Название | Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Untergang des Römischen Reiches Deutscher Nation – bei Jürgen Ruszkowski |
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Автор произведения | Ricarda Huch |
Жанр | Документальная литература |
Серия | gelbe Buchreihe |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754183250 |
Lähmender Schrecken befiel die benachbarten Staaten bei dem neuen Friedensbruch. Wer würde das nächste Opfer sein? Bündnispläne wurden überall beredet und wieder verworfen. Auch der Kurfürst von Mainz sah ein, dass die Ruhe Europas nicht durch Österreich, sondern durch Frankreich bedroht war. Bereits hatte er angefangen, sich dem Kaiser zu nähern, ohne aber den Charakter seiner Politik gänzlich zu ändern. Er dachte jetzt an eine Allianz, die er die deutschgesinnte nannte, als deren Haupt er eine schiedsrichterliche Stellung zwischen Österreich und Frankreich einnehmen würde. Der Kaiser sollte ihr nicht als Kaiser, wohl aber als König von Böhmen und als Erzherzog von Österreich angehören. Frankreich sollte durchaus nicht den Eindruck haben, als wolle der Kurfürst sich von ihm abwenden, die Beziehungen sollten ungetrübt bleiben. Johann Philipp träumte davon, er könne das Interesse Ludwigs auf die Levante ablenken, seine Eroberungslust mit der Aussicht auf frisch ergrünenden Kreuzzugs-Lorbeer locken.
Auch Leopold wurde unruhig und unterhandelte hier und dort; aber sich selbst zu empeñiren fand er sich doch impossibilitirt. Vollends als er sich überzeugt hatte, dass die französischen Rüstungen Holland galten, fand er es gar nicht so übel, dass Frankreich und die Niederlande sich in die Haare gerieten und ein wenig zausten.
Diejenigen, auf die er es abgesehen hatte, pflegte Ludwig vorher zu isolieren, wobei ihm seine gewandte, gutgeschulte Diplomatie ausgezeichnete Dienste leistete. In Bezug auf Holland hatte er leichtes Spiel. Der mächtige und reiche Handelsstaat hatte diejenigen zu Gegnern, die seine Stelle einzunehmen wünschten, Frankreich und England. Überhaupt ist Besitz von viel Geld ein Magnet, der Hass und Neid anzieht. Die Fürsten hatten außerdem eine gereizte Abneigung gegen die Republik, deren Wohlstand und Kultur sie doch bewundern mussten: So gelang die Auflösung der Tripelallianz ohne Mühe. Der König von England war sowieso französisch gesinnt und wurde gern aus einem Verbündeten Hollands sein Feind, bei Schweden handelte es sich nur um ein Geldgeschäft. Ähnlich ging es mit den Reichsfürsten. Der Kurfürst von Mainz besann sich darauf, dass seine Mittlerstellung ohne eine hinreichende Anzahl Truppen in der Luft schwebe und erneuerte seine Freundschaft mit Frankreich. Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern gab sich aus vollem Herzen dem französischen Einfluss hin; er sowie der Kurfürst von Köln standen unter dem Einfluss der verräterischen Brüder Grafen Fürstenberg. Der Kurfürst von Köln und der Bischof von Münster, die allerlei kleine Grenzstreitigkeiten mit dem holländischen Nachbarn hatten, erklärten sich sogar bereit, an Frankreichs Seite in den Krieg einzutreten. Der Kölner verpfändete Ludwig seine Festung Neuss als Waffenplatz und Ausfallsort gegen Holland.
Wie bedrohlich die Umstände für Holland auch waren, so lag doch die größte Gefahr in Holland selbst. Den holländischen Staat würde Hobbes nicht als Staat anerkannt, er würde ihn das Zerrbild eines Gemeinwesens genannt haben; denn die Staatsgewalt war hier nicht einheitlich, sondern nach mittelalterlicher Art geteilt, und zwar zwischen dem Statthalter, der das monarchische Element, und den Vertretern der Provinzen, die das aristokratische Element bildeten. Das Statthalteramt war seit der Zeit des großen Wilhelm von Oranien in der Familie Oranien erblich.
Wilhelm III. Prinz von Oranien entstammte dem Haus Oranien-Nassau und war von 1672 bis zu seinem Tode Statthalter der Niederlande.
