Название | Performative Zugänge zu Deutsch als Zweitsprache (DaZ) |
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Автор произведения | Alexandra Lavinia Zepter |
Жанр | Документальная литература |
Серия | narr studienbücher |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783823303428 |
Versuchsaufbau bei Dudschig et al. (2014)
Dudschig et al. wählten für ihre Studie Erwachsene (Studierende), die Deutsch als Erstsprache sprechen und Englisch in ihrer Schulzeit als Fremdsprache gelernt (jedoch noch nie in einem englischsprachigen Land gelebt) haben. In einem ersten Experiment mussten die Proband:innen im beschriebenen Setting sowohl auf deutsche (L1) als auch auf englische (L2) Aufwärts- und Abwärts-Wörter nach Farbansage mit kongruenten und inkongruenten Bewegungen reagieren; in einem zweiten Experiment wurden nur englische Wörter (L2) präsentiert. Bei beiden Experimenten zeigte sich, dass die Reaktionszeiten unter der kongruenten Bedingung systematisch kürzer sind als unter der inkongruenten Bedingung (vgl. ebd.: 16f.). Wörter wie Stern und star wurden also mit AufwärtsbewegungenAufwärtsbewegungen schneller verarbeitet, Wörter wie Wurzel und root schneller mit AbwärtsbewegungenAbwärtsbewegungen. Bei den L1-Wörtern im ersten Experiment ergab sich ein etwas stärkerer Effekt, aber auch bei den L2-Wörtern war der Unterschied zwischen der kongruenten und der inkongruenten Bedingung signifikant.
Dudschig et al. (2014: 18) schlossen noch ein drittes Experiment im gleichen methodischen Design an, nur wurden in diesem Fall L2-Emotionsausdrücke präsentiert: Adjektive wie happy, joyful, sad, depressed etc. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die embodiment-theoretische Auffassung, dass die sprachliche Verarbeitung von abstrakten Emotionsbegriffen mit Erfahrungsspuren verknüpft ist, die auf Situationen zurückgehen, in denen die benannten Emotionen erlebt und wahrgenommen wurden (Kap. 2.2). Als Teil der Erfahrungsspuren könnten dann ebenfalls Körperhaltungen und Bewegungen prägend sein. Positive Emotionsausdrücke wie fröhlich und freudig würden mit aufrechten, dynamisch nach oben gerichteten Körperhaltungen und Bewegungen korrespondieren, negative Emotionsausdrücke wie traurig und deprimiert entsprechend mit dem Gegenteil (erinnere auch Abb. 2.7, 2.8). Dudschig et al. erwarteten vor diesem Hintergrund auch bei den Emotionsadjektiven einen Kongruenzeffekt und das dritte Experiment bestätigte dies. Positive Emotionsadjektive wurden mit Aufwärtsbewegungen systematisch schneller verarbeitet, negative Emotionsadjektive schneller mit Abwärtsbewegungen.
Insgesamt lässt sich folgendes Zwischenfazit ziehen: Dass eine Passung von motorisch-sensorischer Erfahrungsspurmotorisch-sensorische Erfahrungsspur und originärer Bewegungoriginäre Bewegung die Sprachverarbeitung im Vergleich zu einer Nicht-Passung beschleunigen kann und dass dies auch in einer Sprache, die nicht als Erstsprache erworben wurde und also den Status einer Lerner:innensprache hat, gelten kann – diese Beobachtung ist für didaktische Überlegungen bedeutsam. Denn eine schnellere Sprachverarbeitung lässt ggf. auch eine Entlastung des Lernprozesses erwarten. Indirekt wird also für die Didaktik impliziert, dass motorische und sensorische (wahrnehmungsbezogene) Erfahrungen den sprachlichen Lernprozess erleichtern können, wenn die motorisch-sensorischen Erfahrungen in einem funktionalen bzw. sinngebenden Bezug zum Lerngegenstand/Lernziel (z. B. Wortschatz/Wortschatzerweiterung) stehen (vgl. Kiefer & Trumpp 2012: 16).
Auch aus der Reaktionszeitstudie von Bergen et al. (2010) lassen sich entsprechende Implikationen ableiten. Hier steht allerdings die Passung bzw. Nicht-Passung von Wörtern und Bildern im Fokus; genauer von Verben, die eine motorische Tätigkeit beschreiben (z. B. laufen, tanzen, kratzen, Kaugummikauen), und von Bildern, die visuell abbilden, wie die Tätigkeit von einer Person (im Bild als Strichmännchen skizziert) ausgeführt wird (Abb. 2.12).
