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      WANDRUSZKAWandruszka unterscheidet durch den Vergleich vorliegender Übersetzungen für Gefühlsbezeichnungen, wie Hunger, Angst, Schmerz, Lust, Freude, Glück usw., wie diese Gefühle in den verschiedenen SprachenSprache ausgedrückt werden:

      „Für die Römer war anxius, später anxiosus ‘angsterfüllt, beunruhigt’. Im Spanischen, im Italienischen aber kann ansioso, im Englischen anxious bald ‘angstvoll’, bald ‘begierig’ sein. (…) Diese Wanderung des Wortes von ‘angstvoll’ bis zu ‘begierig’, – und oft zu einem gesellschaftlich formelhaften, liebenswürdig bemühten ‘begierig’, ‘bestrebt’ –, bezeigt uns die DynamikDynamik des menschlichen Sprechtriebs, des spontanen Denkens in Metaphern und Metonymien, des impulsiven Sprechens und Gesprächs, die von SpracheSprache zu Sprache zu anderen Ergebnissen geführt haben. So kann anxiety, weit entfernt von jeder Beklemmungsangst, die Sorge, das Bemühen sein. Im Italienischen aber bedeutet erst recht ansia und ansietà, im Spanischen ansia und ansiedad bald Beklemmung, Angst, bald Unruhe, Ungeduld, bald Begierde, Sehnsucht!“ (WANDRUSZKAWandruszka 1984:44/45).

      2.4 Das linguistische RelativitätsprinzipRelativitätsprinzip (Sapir/WhorfWhorfSapir/Whorf-Hypothese)

      Die Gleichsetzung von DenkenDenken und Reden und die These der mehr oder minder totalen Determiniertheit der Wirklichkeitserfassung durch die Struktur der SpracheSprache(n) ist Gegenstand des „linguistischen Relativitätsprinzips“, wie es BenjaminBenjamin Lee WHORFWhorf 1956 formuliert hat1Whorf:

      Aus der Tatsache der Strukturverschiedenheit der Sprachen folgt, was ich das „linguistische RelativitätsprinzipRelativitätsprinzip“ genannt habe. Es besagt, grob gesprochen, folgendes: Menschen, die Sprachen mit sehr verschiedenen Grammatiken benützen, werden durch diese Grammatiken zu typisch verschiedenen Beobachtungen und verschiedenen Bewertungen äußerlich ähnlicher Beobachtungen geführt. Sie sind daher als Beobachter einander nicht äquivalent, sondern gelangen zu irgendwie verschiedenen Ansichten von der Welt. (…) So geht zum Beispiel die Weltansicht der modernen Naturwissenschaft aus der höher spezialisierten Anwendung der grundlegenden GrammatikGrammatik der westlichen indoeuropäischen Sprachen hervor (1963:20f).

      Um seine These einer Kausalrelation zwischen grammatischer Struktur und WeltbildWeltbild zu belegen, kontrastiert WHORFWhorf Sprach- und Denkstrukturen der Hopi-Indianer in Arizona und der Azteken in Mexiko mit dem Englischen, das er als Hauptbeispiel der „SAE-Sprachen“ (Standard Average European) bezeichnet. Dabei glaubte er – insbesondere hinsichtlich der Raum-Zeit-Auffassungen – grundlegende Unterschiede feststellen zu können. In seiner Sicht der Dinge wurde WHORF von Edward SAPIR, seinem Lehrer an der Universität Yale, unterstützt.

      Die Grundthese hat SAPIR so ausgedrückt: „No two languages are ever sufficiently similar to be considered as representing the same social reality. The worlds in which different societies live are distinct worlds, not merely the same world with different labels.“2

      Deshalb hat sich für den BegriffBegriff des linguistischen Relativitätsprinzips auch die BezeichnungBezeichnung „Sapir/WhorfSapir/Whorf-Hypothese“ durchgesetzt. Keine zwei Sprachen und keine zwei Kulturen seien ähnlich genug, um dieselbe Wirklichkeit abzubilden. Mit dieser Hypothese hat sich die SprachwissenschaftSprachwissenschafts. Linguistik eingehend auseinandergesetzt, jedoch liegen bis heute kaum Untersuchungen vor, die das RelativitätsprinzipRelativitätsprinzip umfassend untermauert hätten.

      Als direkte Konsequenz aus dem linguistischen RelativitätsprinzipRelativitätsprinzip folgt das Axiom, dass Sprachen ihrem Wesen nach unübersetzbar seien. Jede Übersetzung würde die sprachlichen Inhalte einer MutterspracheMuttersprache in solche einer anderen Muttersprache transponieren, die beide ja unterschiedliche geistige Zwischenwelten darstellen. Entscheidend ist hier, dass allein die Sprachen mit ihren Wortinhalten und ihrer GrammatikGrammatik in den Blick genommen werden. Während HUMBOLDTHumboldt aus sprachphilosophischen Gründen alles ÜbersetzenÜbersetzen für unmöglich hielt, sahen andere, wie z.B. Mario WANDRUSZKAWandruszka, noch eine gewisse Möglichkeit der Übertragung durch den „Geist der SpracheSprache“. Jene relativistische Auffassung ist weit verbreitet. Wenn aber Sprachen als direkter AusdruckAusdruck einer KulturKultur, einer nationalen Eigentümlichkeit gesehen werden, dann können fremde Texte immer nur annähernd übertragen werden. Die „UnübersetzbarkeitUnübersetzbarkeit“ eines fremden Weltbildes sperrt fremdsprachige Texte gegen eine Aneignung.

