Johann Wilhelm Kinau - Navigare necesse est - Seefahrt ist not. Jürgen Ruszkowski

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Название Johann Wilhelm Kinau - Navigare necesse est - Seefahrt ist not
Автор произведения Jürgen Ruszkowski
Жанр Документальная литература
Серия maritime gelben Buchreihe
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783742710307



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      zwei Bände

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      Reisen mit der Kaiserlichen Marine

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      Navigare necesse est

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      Seefahrt ist not!

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      Auflage von 1940 – 291. bis 302. Tausend

       Bemerkungen des Herausgebers

      Es werden in diesem Band nicht alle Texte des Originalbuches abgedruckt, sondern vor allem die für die Finkenwärder Seefischerei entscheidenden und dramatischsten.

      Die Texte sind natürlich typisch für die wilhelminische Kaiserzeit vor Ausbruch des Weltenbrandes des 1. industriell geführten Krieges, dessen Ausmaße sich niemand zum Zeitpunkt der Kriegserklärung vorstellen konnte und der zum Ende des Gottesgnadentums in fast allen europäischen Dynastien – ausgenommen in Großbritannien – führte.

      Die Seefahrt hat sich seit jenen Tagen drastisch geändert, auch die Hochseefischerei. Die Meere sind überfischt, die Fischbestände können sich kaum noch regenerieren. Die Handelsschifffahrt hatte bei der Globalisierung Vorreiterfunktion. Die Digitalisierung hat die Schifffahrt revolutionisiert. Das vollautomatisch ohne Menschen an Bord sicher über die Ozeane fahrende Schiff ist greifbar nahe.

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      Erster Stremel

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      „Insonderheit aber bitten wir dich für die, die auf dem Wasser ihre Nahrung suchen. Segne, segne die Fischerei auf der See und im Fluss, behüte Mann und Schiff in allen Gefahren!“

      Pastor Bodemann beugte den grauen Kopf tiefer als zuvor. Da hatte er laut und warm für seinen alten Kaiser gebetet, laut und warm, wie es ihm von Herzen kam, nicht leise und kalt, wie sein Vorgänger, ein zäher Welfe, der nur der kirchlichen Vorschrift nachgekommen war: „Lass deine Gnade groß werden über deinen Knecht Wilhelm, unsern Kaiser und Herrn, und über das ganze kaiserliche Haus.“

      Die gefurchtete Stirn berührte fast das schwarze Tuch, mit dem die Kanzel vom Sonntag Reminiszere bis zum stillen Freitag bedeckt war. Es schien, als wenn die Stimme ihm versagte und er aufhören müsste. Und er hielt überwältigt inne und ließ die große Stille kommen.

      Totenstill wurde es in der Kirche auf Finkenwärder. Regungslos saß die Gemeinde. In die Augen kam eine Dunkelheit wie von aufsteigenden Tränen.

      Und die See nahm das Wort, die Nordsee, die Mordsee – mit ihren jagenden, zerrissenen Wolken, mit ihrem pfeifenden, brausenden Sturm, mit ihren haushohen, schäumenden, brüllenden Seen, mit Brand und Wetterleuchten, mit Dünung und Gewitter, – mit geborstenen Segeln, gebrochenen Masten, blakenden Notfackeln, verlorenen Wracken und Hilfe rufenden Fahrensleuten.

      Und es war niemand da, der nicht ihre Stimme vernommen hätte.

      Die hellhaarigen jungen auf den Bänken neben dem Altar, die als große Schleefen zu den gegenüber sitzenden Konfirmandinnen hinüber gelacht und ihnen zugelacht hatten, verjagten sich, legten beschämt die Hände zusammen und sahen vor sich hin, weil ihnen in der heiligen Stille die Väter und Brüder in den Sinn kamen, die draußen waren, und weil sie daran dachten, dass sie nach Ostern selbst in die Fischerei hineinkamen.

      Auch bei den rotbäckigen Mädchen wurde es still. Alle falteten rasch die Hände, und manches Kinderherz bebte – vergessen war, dass sie abends am Deich einzuhüten hatten, und dass die Jungen dort vor den Fenstern trommelten und pfiffen, bis sie hinein gelassen wurden und blinde Kuh oder Sechsundsechzig mitspielen durften.

