Название | Der Schrei des Subjekts |
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Автор произведения | Franz Josef Hinkelammert |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738051421 |
Die Antwort Jesu ist überraschend: “Ich weiß, das ihr Nachkommen Abrahams seid. Aber ihr sucht mich zu töten...” (Joh 8,37) Er wiederholt dies danach: “Wenn ihr Kinder Abrahams wäret, würdet ihr die Werke Abrahams tun. Nun aber sucht ihr mich zu töten.... Das hat Abraham nicht getan.” (Joh 8,39-40)
Hieraus folgt, was die Werke Abrahams sind, durch die Abraham sich befreit. Es handelt sich um ein Nein zum Töten und darum, nicht zum Töten bereit zu sein. Dahin gekommen zu sein, erscheint hier als Akt der Befreiung. Sohn oder Kind Abrahams zu sein, bedeutet, diese Befreiung selbst zu vollziehen. Was man von Abraham erben soll, ist diese Befreiung und nicht die Freiheit durch Gesetz.
Der Schlüssel für diese Befreiung ist: ihr wollt mich töten, Abraham hat nicht getötet. Es ist offensichtlich, daß Jesus hier auf das berühmte “Opfer” oder die “Bindung” Isaaks anspielt. Jesus vertritt offensichtlich eine Interpretation dieses Mythos, die sehr verschieden ist von der herrschenden Interpretation zu seiner Zeit.
Man kann den Mythos kurz zusammenfassen: gemäß dem Gesetz der Zeit mußte der Vater seinen erstgeborenen Sohn Gott zum Opfer bringen. Der Mythos erzählt, daß Gott von Abraham die Opferung seines Sohnes Isaak forderte. Gehorsam, stieg Abraham mit seinem Sohn Isaak auf den Berg Moriah, um ihn zu opfern. Er band Isaak auf einen Altar und stellte sich vor ihn hin, um ihn zu töten. In diesem Moment aber ändert er alle seine Absichten. Er tötet Isaak nicht, sondern befreit ihn. Zusammen mit ihm steigt er vom Berg wieder herunter, aber er kehrt nicht an den Ort zurück, wo er bis dahin gelebt hatte, sondern läßt sich in Bersheba nieder.
Dies ist der Mythos. Das Problem liegt darin zu erklären, warum Abraham seinen Sohn Isaak nicht tötet. Die herrschende Interpretation in der Zeit Jesu ist, daß Abraham bereit war, seinen Sohn als Opfer zu töten. Gott aber griff ein, da für ihn die Bereitschaft, seinen Sohn zu töten, genügender Beweis war für seinen Glauben.10 Die gute Absicht Abrahams, seinen Sohn zu töten, genügte, und Gott ließ davon ab, auch die wirkliche Durchführung zu verlangen. Diese Interpretation wurde von der christlichen Orthodoxie aufgenommen.
In der jüdischen Tradition gibt es zumindest seit der Zeit der Makabäer eine Interpretation, die sich diesem Sinne annähert, obwohl sie normalerweise von der “Bindung” Isaaks spricht. An einigen Stellen des christlichen Neuen Testaments erscheint diese selbe Interpretation, nämlich im Jokobusbrief und im Hebräerbrief. Die spätere christliche Orthodoxie radikalisiert dies zum “Opfer”, in dem Abraham seinen Sohn Isaak opfert. Während die jüdische Tradition die Figur des “gebundenen” Sohnes Isaak unterstreicht, betont die christliche die des Vaters Abrahams als dem, der das Opfer bringt.
Jesus hingegen scheint diesen Mythos auf eine völlig andere Art zu interpretieren und gewinnt damit das zurück, was wohl der ursprüngliche Sinn des Textes war. Hiernach befreite sich Abraham gegenüber dem Gesetz, das von ihm die Opferung seines Sohnes Isaak forderte. Abraham entdeckte, daß dieses Opfer ein Mord ist und daß nicht Gott es sist, der es verlangt. Angesichts dieser Entdeckung bekehrt er sich und befreit sich. Gott ist ein Gott des Lebens und ein Gesetz, das den Tod fordert, kann nicht Gottes Wille ausdrücken, denn das Gesetz Gottes ist ein Gesetz das zum Leben führt. Daher tötet Abraham nicht, da er entdeckt, daß seine Freiheit in der Bejahung des Lebens besteht, die durch ein Nein zum Töten vermittelt ist. Daher ist dies sein Glaube: nicht bereit sein zu töten, weder seinen Sohn noch irgend jemand anderen. Wenn Gott das Opfer seines Sohnes verlangt, so folgt daraus, daß er es verlangt, daß er nicht der wahre Gott ist. Abraham, der durch Gesetz bereits frei war, befreit sich von der Sklaverei des Gesetzes, das seine Freiheit erklärt, indem er sich frei macht dem Gesetz gegenüber, wobei die Wurzel dieser Freiheit das Nein zum Töten ist.
Zieht man dies in Betracht, so kann man verstehen, was Jesus sagte: “Nun aber sucht ihr mich zu töten.... Das hat Abraham nicht getan.” (Joh 8,39-40) Daher erklärt er, daß sie weder frei sind noch Söhne Abrahams.
