Название | "Darling Jane". Jane Austen – eine Biographie |
---|---|
Автор произведения | Christian Grawe |
Жанр | |
Серия | Reclam Taschenbuch |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783159612102 |
Freitag. – Nun ist der Tag gekommen, an dem ich zum letztenmal mit Tom Lefroy flirten werde, und wenn Du diesen Brief erhältst, ist alles vorbei. Meine Tränen fließen bei diesem traurigen Gedanken, während ich schreibe. (14. Januar 1796)
Mrs. Lefroy kam letzten Mittwoch […]. Sie erwähnte mir gegenüber den Namen [ihres Neffen] nicht ein einziges Mal, und ich war zu stolz, nach ihm zu fragen; aber als mein Vater später fragte, wo er sei, erfuhr ich, dass er auf dem Weg nach Irland, wo er nun Rechtsanwalt wird und den Beruf auch ausüben will, zunächst zurück nach London gefahren ist. (17. November 1798)
Der junge Mann wurde schließlich oberster Richter Irlands und erinnerte sich im Alter: Ja, er sei einmal in die große Jane Austen verliebt gewesen, aber es habe sich um die Liebe eines Jungen gehandelt.
Noch eine zweite Liebelei, wenn nicht Liebe Jane Austens scheint sich bald darauf durch das Haus Lefroy angebahnt zu haben, wo ein »Freund« zu Gast war, der ohne Namensnennung ebenfalls in dem zuletzt zitierten Brief ausführlich bedacht wird. Mrs. Lefroy zeigte Jane bei ihrem Besuch, bei dem sie ihren Neffen totschwieg, einen Brief von ihrem Freund, in dem dieser schrieb:
Ich höre mit Bedauern von Mrs. Austens Krankheit. Es wäre mir eine große Freude, eine Gelegenheit zu haben, mit dieser Familie näher bekannt zu werden, um in eine engere Verbindung mit ihr zu treten. Aber vorläufig kann ich solche Absichten nicht verfolgen.
Solche Formulierungen bedeuteten im Sinn der Zeit, dass der junge Mann Jane Austen ganz gern geheiratet hätte, aber für eine Ehe noch keine finanzielle Basis hatte und daher von dem Plan wieder Abstand nahm. Jane war sich auch darüber im klaren, dass ihr Verehrer in solchen Worten »weniger Liebe und mehr Verstand zeigt, als er vorher manchmal zu zeigen schien«, und hatte sich auf ihre typisch ironische Art schon mit der Trennung abgefunden:
Es wird auf sehr vernünftige Weise langsam abklingen. Es ist nicht anzunehmen, dass er über Weihnachten nach Hampshire kommt und daher nur zu wahrscheinlich, dass unsere Gleichgültigkeit bald wechselseitig ist; es sei denn, dass seine Zuneigung, die anscheinend zustande kam, weil er nichts von mir wusste, sich nun davon nährt, dass er mich nie sieht.
Die Autoren von Jane Austen. Her Life and Letters haben 1913 diesen zögernden Ehekandidaten als den Geistlichen Samuel Blackall identifiziert, der erst gut fünfzehn Jahre später heiratete. Jane las die Anzeige in der Zeitung und schrieb an ihren Bruder Francis, der mit seiner Fregatte »Elephant« in der Ostsee kreuzte (sie erwähnte das Schiff dann mit seiner Erlaubnis in Mansfield Park):
Er hat in Clifton eine Miss Lewis geheiratet, deren verstorbener Vater aus Antigua stammt. Ich wüsste gern, was sie für eine Frau ist. Er war ein Bündel Vollkommenheit, geräuschvolle Vollkommenheit, an das ich mich mit Herzlichkeit erinnere. […] Ich wünschte, Miss Lewis wäre eher schweigsam veranlagt und ziemlich unbedarft, aber von natürlicher Intelligenz und mit dem Bedürfnis sich zu bilden; – sie müsste kalte Kalbspasteten, grünen Tee am Nachmittag und nachts grüne Jalousien gern haben. (3. Juli 1813)
Es hat wenig Sinn, aus diesen Liebeserlebnissen Jane Austens zur Erbauung des Lesers romantische Episoden zu spinnen, da wir außer diesen wenigen Andeutungen nichts wissen. Weder sind uns genügend Tatsachen überliefert, noch kennen wir über ihre eigenen knappen Bemerkungen hinaus Janes Gefühle. Nach den Konventionen der Zeit war es undenkbar, dass ein junger Mann und eine junge Frau länger miteinander flirteten, ohne dass ihre Umgebung auf ernste Absichten des Verehrers und seine Ermutigung durch die Dame schloss. Auch war es undenkbar, dass beide miteinander korrespondierten, ohne verlobt zu sein oder als verlobt betrachtet zu werden – daher ist es so skandalös, dass Marianne in Verstand und Gefühl an Willoughby schreibt. Solche Beziehungen endeten, falls der junge Mann sich nicht unmöglich machen und das Mädchen ihren Ruf nicht schwerwiegend schädigen wollte, unweigerlich in der Ehe, wenn der Kontakt nicht schnellstens abgebrochen wurde. Darum schickte Mrs. Lefroy ihren Neffen nach Irland zurück und zeigte Jane den ausweichenden Brief von Mr. Blackall.
