Название | Friedrich Gerstecker: Reise in die Südsee |
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Автор произведения | Friedrich Gerstecker |
Жанр | Документальная литература |
Серия | maritime gelbe Buchreihe |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753191706 |
Die englischen Matrosen geben dem Schiff sogar das weibliche Geschlecht – aus einem Grund freilich, wie manche boshaft behaupten wollen, der gerade nicht schmeichelhaft für dasselbe wäre – dass die Takelage nämlich oder der äußere Aufputz, Segel und was dazu gehört, mehr koste, wie das Schiff selber – doch das ist maliciös (boshaft – hämisch).
Der Leser mag sich übrigens denken, dass ich in dem Augenblick, wo er mich eben verlassen hat, keineswegs daran dachte, solchen Betrachtungen nachzuhängen, sondern so rasch als möglich in meine Kleider fuhr und an Deck zu kommen suchte. Es war kalt, und wenn wir hier draußen „auseinander gingen“, und die ganze Nacht vielleicht an einem Mast oder Stück Holz im Wasser zu hängen hatten, war es immer besser etwas Wollenes dabei auf dem Leib zu haben. Viel Zeit ließ ich mir übrigens nicht, denn deutlich konnte ich oben die angstvolle Stimme meines Mitpassagiers, des alten Herrn Landerer hören, der ausrief – „Sind wir denn ganz verloren?“ – während ein anderer tiefer Bass dicht daneben sagte „A ground, by God!“ – Ich hörte sogar schon das Waschen des Seewassers an Deck und sprang mit wenigen Sätzen die enge Treppe hinan.
An Deck stürmte indessen alles wild und toll durcheinander, der Kapitän und der Steuermann gaben keine Befehle mehr, sie schrien sie, und als ich den Kopf ins Freie steckte, waren die Leute eben im Begriff zu wenden, während dicht neben uns Brandung oder Grundschwell, was es nun sein mochte, sich in weißfunkelnden Schaumwellen überschlug. Wir hatten das Schiff übrigens kaum herum, und die Vorsegel waren kaum angebrasst, als ein zweiter, und diesmal heftigerer Stoß durch Schiff und Nerven bebte – wir hatten jedenfalls hinten aufgesetzt, und die Brandung oder eine Welle wusch in demselben Augenblick über Deck. –
Der Kapitän, ein ruhiger, besonnener Mann, der neben mir stand, hatte in demselben Moment auch schon das Handlot, das zu seinen Füßen lag, aufgefasst, und über Bord geworfen, und die Leine jetzt fühlend, rief er rasch – „Wir sind noch flott!“ – Das war ein Trost, und nur die Frage, ob wir's im nächsten Augenblick noch bleiben würden. Die Lotleine zeigte zugleich wieder fünf Faden Wasser, wir waren in eine etwas tiefere Stelle gekommen, und nur der weiße Schaum der Brandungswellen jetzt fast vor uns, verriet uns wieder eine gefährlichere Untiefe.
„Klar zu wenden!“ klang wieder über Deck, und der Kapitän, die eine Hand an den Wanten, sich fest auf den Füßen zu halten, rief, kein Auge von dem Bug des Schiffs verwendend: „Up with your helm!“
Der Mann am Ruder drehte und drehte aus Leibeskräften – aber das Schiff kam nicht. „Up with your helm!“ schrie der Kapitän und stampfte, dem Mann einen wütenden Blick zuwerfend mit dem Fuße. „Up with it, I say!“
„Es will nicht gehorchen, Kapitän!“ rief dieser aber zurück, sich jetzt gegen die Speichen seines Rades pressend – „es ist ganz auf und hat noch keinen Viertel Strich geändert.“
Er sprach fast noch, als der Kapitän schon neben ihm stand und selber das Ruder versuchte – aber es war wie der Mann gesagt – das Schiff wollte nicht mehr gehorchen und der Matrose, ein alter englischer Seemann, hatte sich indessen auch schon auf Deck niedergeworfen, den vermuteten Schaden am Ruder selber zu untersuchen.
„The tiller is broken – by God!“ (Die Ruderpinne, mit der allein das Steuerruder regiert werden kann) rief aber der Mann auch schon im ersten Augenblick, als er nun seinen Arm danach ausgestreckt, und der Ruf ging wie ein Blitz durch das ganze Schiff.
