Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43. Friedrich Gerstecker

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ging deshalb auch rasch entschlossen zur Fähre hinab, mich übersetzen zu lassen, darauf hoffend, dass solche Sachen meist übertrieben würden. An der Fähre rieten mir die Leute übrigens ebenfalls, lieber noch ein paar Tage in Vincennes zu bleiben und das Ablaufen der Wasser zu erwarten. Das konnte aber bei diesem nassen Wetter noch lange dauern, hätte es mir meine Kasse wirklich erlaubt. Ich ließ mich also unverzagt übersetzen, meinem guten Glück das weitere vertrauend.

      Drüben angelangt, fand ich das Land dicht am Fluss ziemlich trocken; kaum zweihundert Schritt vom Ufer begann aber ein wirklicher See, durch den weder Bahn noch Steg zu finden war, und umsonst mühte ich mich bis gegen Mittag, eine nur halbwegs seichte Furt zu finden. Aus Sparsamkeit hatte ich dabei die letzten vierundzwanzig Stunden entsetzlich wenig zu mir genommen, immer hoffend, etwas Schiessbares am Weg zu finden; es wollte sich indes am ganzen vorigen Tag nichts zeigen, und das teure Gasthausessen konnte ich nicht bezahlen. Mit leerem Magen marschierte sich's verwünscht schlecht in kaltem Wasser.

      Umsonst hatte ich eine seichte oder gar halbwegs trockene Stelle gesucht, die nächsten Häuser, die ich in dem flachen Land deutlich vor mir sehen konnte, lagen etwa eine Stunde entfernt auf höherem Boden. Von dort aus sollte ich auch, wie mir die Fährleute gesagt, trockenen Weg finden, und mit keiner Wahl mehr, als das einmal Begonnene auch durchzuführen, watete ich frisch in das kalte Wasser hinein.

       Im Anfang ging mir das Wasser nicht ganz bis an die Knie, und die Wasserstiefel hielten mich trocken, aber bald stieg es höher und höher. Ich war gezwungen, meine Jagdtasche auf die Schultern zu schnallen, und watete nun bis an den Gürtel, ja oft bis unter die Arme in dem kalten Elemente, wobei ich erst noch mit dem Gewehrkolben die vor mir liegende, zwar dünne, aber scharfe Eisrinde zerbrechen musste, um mir einen Weg zu bahnen. Vier Stunden kostete es mich, die zwei englischen Meilen zurückzulegen, und nur die Überzeugung, dass ich das Eis entweder durchbrechen oder im kalten Wasser umkommen müsse, gab mir hinreichende Kraft, mein Ziel zu erreichen.

      Endlich gewann ich mit Gottes Hilfe eine Fenz und mit ihr die Grenze des Wassers. Ich wollte hinübersteigen, war es aber nicht mehr imstande, da der untere Teil meines Körpers fast erstarrt war. Mit den Händen musste ich sie niederreißen, um hindurch zu kommen, und erst eine volle Stunde nachher, als ich am wärmenden Feuer der Farm aufgetaut war, gelang es mir, mich wieder frei zu bewegen.

      Der Weg wurde von nun an, eine kleine Strecke ausgenommen, trockener, doch blieb ich im nächsten Haus, zu dem ich kam, über Nacht, denn ich bedurfte der Ruhe und Stärkung.

      Zum ersten Mal hatte ich jetzt den Anblick der gewaltigen Prärien, die sich durch ganz Illinois hinziehen, in dieser kalten Jahreszeit aber freilich einen trübseligen Anblick boten. Das lange, gelbe, wogende Gras verlieh dem Gemälde einen gar melancholischen Anstrich, und die ungeheure strohgelbe Fläche, nur ganz in der Ferne von Wald begrenzt, war nicht gerade geeignet, das Herz heiter zu stimmen. Es hatte übrigens wieder etwas gefroren, und ich setzte meinen Weg, jetzt wenigstens trockenen Fußes, fort und wanderte scharf darauf zu. Das erste große Stück Wild, welches mir aufstieß, war ein Hirsch, der, durch mich aufgescheucht, in langen gewaltigen Sätzen durch das hohe Gras sprang, Scharen von Präriehühnern aufjagend, die in ungeheurer Masse eine Strecke über die Prärie hinzogen und dann wieder einfielen.

       In dem Hause, wo ich am Abend übernachtete, reinigte ich meine Flinte von Grund auf und setzte sie wieder in guten Stand. Am anderen Morgen um acht Uhr kam ich zum Fox-Fluss, wo ein paar einzelne Häuser standen. Zu meinem Erstaunen fand ich, dass auch diese eine Stadt bildeten, die Waterton hieß. Überhaupt wird in Amerika jedes Kleeblatt von drei oder vier Häusern „Stadt“ getauft.

      Eine sehr hübsche Amerikanerin, die eine Art von Wirtschaft hielt, setzte mir wilden Honig, Milch und Brot vor. Sie versuchte alles, mich zur Ansiedelung zu überreden und wo möglich noch mehr Deutsche herbeizuziehen. Die Wasserpartie war mir nur noch zu frisch im Gedächtnis, die Gegend hier besonders lieb zu gewinnen. Übrigens schien hier das Land zu sein, wo Milch und Honig fließt, denn ungeheure Herden finden in den Prärien ihre Nahrung, und wilden Honig gibt es in großer Menge. Die Speise hatte mich gestärkt, und mit raschen Schritten setzte ich meinen Wanderstab weiter.

