran, dass Peter Grund für Ärger sein würde. Großen Ärger.
Ein nächtlicher Ausflug
Obwohl Herr Tepes im Keller in seinem Sarg lag, hörte er jedes Wort vom Telefonat seiner Frau mit ihrer Mutter eine Etage weiter oben. Er hörte, wie sie vom tollen Stadtausflug, vom neuen Laden und von einem gewissen Peter, dem reizenden Vermieter, erzählte. Er verzog den Mund, sodass sich sein Lakritzschnauzer aufbäumte, und drehte sich auf die Seite.
Im Gegensatz zu seinen halbvampirischen Töchtern hatte Herr Tepes noch das Gehör einer Fledermaus. Das hatte ziemlich viele Vorteile. Zum Beispiel, wenn man beim Geheimdienst arbeitete oder als Tontechniker. Oder wenn man sich für Klatsch und Tratsch in der Nachbarschaft interessierte. Es hatte aber auch ziemlich viele Nachteile. Manchmal hörte man Sachen, die man gar nicht hören wollte. Zum Beispiel, wenn ein Haus weiter jemand rülpste. Oder aufs Klo ging. Oder wenn sich zwei Leute über etwas Unsinniges stritten. Wie bei einem Radio versuchte Herr Tepes dann sein Gehör auf eine andere Frequenz zu schalten. Doch oft war er zu neugierig.
Herr Tepes arbeitete weder beim Geheimdienst noch als Tontechniker. Herr Tepes war Gerichtsmediziner. Weil er ein sehr guter Gerichtsmediziner war, hatte er eine Stelle am Institut für Rechtsmedizin in Bindburg gefunden. Oder weil er sich freiwillig für die Nachtschichten gemeldet hatte.
Morgen war es so weit: Mihai Tepes trat seine neue Arbeitsstelle an. Für seine Töchter begann das neue Schuljahr. In einer richtigen Menschenschule. Mihai Tepes hoffte, dass die Mädchen keinen Kulturschock bekamen. Sie hatten zwar selbst zur Hälfte menschliches Blut in sich, aber mehrere Stunden so eng von so vielen Menschen umgeben zu sein, würde sicher hart werden. Und das Ganze noch tagsüber, wo jeder vernünftige Vampir schlief!
Mihai Tepes beschloss, seine Töchter auf den schwierigen Tag vorzubereiten und zu stärken. Doch zunächst musste er selbst Kraft und Ruhe gewinnen für den großen Neuanfang. Herr Tepes wusste, was er dazu brauchte: seine Rennzecken! Nichts war erquickender, als den Zecken beim Wettlauf zuzusehen. Mihai Tepes schwang sich aus dem Sarg. Er zündete die beiden dicken Kerzen auf der Orgel an und holte eine verschnörkelte, knallrote Schachtel aus einem schwarzen Holzschrank. Stolz betrachtete er seine Zeckensammlung. Dann holte er mit der Pinzette zwei seiner besten Rennzecken aus der Schachtel, setzte sie an dem Kreidestrich ab, den er als Startlinie gemalt hatte, und rief: „Onu, zoi, trosch!“, dann stupste er beide Zecken an, die daraufhin losflitzten. Wenn eine Zecke zurücklag, feuerte Mihai Tepes sie an. Holte sie auf, feuerte er wieder die andere an. Er konnte sich nicht für einen Favoriten entscheiden. Das musste er auch nicht. Die Rennzecken krabbelten gleichzeitig über die Ziellinie.
In Transsilvanien waren Zeckenrennen ein beliebter Wettsport. Mancher Vampir hatte sein Sarg und Gut verloren, weil er auf die falsche Zecke gesetzt hatte. Auf Vampwanisch sagte man dazu: „subkrupt da hirobyx“, was so viel hieß wie „vor die Zecke gehen“.
Herr Tepes packte seine Rennzecken wieder in die Schachtel. Es war ein gutes Rennen mit gleich starken Gegnern gewesen. Aber alleine im Keller einer Reihenhaussiedlung in Deutschland machte das Zeckenrennen nicht so viel her wie auf dem Marktplatz in Bistrien mit Hunderten mitfiebernden Zuschauern. Vielleicht konnte Herr Tepes nach und nach ein paar Nachbarn für den Zeckenwettsport begeistern.
Er würde später darüber nachdenken. Erst musste er etwas essen, dann musste er sich um seine Töchter kümmern.
Nach dem Abendbrot wischte sich Mihai Tepes die Reste des blutigen Steaks aus dem Lakritzschnauzer und sagte zu seinen Töchtern: „Morgen ist ein sehr wichtiger Tag für euch. Doch bevor der Ernst des Lebens losgeht, machen wir noch einen richtig schönen Ausflug.“
Daka rief: „Boibine!“
Silvania rief: „Fumpfs.“
Das war Vampwanisch. „Boibine“ hieß so viel wie „super“ und „Fumpfs“ so viel wie „Mist“. Die Sprache war uralt, und es gab Tausende von Dialekten und eine komplizierte Grammatik, die noch nicht mal die Vampwanischlehrer in der Schule so richtig beherrschten. In einem normalen Menschenleben konnte man die Sprache nicht perfekt erlernen, dafür müsste man schon so alt wie ein Vampir werden.
Nach Sonnenuntergang trafen sich Mihai Tepes, Daka und Silvania auf dem Dach des Reihenhauses. Frau Tepes war, genau wie Silvania, nicht besonders glücklich über den Ausflug. Aber sie wusste, dass sie ihrem Vampir-Ehemann und ihren halbvampirischen Töchtern das Fliegen nicht ganz verbieten konnte. Das wollte sie auch nicht. Sie würde es sich schließlich auch nicht gefallen lassen, wenn ihr jemand das Laufen oder Schwimmen verbieten würde. Außerdem, ganz insgeheim, bewunderte sie Mihai, Silvania und Daka für diese Fähigkeit. Sie fand, es sah wahnsinnig verwegen aus, wenn sie sich in die Lüfte erhoben. Vor allem bei Mihai. Deshalb stand Elvira Tepes auch an der Terrassentür, während ihr Mann und ihre Töchter aufs Dach stiegen. Sie wollte den Abflug nicht verpassen.
„Müssen wir unbedingt von hier aus losfliegen? Ist das nicht ein bisschen hoch?“, fragte Silvania und lugte am Rand nach unten auf die Terrasse. Silvania war noch blasser als sonst, und statt einem ihrer damenhaften Hüte hatte sie eine Fliegermütze auf.
Daka federte von einem Bein aufs andere. „Silvania hat sch…sch…sch…Schiss!“
Daka hatte recht. Silvania hatte Angst vorm Fliegen. Zumindest seit ihrer unvergesslichen Begegnung mit den Tauben. Und seit sie fünf Kilo zugenommen hatte.
„Du musst deiner Flugangst mutig entgegentreten, Silvania“, riet Mihai Tepes.
„Ich bin einfach zu schwer zum Fliegen“, erwiderte Silvania trotzig.
„Gumox! Es gibt zu faul zum Fliegen, zu blöd zum Fliegen, aber zu schwer zum Fliegen gibt es nicht. Meine Schwippschwägerin Luda aus Oklahoma bringt über 100 Kilo auf die Waage und fliegt wie ein Engel. In ihrer Jugend war sie mit der Nationalmannschaft beim