Im nächsten Moment war das Lot wieder ausgeworfen, ergab noch einmal fünf Faden Wasser und „Anker klar und nieder!“ schrie der Kapitän mit Stentorstimme, die umso bereitwilliger Gehör fand, da jeder einzelne Matrose in dem Augenblick auch einsah, von der raschen Ausführung dieses Befehls hänge sein Leben ebenfalls ab – und Leute arbeiten nie so gern und willig, als wenn sie selber mit einem solchen Kapitale dabei interessiert sind. – In fast unglaublich kurzer Zeit war der Anker, der überhaupt noch vorn, und nur eben aufgezogen hing, wieder klar, und ohne einen weiteren Befehl abzuwarten, rasselte und sprang die schwere Kette durch die Klüsen, von der etwa dreißig oder zwei und dreißig Faden ausgelassen wurden, und zwei Minuten später wendete der Bug des Fahrzeugs scharf ab von der Brandung, auf die wir bis dahin ganz richtig zugehalten hatten, und das Schiff ritt vor seinem Anker.
Das niedergeworfene Lot zeigte noch fünf Faden, also vollkommen genug wenigstens der augenblicklichen Gefahren entgangen zu sein; der Wind hatte dabei fast ganz nachgelassen, und die Dünnung, wenn auch ziemlich stark, war doch nicht im Stande uns zu gefährden.
Vor allen Dingen ging jetzt der Zimmermann mit der ganzen Mannschaft zur Hilfe – denn alle wollten sehen, welcher Schaden angerichtet sei, – daran, die Ruderpinne wieder in Stand zu setzen – es war dies ein solides eichenes Stück Holz von wenigstens sechs bis sieben Zoll im Durchmesser, mit dick eisernen Banden, und wir konnten uns gratulieren, dass der Stoß, der dieses Holz im Stande war abzuknicken, dem Ruder selber nicht größeren Schaden zugefügt. In einer Stunde war übrigens alles wieder hergestellt, die Segel belegt und die See schon fast wieder beruhigt, denn nicht ein Lüftchen wehte mehr, und als ich mit dem Kapitän endlich, nachdem der Steuermann seine Wache angetreten, wieder hinunter stieg, aufs Neue zu Bett zu gehen, sagte er kopfschüttelnd:
„Ein Glück, dass wir ruhiges Wetter die Nacht haben, denn wenn es jetzt hier an zu wehen finge, könnten wir uns gratulieren – nachher hinge unser Leben an der Kette.“
Kaum in der Koje, war ich auch eingeschlafen, nach dem erhöhten Grad der Aufregung kam die Erschlaffung, und ich träumte zuletzt, die Anker würden wieder gelichtet, und wir gingen mit frischer herrlicher Brise hinaus in die freie offene See.
Ein Teil meines Traumes war wahr, oder ich hatte vielmehr im tiefen Schlaf das Rasseln der schweren Ketten gehört, das mich zuletzt auch ganz erweckte; endlich ermuntert, richtete ich mich in meiner Koje auf und hörte nun, – ein trauriger guter Morgen – wie der Wind durch die nackten Taue und Wanten und Blöcke unseres armen Fahrzeugs heulte, während dieses den jetzt schärfer und schärfer dagegen anschlagenden Wellen nur zitternd, und gewaltsam gezwungen, zu begegnen schien. Ich stand auf, zog mich an und ging wieder an Deck; die Sache war mir viel zu interessant mich nicht selber darum zu bekümmern, aber der Anblick, der sich dort mir bot, wahrlich nichts weniger als ermutigend.
Der bis dahin sternenhelle Himmel hatte sich mit düsterem Gewölk umzogen, ein feiner Regen peitschte, durch den Wind getrieben, scharf an Deck, das nahe Land war nur durch einen düsteren Nebelstreifen und das donnernde Brausen seiner Brandung zu erkennen, oder vielmehr zu erraten, und gegen den Bug des Schiffes schlugen und bäumten die Wogen an, wie unwillig, hier auf ihrem Spielplatz einen Widerstand gefunden zu haben, der sich ihren Sprüngen hemmend in den Weg legen wollte. Der Wind heulte dabei zürnend durch