Von den Vertretern der Staaten war der Ratspensionär von Holland, der bei Weitem reichsten und mächtigsten Provinz, herkömmlicherweise der Leiter der holländischen Politik. Er hatte hauptsächlich das Interesse der Handelsherren im Auge und trieb infolgedessen Friedenspolitik, während der Statthalter, der oberster Anführer von Heer und Flotte war, eher zu kriegerischen Lösungen bereit war und natürlich die Wehrmacht in gutem Stand zu erhalten suchte. Was Hipolythus a Lapide von den gemischten Regierungen sagte, dass solche Staaten meist unruhig wären, weil jeder Teil die ganze Herrschaft anstrebe, das traf auf Holland zu. Die Gefahr war vorhanden, dass der Statthalter seine Stellung zu einer wahrhaft monarchischen ausbaute, das machte die Aristokraten misstrauisch und verursachte einen Gegensatz zwischen den beiden Gewalten; er hatte im Anfang des Jahrhunderts zu der Katastrophe des großen Staatsmanns und Patrioten Oldenbarneveldt geführt. Der Statthalter stützte sich auf das niedere Volk, das sich zu den Aristokraten auch in einem religiösen Gegensatz befand. Der frühe Tod Wilhelms II., dem nach seinem Tod noch ein Söhnchen geboren wurde, hatte der aristokratischen Partei ermöglicht, den Statthalter ganz auszuschalten. Um sich vollständig zu sichern, brachte Jan de Witt im Jahr 1667 ein Edikt heraus, welches die Vereinigung des Statthalteramtes mit der obersten Heeresleitung in einer Person für immer verbot. Dadurch schien es dem heranwachsenden Wilhelm von Oranien unmöglich gemacht, dem Ratspensionär und seiner Partei gefährlich zu werden.
Jan de Witt hatte im Anschluss an Frankreich die beste Bürgschaft für den Frieden zu finden geglaubt. Zwar wurde er auf das, was sich in Frankreich vorbereitete, aufmerksam und dachte daran, einem etwa von Frankreich drohenden Angriff durch einen Angriff von seiner Seite zuvorzukommen; aber die anderen Erwägungen gewohnter Art verdrängten den mutigen Entschluss wieder. Als drei französische Heere unter Ludwigs vorzüglichsten Feldherren, Turenne, Condé und Luxembourg, sich gegen Holland in Bewegung setzten, war es wehrlos und hilflos. Sein einziger Bundesgenosse, der Kurfürst von Brandenburg, der von Jugend auf dem holländischen Staat anhänglich und mit einer Oranierin verheiratet war, dem es außerdem um seine rheinischen Besitzungen bange wurde, zog sich wieder zurück, ohne etwas Nennenswertes ausgerichtet zu haben, und schloss Frieden mit Frankreich.
Schon war fast ganz Holland von den unwiderstehlichen französischen Truppen besetzt, da suchten die Verzweifelten Hilfe bei dem ihnen verbündeten Element: sie öffneten die Schleusen, und die Überschwemmung des Landes trieb die Eindringlinge zurück. Jan de Witt und sein Bruder wurden von dem wütenden Volk, das ihre Politik für das nationale Unglück verantwortlich machte, ermordet, und Wilhelm von Oranien trat als Statthalter und Führer von Heer und Flotte an die Spitze der Republik.
Inzwischen hatte sich der Kaiser aufgerafft, Lobkowitz, der Franzosenfreund, wurde gestürzt, ein kaiserliches Heer unter dem bewährten, nun freilich alten und kränkelnden Montecuccoli erschien im Feld, und der Kurfürst von Brandenburg nahm die Waffen wieder auf. Der erste Waffengang verlief so, dass beide Teile sich den Sieg zuschreiben konnten und dass die Rheingrenze gehalten wurde.
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Gegner Frankreichs
Gegner Frankreichs
Macht wirkt wie das Licht auf die Motten, wie der Blick der Schlange auf die Tiere, die sie verschlingen will: Frankreich unterwarfen sich alle, auch diejenigen, die voraussehen mussten, dass es zu ihrem Schaden oder Untergang führen würde. „Wenn Europa bereit ist zu dienen“, sagte der kaiserliche Gesandte Lisola, „ist Ludwig bereit, ihm Ketten anzulegen.“
Franz Paul von Lisola (1613 – 1674)
In Flugblättern wurde wohl eine öffentliche Meinung laut, die vor der französischen Tyrannei warnte und zum Widerstand mahnte; aber das waren namenlose Stimmen, Stimmen von Leuten, deren Platz im Leben ihnen keinen Einfluss auf die öffentlichen Angelegenheiten gestattete. Immerhin gab es einige unter den zu öffentlicher Wirksamkeit Berufenen, die den Kampf gegen Frankreichs Übermacht und rechtswidrige Gewalttätigkeit sich zur Aufgabe machten: einer der ersten war Franz Paul von Lisola, kein Reichsdeutscher, sondern italienischer Abkunft und in Salins in der Freigrafschaft geboren. In Dôle studierte er die Rechte. Mit 25 Jahren ging er nach Wien, um dort eine Rechtssache zu vertreten, und nahm kaiserlichen Dienst an. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges begleitete er den Grafen Trautmannsdorff nach Münster zu den Friedensverhandlungen. Mit einer Zielsicherheit und Energie, mit der rücksichtslosen Schärfe gegen seine Gegner stand Lisola zwischen den gemütlichen Österreichern ziemlich allein, seine Versuche, dem Kaiser das Elsass zurückzugewinnen, scheiterten. Vielleicht hätte Ferdinand III. für seine Pläne Verständnis gehabt, wenn ihn nicht in seinen letzten Lebensjahren Schwermut gelähmt hätte; Leopold mit sich fortzureißen war anfangs