Название | Polizei.Wissen |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | |
Серия | Polizei.Wissen / Themen politischer Bildung |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783866767010 |
Der Leiter des Psychologischen Dienstes einer Landespolizeischule selbstironisch: „Die Psychologie ist über die Polizei gekommen wie eine Seuche.“
In der Berufsethik wird dem „wenn A vorliegt, tue X“ der Impuls für eine Anregung zum Nachdenken beigefügt: Über Handlungsoptionen und dimensionen. Manche Kolleg*innen aus dem Einsatztraining schimpfen dann: „Was wir bei den Studenten mühsam aufgebaut haben, stoßt ihr in der Berufsethik mit eurem Arsch wieder um!“.
Idealtypisch sollten das „hard“ und das „soft“ in Studium und polizeilicher Aus- und Fortbildung keine Widersprüche darstellen, sollten sich ergänzen. Lehrbereiche sollten kooperieren statt konkurrieren. Das „hand“ und das „soft“ sollten gleichermaßen als notwendige Kompetenzen für den Beruf akzeptiert werden. In diesem Kontext ist Bildung für Bourdieu „nicht nur Voraussetzung für den Zugang zu Arbeitsplätzen und gesellschaftlichen Positionen, sie ist die Hauptvoraussetzung für die echte Ausübung der bürgerlichen Rechte“ (Bourdieu 1996: 68).
Die aufgezeigte maskuline (Binnen-) Sicht auf Polizeiarbeit ist ebenso selbstreferentiell wie überholt und gefährlich. Weil sie mit ihrem konservativen bis reaktionären Unterbau Modelle in Anschlag bringt, die den gegenwärtigen komplexen Anforderungen an Polizeiarbeit nicht gerecht werden.
Doch wie steht es um unser Eingangsbeispiel des Studierenden (aus dem ersten Semester), dem der Polizeihabitus erheblich weniger eingeschrieben sein dürfte als dem Polizeidirektor? An ihm zeigt sich die Wirkmächtigkeit des Berufsfeldes Polizei, das – vermittelt z.B. über die Medien – in die Gesellschaft hinein strahlt. Niemand betritt das Feld Polizei als unbeschriebenes Blatt. Der Berufseintritt erfolgt vielmehr nach einer antizipierenden Sozialisation, infolge derer die sozialen Akteure zum Zeitpunkt ihres Eintritts in das polizeiliche Feld bereits eine spezifische Konfiguration von aktiven Eigenschaften und Merkmalen aufweisen - vergleichbar mit einem passenden Schlüssel für das Türschloss des Feldes. Oder anders: Infolge der performativen Magie polizeilicher Rituale, d.h. der singulären und kollektiven Selbstdarstellung der Polizei, werden auch in der Gesellschaft polizeiliche Kompetenzen maskulin assoziiert, mithin Polizeiarbeit noch immer als typisch männliche Aufgabe angesehen (vgl. Herrnkind, 2000, 77ff.; vgl. zur Staatsmagie Bourdieu, 2004, 456ff.). Männlichkeit und männliche Handlungsmuster im Feld Polizei sind für uns indes überholte Sinnattributionen der Akteure. Zukünftig sollte in Opposition zum Beharrungsvermögen wertkonservativer Strukturen und explizit aufgrund der notwendig ständigen Selbsterneuerung sozialer Praxisfelder maskuline Männlichkeit mit all ihren Schreckgespenstern schwuler Themen im Feld Polizei obsolet sein.
Literatur:
Bourdieu: Störenfried Soziologie. S. 65–70 In: Fritz-Vannahme, J. (Hrsg.): Wozu heute noch Soziologie? Opladen 1996.
Bourdieu: Eine sanfte Gewalt. In: Ein alltägliches Spiel. Frankfurt/M. 1997.
Bourdieu: Der Staatsadel. Konstanz 2004.
Bourdieu: Die männliche Herrschaft. Frankfurt/M. 2013.
Bourdieu/ Wacqant,: Reflexive Anthropologie. Frankfurt/M.2013.
Bowling / Reiner / Sheptycki: The Politics of the Police. Oxford 2019.
Chan: Fair Cop. Toronto 2003.
Das: Should we include Criminology in Police Recruitment Training?, In: Police Journal 1988 (April).
Herrnkind: Clint Eastwood und die Polizistinnen. Gegenwind 138 (März 2000).
Niederhoffer: Behind the Shield. The Police in Urban Society. New York 1969.
Oesterreich: Flucht in die Sicherheit. Opladen 1996.
Scheitza / Düring-Hesse: „Wieso sitze ich hier?“, In: Interkulturelle Öffnung der Verwaltung, Duisburg 2014.
Schöne: Die Rolle der Kriminologie in der Ausbildung zum gehobenen Polizeivollzugsdienst. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Hamburg 2005.
Schöne: Pierre Boudieu und das Feld Polizei. Frankfurt/M. 2011.
* Marcel Schöne ist Professor für Kriminologie an der Hochschule der Sächsischen Polizei in Rothenburg/O.L.
Martin Herrnkind ist Dozent für Kriminologie an der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung in Altenholz.