      Gesine Klüper, die schönste Deern der Hamburger Seite des Eilandes, um die die Junggäste einander Sonntag abends auf Musik bannig in die Wanten stiegen, weil keiner sie dem andern gönnte und jeder sie nach Hause bringen wollte, senkte die Wimpern und neigte den stolzen Kopf, nicht allein, weil sie wusste, dass es ihr gut stand, sondern auch um die Seefischerei, um alle Freundschaft, Bekanntschaft und Verwandtschaft, die unter Segeln war.

      Auch Hein Loop betete mit, der Rotbart vom Auedeich, den sie den Seeteufel nannten, wenn er nicht dabei war, Hein Loop, einer der Verwegenen, der Verwogenen, wie sie an der Wasserkante sagen, einer von denen, die nicht reffen und beidrehen mögen, die mit allen Lappen segeln und mit jedem Winde fischen, denen es ergeht wie dem jungen Lord von Edenhall:

      …sie schlürfen gern in vollem Zug,

      sie läutern gern mit lautem Schall,

      die mit dem Glück vom Erdenhall anstoßen und es wohl auch einmal versuchen. Die See schmeckte ihm erst dann, wenn sie gar sein, und gar sei sie nach seiner Meinung erst, wenn sie koche, hat Hein Loop einmal gesagt, und jeder, der ihn kannte, glaubte es ihm. Aber nun betete er, denn er wollte den andern Tag mit seinem Kutter nach See, up de Schollen dol, und konnte mooi Wind und mooi Fang gebrauchen.

      Auch Jan Greun, Simon Fock und Hinnik Six, seine Macker, die nicht weit hinter ihm saßen, ließen das Kirchenwort in die unerschrockenen Seemannsherzen hinein, wenn sie in Gedanken auch ein kräftiges Sprüchlein achteran hingen, das bei Jan hieß: Herr Pastur, de verdreihten Dänen be vergeten! Bei Simon lautete es: Amen, Herr Pastur, de Büt, de Bütt, de hürt dor ok mit to!

      Von den mittleren Bänken kam ein Weinen und Schluchzen. Dort saßen die Seefischerwitwen, in ihren schwarzen Kleidern und mit den dunklen Kopftüchern wie morgenländische Klageweiber anzusehen. Der letzte Jahrgang hatte die Stirnen auf der harten Holzlehne liegen, als sei kein Leben mehr in ihm: So wollten es die Sitte und der Schmerz. Zuhinterst saß die greise Geeschen Witten, die Runen im Gesicht, das einer Landkarte ähnlicher sah, als einem Menschenantlitz. Sie konnte nur noch für Tote beten, denn alles Leben hatte sie der See gegeben: ihren Vater, der dreiundvierzig vor der holländischen Küste über Bord gekommen war, ihren Mann, der in den sechziger Jahren während der ‚Äquinoktien untergegangen war, ihren Bruder, den sich die See fünf Jahre später bei Amrum geholt hatte, ihre beiden Söhne, die vor neun Jahren mit ihrem neuen Ewer verschollen waren. Sie wohnte ganz allein in ihrem großen leeren Dachhaus, zwischen Netzen und Segeln, die die Gebliebenen zurückgelassen hatten, und wunderte sich, dass sie immer noch lebte und dass auf ihrem Kirchenplatz nicht schon lange eine andere saß.

      Einer aber war da, der hatte den Kopf nicht gesenkt und die Augen nicht zugemacht: Thees to Baaben, der Segelmacher und Spökenkiecker, der Blut stillen, Krankheiten besprechen, Hexen bannen und Schweine zum Fressen bringen konnte und die Gabe des Vorsehens und Vorhörens besaß. Er beobachtete den Pastor scharf, und als Bodemann die Augen schloss, machte Thees seine weit auf und starrte durch das verbleite Fenster, bis er ihn kommen sah, den langen, heimlichen Zug, der vom Deich stieg und über die Äcker, Gräben und Wischen