Sieht man die Abrahamssituation in dieser Weise, ergibt sich, daß Jesus sich selbst mit Isaak identifiziert, dem Sohn Abrahams. Diejenigen, die auf dem Gesetz und der Freiheit duch das Gesetz bestehen, sieht er als Abraham, der Isaak gebunden hat und ihm gegenübersteht. Daher ruft er dazu auf, sich zu befreien, das Wort der Wahrheit zu hören. Aber er sieht keine Bereitschaft zu dieser Bekehrung und Befreiung: ihr wollt mich töten, Abraham aber hat nicht getötet. Sie sind Nachkommen und daher Söhne Abrahams, die sich jetzt in der Situation Abrahams befinden, aber nicht bereit sind, die Werke Abrahams zu tun.
Dies ist die Situation aus der heraus Jesus spricht. Diese Botschaft verweigert jedes Menschenopfer, denn Menschenopfer ist Mord. Das ist für Johannes ebenfalls eine Botschaft in Beziehung auf den Tod Jesu. Der Gott-Vater Jesu ist der Gott jenes Abraham, der sich dem Gesetz gegenüber befreite. Dieser Gott-Vater kann ebenfalls nicht den Tod des Jesus als Opfer verlangt haben, denn es ist der Gott der Befreiung Abrahams, der sich gegenüber einem Gestz befreite, das von ihm den Tod seines Sohnes Isaak als Opfer verlangte. So wie Abraham sich nicht in den Mörder seiners Sohnes verwandelte, so kann auch Gott dieses nicht tun.
Hier wird ein Mordvorwurf erhoben, der alles übliche übersteigt. Natürlich haben diese Gläubigen, mit denen Jesus zusammenstößt, zu Beginn nicht die geringste Absicht ihn zu töten. Die ganze Szene ist nicht erklärbar, wenn man diesen Gläubigen die Absicht unterstellt, Jesus töten zu wollen. Dennoch wirft Jesus ihnen vor, ihn töten zu wollen, ein Vorwurf, der sich im Verlaufe der Auseinandersetzung immer mehr zuspitzt. Er wirft ihnen eine Haltung vor, die zum Mord führt ganz unabhängig davob, ob man die Absicht hat zu morden: die Freiheit durch Gesetz zu verwirklichen, ist eine Freiheit, die in sich mörderisch ist. In der Konsequenz müssen sie Jesus töten wollen, der sie auffordert, sich zu befreien. Indem sie aufgefordert werden, sich zu befreien, wird der mörderische Charakter einer Freiheit durch Gesetz offenbar. Gerade deshalb, weil sie ihre Freiheit auf die Freiheit durch Gesetz aufbauen, müssen sie diese ihre Freiheit durch den Mord durchsetzen. Der Mord ist das vorhersehbare Ergebnis eben dieser Freiheit, denn nur die Befreiung befreit von dem Zwang zum Mord der von der Freiheit durch Gesetz ausgeht. Den Glauben Jesu zu teilen macht frei, aber der Glaube an Jesus führt zum Mord.
Daher sagt Jesus zu diesen Gläubigen, die seine Heilsbotschaft nicht annehmen wollen, daß sie nicht Söhne Abrahams sind, sondern einen andern Vater haben:
“Sie sagten zu ihm: Wir sind nicht aus der Hurerei geboren, wir haben nur einen Vater, Gott. Jesus sagte zu ihnen: Wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr mich lieben. Denn ich bin von Gott ausgegangen und gekommen. Denn ich bin nicht von mir aus gekommen, sondern jener hat mich gesandt. Warum versteht ihr meine Sprache nicht? Weil ihr mein Wort nicht hören könnt.” (Joh 8, 41-43)
Neben Abraham als Vater erscheint jetzt Gott als Vater. Jesus aber antwortet: Wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr mich lieben. Der Gott, der ihr Vater ist, ist derjenige Gott, der Abraham befahl, seinen eigenen Sohn zu töten und zu opfern. Dieser Gott aber ist nicht Gott, sondern Jesus nennt ihn jetzt ganz anders:
“Ihr habt den Teufel zum Vater und wollt die Gelüste eueres Vaters tun. Jener war ein Menschenmörder von Anfang an und hatte in der Wahrheit keinen Stand, weil Wahrheit in ihm nicht ist. Wenn er die Lüge redet, dann redet er aus seinem Eigenen, weil er ein Lügner ist und der Vater der Lüge.” (Joh 8,44)
Ob man Abraham oder Gott zum Vater hat, das erweist sich. Ebenso erweist es sich, ob man den Teufel zum Vater hat. Es gibt kein Gesetz, das das festlegen könnte und es ist immer in Frage gestellt. Man hat den Teufel zum Vater, wenn man auf den Mord setzt, und wenn man auf den Mord setzt, wird man zum Lügner, der nicht die Wahrheit sagt. Man wird zum Lügner, weil man jetzt den Mord als die Wahrheit, als den Weg zum Leben und als Weg zur Freiheit darstellen muß. Schon die Behauptung, durch Gesetz frei zu sein, ist eine Lüge, die einen Mord versteckt. Hinter diesem Denken Jesu steht die Vorstellung von der Sünde, die in Erfüllung des Gesetzes begangen wird. Indem diese Sünde begangen wird, erscheint die Lüge, die den Mord im namen der Erfüllung des Gesetzes als Dienst an der Gerechtigkeit und an der Freiheit ausgibt. Im Rücken des Gesetzes erscheint nicht nur die Sünde, der Mord und die Lüge, sondern