      Ich hatte mich schon der angenehmen Hoffnung hingegeben, von nun an trockenen Weg zu haben, fand mich aber gar arg betrogen, denn ich musste, da der kleine Wabasch ausgetreten war, abermals fast zwei Meilen im Wasser marschieren. Hier war indes ein etwas erhöhter Weg und auf demselben wenigstens kein Eis, während dieses gleich daneben zwischen den Bäumen den Grund wieder dicht bedeckte. Als ich diesen Wasserweg fast hinter mir hatte und das trockene Land schon wieder vor mir sehen konnte, hörte ich etwas durch das Wasser rauschen und das Eis niederbrechen; ich schaute mich um und erblickte fünf Stück Wild, die in vollen Sätzen ankamen. Ich blieb ruhig stehen und erwartete mit klopfendem Herzen ihre Ankunft. Ein prächtiger Bock mit zwei Alt- und zwei Schmaltieren wollte, kaum 50 Schritt von wir, vorbei. Ich zielte – und neun Bockschrote sausten dem Führer aufs Blatt, dass er hoch aufspringend zusammenbrach.

       Kräftig musste ich arbeiten, um den Hirsch, der, halb im Wasser liegend, verendet war, auf das Trockene zu bringen, doch gelang es mir endlich. Obgleich die Hirsche in Amerika bedeutend kleiner sind, als die in Deutschland, haben sie doch immer ein ziemlich großes Gewicht, und der, den ich geschossen hatte, wog gewiss gegen 140 Pfund. Ich streifte ihn ab, schnitt einige Stücke herunter, machte aus dem Fell eine Art von Sack, die Haare nach außen gekehrt, tat dann die Keulen und den Rückenteil hinein und hängte mir das Ganze um. Den Rest band ich an den niederen Ast eines kleinen Baumes für irgendjemand, der vorbeikäme, und wanderte weiter, musste jedoch meine Last zwei Meilen schleppen, ehe ich zu dem nächsten Flecken Maysville kam. Dort verkaufte ich meine Beute, übernachtete daselbst und zog am anderen Morgen durch die an dieser Stelle 12 Meilen breite Prärie.

      Ein schneidend scharfer Nordwest pfiff von den großen Seen herüber, so dass ich mich kaum durch schnelles Marschieren erwärmen konnte. Nachdem ich eine kurze Strecke durch Wald und über Hügel fortgeschritten war, kam ich wieder zu einem kleinen Städtchen namens Salem.

      Am 21. Dezember hatte ich eine andere Prärie von 22 Meilen Breite vor mir, doch war es noch immer kalt, und herrlich marschierte es sich auf dem festgefrorenen Boden.

      Am Abend erreichte ich den Saum eines kleinen Wäldchens, und nicht weit davon blieb ich die Nacht bei einem Farmer. Als ich an sein Haus kam, war er gerade beschäftigt, sein Pferd, das er am Zügel hatte, in die Stube zu führen. Ich würde geglaubt haben, dass es der Stall sei, hätte ich nicht Rauch aus dem Kamin aufsteigen sehen, und neugierig folgte ich dem Manne in die kleine Wohnung. Dort erklärte sich mir das Rätsel. Er hatte Holz geholt und sein Pferd an einen wohl 8 Fuß langen Klotz gespannt, um denselben ins Haus ziehen zu lassen und ihn von da in den Kamin zu rollen, der fast eine ganze Seite der einen Wand des niederen Blockhauses einnahm. Da er das Pferd der vielen Stühle, Betten und Tische wegen in der Stube nicht gut umlenken konnte, hatte er an der gegenüberliegenden Seite noch eine Tür durchgebrochen und führte das Pferd durch diese hinaus. Ich hatte am Tage mehrere Präriehühner geschossen, und sie lieferten uns eine leckere Mahlzeit.

       Die Hühner sind sehr häufig in den ungeheuren Steppen, fliegen in sehr großen Völkern – ich habe Völker von 600 bis 700 Stück beisammen gesehen –, besitzen ungefähr die Größe unserer Haushühner, haben jedoch einen längeren Hals, aschgraue Farbe, einen kurzen Rebhuhnschwanz und befiederte Ständer, und sind, wenn das Wetter anfängt recht kalt zu werden, fast gar nicht scheu, so dass man sie sehr leicht erlegen kann. Das Fleisch, besonders das der Brust, ist delikat.

      Nur einmal glückte es mir, einen grauen Präriewolf zu schießen, welcher bedeutend kleiner als der schwarze ist und, sobald er nur einen Menschen wittert, scheu entflieht.

      Am 23. Dezember kam ich nach Libanon, einem kleinen Neste auf einem Hügel, ungefähr 20 Meilen von St.-Louis. – Libanon! – der Name rief unwillkürlich den Gedanken an die ungeheuren Zedern in mir hervor; aber ungeheure Ironie! Das höchste Holz auf dem ganzen Berge sind die Stangen der Wirtshausschilder.

      Eins von diesen Schildern hat mich besonders amüsiert. Es stellte eine Meerjungfer dar, aber mit einer so niederträchtigen, breitgezogenen Galgenphysiognomie, dass das Gesicht viel besser zu einem Judas als zu einer verführerischen „Meermaid“ gepasst hätte. Dabei hatte das