Den Hintergrund bilden EEG-Studien, die belegen, dass bei der sprachlichen Verarbeitung von Tätigkeiten, die mit bestimmten Körperteilen ausgeführt werden (z. B. laufen mit den Füßen und Beinen vs. kratzen mit Hand und Arm) neuronal jeweils die gleichen Areale des motorischen und prämotorischen Cortexes aktiviert werden wie bei einer mit den betreffenden Körperteilen physisch ausgeführten Tätigkeit (Bergen et al. ebd.: 969; erinnere auch die zu Beginn dieses Abschnittes erwähnte Studie von Hauk, Johnsrude & Pulvermüller 2004). Dabei unterscheiden sich die aktivierten Cortexregionen in Abhängigkeit der jeweils agierenden Körperteile – bei Fuß-/Bein-Bewegungen ist also eine andere Region aktiv als bei Hand-/Arm- und wieder eine andere bei Mund-/Gesicht-Bewegungen.
Bergen et al. wollten nun herausfinden, ob die Beobachtung, dass die sprachliche Verarbeitung eines Tätigkeitsverbs eine bestimmte, körperteilspezifische Hirnregion beansprucht – die gleiche, die auch für die Ausführung der Tätigkeit benötigt wird – auch funktional relevant für den sprachlichen Verstehensprozess ist (ebd.: 970). Wenn nach der Embodied-Cognition-Theorie unsere Begriffe von motorischen Aktionen unmittelbar auf den eigenen physischen Erfahrungen und Wahrnehmungen der originären motorischen Aktionen basieren und wenn Erfahrungsspuren auch auf kognitiver Ebene für die Sprachverarbeitung wesentlich sind, dann sollten Unterschiede und Gemeinsamkeiten, die sich zwischen motorischen Aktionen auf der physischen Ausführungsebene ergeben, auch die Sprachverarbeitung beeinflussen können.
Man mache sich dafür klar, dass sich Tätigkeiten, die bei der Ausführung die gleichen Körperteile beanspruchen, stärker ähneln als solche, die von unterschiedlichen Körperteilen ausgeführt werden. Die Beanspruchung gleicher Körperteile wird körperlich auch dadurch nachvollzogen, dass sich zwei Tätigkeiten ggf. gegenseitig blockieren oder behindern, während ‚unähnliche‘ Tätigkeitenunähnliche Tätigkeiten eher miteinander vereinbar sind und parallel ablaufen können (ebd.: 971). Stellen Sie sich z. B. vor, Sie laufen einen Joggingpfad entlang. Dann können Sie kaum gleichzeitig (während des Laufens) einen Walzer tanzen.2 Sich beim Laufen dagegen mit der Hand am Arm zu kratzen, ist sehr viel eher kompatibel. Lauf- und Tanzbewegung beanspruchen beide hauptsächlich Füße/Beine, das Kratzen dagegen Hand und Arm (vgl. Abb. 2.12).
Visualisierungen der Verben laufen und kratzen (Bergen et al. 2010: 971)
Um die funktionale Relevanz der körperlichen Ähnlichkeit/Unähnlichkeit von motorischen Aktionen für den sprachlichen Verstehensprozess nachzuweisen, präsentierten Bergen et al. ihren Proband:innen auf einem Computerbildschirm jeweils Paare von (a) einem Bild mit einem Strichmännchen, das eine bestimmte motorische Aktion ausführt (vgl. Abb. 2.12), und (b) einem agentiven Verb mit dynamischer Aktionsart (z. B. laufen, tanzen, kratzen). Die Proband:innen mussten möglichst schnell entscheiden, ob das Verb eine gute Beschreibung der visualisierten Tätigkeit darstellt oder nicht – ob also Wort und Bild die gleiche motorische Aktion repräsentieren oder nicht. Die Tätigkeiten beanspruchten entweder die Körperteile Mund/Gesicht, Hand/Arm oder Fuß/Bein.
Bergen et al. erwarteten, dass die physische Ähnlichkeit/Unähnlichkeit der Tätigkeiten, die mit einer Aktivierung von gleichen/verschiedenen motorischen Cortexregionen einhergeht, auch die visuelle Wahrnehmung und die sprachliche Verarbeitung der motorischen Aktionen beeinflusst. Das bedeutet, experimentell interessant waren für sie gerade die Fälle, bei denen das Verb nicht zum Bild passt (z. B. das Bild zeigt ein laufendes Strichmännchen und das Verb ist kratzen). Dabei vermuteten Bergen et al., dass die Proband:innen systematisch mehr Zeit benötigen, eine Nicht-Passung zu identifizieren, wenn die visualisierte Tätigkeit und die benannte Tätigkeit die gleichen Körperteile beanspruchen (z. B. Lauf-Bild ≠ tanzen), als wenn unterschiedliche Körperteile involviert sind (Lauf-Bild ≠ kratzen). Das Erkennen, dass das Verb tanzen etwas anderes bedeutet, als das Lauf-Bild visualisiert, sollte also signifikant länger dauern als das Erkennen, dass das Verb kratzen das Lauf-Bild nicht adäquat beschreibt.
Bergen et al. (2010) konnten mit ihrer Studie genau dies nachweisen – und das nicht nur für zwei verschiedene Erstsprachen (Englisch und Kantonesisch3). Sie belegten überdies, dass die Zusammenhänge