Aber so wenig sinnvoll es ist, diese »Affären« auszumalen, so nützlich ist es, von ihnen zu wissen, weil aus ihnen hervorgeht, dass Jane Austens Schriftstellertum nicht etwa Kompensation für einen Mangel an weiblichen Reizen war. Sie war keineswegs eine »geborene alte Jungfer«, sondern lebte wie die meisten Teenager und jungen Frauen in der Erwartung, eines Tages zu heiraten. Die ersten erhaltenen Briefe der Einundzwanzigjährigen enthalten übermütige, ironisch gefärbte Bemerkungen über ihre Flirtereien, so am 14. Januar 1796:
Sag Mary, ich überlasse ihr Mr. Heartley und seinen gesamten Besitz zu ihrem ausschließlichen zukünftigen Nutzen und Gewinn, und nicht nur ihn, sondern obendrein all meine anderen Verehrer, wo immer sie sie auftreiben kann, sogar den Kuss, den C. Powlett mir geben wollte, da ich mich von jetzt an einzig auf Mr. Tom Lefroy beschränken will, an dem mir gar nichts liegt.
An der Charakterisierung, Jane sei »der hübscheste, albernste, affektierteste Backfisch auf der Jagd nach einem Mann gewesen«, ist vielleicht durchaus etwas daran, obwohl ihre viktorianischen Nachkommen, die diese Kennzeichnung nicht gerade als Kompliment werteten, nachzuweisen versucht haben, dass die Mutter der Schriftstellerin Mary Russell Mitford, die die Bemerkung gemacht hat, nicht glaubwürdig sei, weil sie in der Nähe Steventons nur gelebt habe, bis Jane zehn Jahre alt war. Ob Jane Austen nicht schließlich doch geheiratet hätte, wenn die Aussichten ihrer Schwester nicht durch den Tod ihres Verlobten plötzlich zunichte geworden wären und sie allein im Haus der Eltern zurückgeblieben wäre, und ob eine Heirat und Kinder – nahezu ständige Schwangerschaften waren damals bei dem Stand der Geburtenkontrolle eher die Regel – ihre literarischen Ambitionen nicht gehindert oder gar zerstört hätten, sind offene Fragen. Sicher ist, dass sie zunächst ledig blieb, weil eine Ehe trotz einiger aussichtsreicher Bewerber nicht zustande kam. Dass sie aber wohl nicht ohne Liebe geheiratet hätte, muss man ihren Romanen entnehmen, in denen die Heirat ohne echte Bindung der Partner immer wieder als eine schreckliche Aussicht dargestellt wird. Auch ihrer Nichte Fanny Knight, die ihre Tante in Liebesangelegenheiten um Rat fragte, gestand sie, dass nichts dem Elend gleiche, ohne Zuneigung an einen Mann gebunden zu sein (30. November 1814). Gerade aber weil es sich hier um einen Punkt handelt, an dem das Literarische und das Biographische in engster Beziehung zueinander stehen, ist es schade, dass der Mangel an sicheren Informationen uns nicht erlaubt, eine solche Verbindung weiter zu verfolgen und dadurch auch die Romane weiter zu erhellen. Es lässt sich aus Andeutungen in ihren Briefen entnehmen, dass Jane die Entscheidung, nicht geheiratet zu haben, später nicht bereut hat.
(3) Die engste Verbindung in der Nachbarschaft bestand zu den Töchtern des Pastors von Deane, Mr. Lloyd, der 1789 starb. Seine Witwe blieb noch einige Jahre im dortigen Pfarrhaus wohnen und zog dann mit ihren unverheirateten Töchtern Mary und Martha – Eliza war schon mit Fulwar Craven Fowle, dem Bruder von Cassandra Austens Verlobtem, verheiratet – nach Ibthrop, nur 18 Meilen von Steventon entfernt, so dass der freundschaftliche Verkehr aufrechterhalten werden konnte. Mrs. Lloyd war eine Tochter der schönen und berüchtigten Lady Craven, die bei ihrem eleganten Leben ihre Kinder auf skandalöse Weise vernachlässigt und misshandelt hatte und die manche Forscher für das Vorbild von Jane Austens Lady Susan in dem gleichnamigen Romanfragment halten. Mary Lloyd heiratete 1797 den verwitweten James Austen, aber Martha blieb noch Jahrzehnte unverheiratet und zog 1805 nach dem Tod ihrer Mutter zu den Austens.
Zu den großen Vergnügungen der Mädchen gehörten vor allem die Bälle, die in den stattlichen Privathäusern der Umgebung oder monatlich einmal öffentlich in Basingstoke stattfanden. Sie nehmen in den frühen Briefen Jane Austens viel Raum ein. Ausführlich wird diskutiert, wer anwesend war, mit wem man getanzt und was man getragen habe, und für die Freundinnen boten diese Feste immer wieder Anlass zu gegenseitigen Besuchen.
Der Bildungsgrad dieser gemischten ländlichen Gesellschaft war dabei wohl nicht durchweg so hoch wie im Haus Austen. Die Ungebildetheit des englischen »Country Squire« ist schließlich schon eine satirische Zielscheibe des Romans im 18. Jahrhundert. Einmal wurde Mr. Austen von einem Grundbesitzer gefragt, ob nun eigentlich Paris in Frankreich oder Frankreich in Paris liege, er habe sich mit seiner Frau darüber