      2.5 Formbetontes ÜbersetzenÜbersetzen (BenjaminBenjamin)

      Die Auffassung des Verfremdens im Übersetzen (s. Kap. 2.2) findet sich auch bei Walter BENJAMINBenjamin (1892–1940), der sich in dem Aufsatz „Die Aufgabe des Übersetzers“1Störig 1923 als Dichter gleichfalls zur Übersetzung des literarischen Kunstwerks geäußert hat. Er geht von der Existenz einer reinen Sprache vor dem babylonischen Sündenfall aus und betont die Selbstgeltung des Kunstwerks, völlig unabhängig von dessen RezeptionRezeption: „Denn kein Gedicht gilt dem LeserLesers. Empfänger, kein Bild dem Beschauer, keine Symphonie der Hörerschaft“ (ebd.:156). Und dabei ist die Gestalt das wichtigste, die MitteilungMitteilung des Textes eher nebensächlich.

      BENJAMINS Sprach- und ÜbersetzungstheorieÜbersetzungstheorie liegt der Gedanke zu Grunde, dass das mimetische (abbildende) Prinzip für die Besonderheit der Einzelsprachen verantwortlich sei2Benjamin (s. Kap. 2.1) und die „onomatopoetische Erklärungsweise“ dafür noch am ehesten in Frage kommt. Er hebt die Besonderheit und Nichtvertauschbarkeit des einzelnen Wortes hervor und denkt dabei vor allem an die FormForm, der InhaltInhalt ist ihm weniger wichtig:

      Was aber außer der MitteilungMitteilung in einer Dichtung steht – und auch der schlechteste ÜbersetzerÜbersetzer gibt zu, daß es das Wesentliche ist –, gilt es nicht allgemein als das Unfaßbare, Geheimnisvolle, ‘Dichterische’? Das der Übersetzer nur wiedergeben kann, indem er auch dichtet? (Aufgabe, S. 156)

      BENJAMINBenjamin kommt es darauf an, den AusdruckAusdruck des Originals, sein „Wie“, in der ZielspracheZielspraches. ZS nachzubilden. Er bezeichnet dieses „Wie“ als „Die Art des Meinens“, die er sorgfältig vom inhaltlich „Gemeinten“ unterscheidet: „In ‘Brot’ und ‘pain’ ist das GemeinteGemeinte zwar dasselbe, die Art, es zu meinen, dagegen nicht. In der Art des Meinens nämlich liegt es, daß beide Worte dem Deutschen und Franzosen je etwas Verschiedenes bedeuten, daß sie für beide nicht vertauschbar sind, ja sich letzten Endes auszuschließen streben; am Gemeinten aber, daß sie, absolut genommen, das Selbe und Identische bedeuten“ (Aufgabe, S. 161).

      BENJAMINBenjamin betont das „Magische in der SpracheSprache“ und beruft sich auch auf SCHLEIERMACHERSchleiermacher, der ja mit HUMBOLDTHumboldt den Geist als wesenhaft in der Sprache gebunden sah. Der ÜbersetzerÜbersetzer soll versuchen, in seiner eigenen Sprache jene „Art des Meinens“ des fremden Textes nachzubilden:

      Die wahre Übersetzung ist durchscheinend, sie verdeckt nicht das OriginalOriginals. Ausgangstext, steht ihm nicht im Licht, sondern läßt die reine SpracheSprache, wie verstärkt durch ihr eigenes Medium, nur um so voller aufs OriginalOriginals. Ausgangstext fallen. Das vermag vor allem WörtlichkeitWörtlichkeit in der Übertragung der SyntaxSyntax, und gerade sie erweist das Wort, nicht den Satz als das Urelement des Übersetzers. Denn der Satz ist die Mauer vor der Sprache des Originals, Wörtlichkeit die Arkade. (Aufgabe, S. 166)

      BENJAMINS ÜbersetzungstheorieÜbersetzungstheorie hat vor allem im englischen Sprachraum bis heute stark nachgewirkt, wo Theorien die wörtliche Übersetzung besonders betonen. BENJAMINBenjamin meinte ja: „Die Interlinearversion des Heiligen Textes ist das Urbild oder Ideal aller Übersetzung“ (Aufgabe, S. 169). Damit aber wird Übersetzung zur Utopie.

      2.6 Dekonstruktion und UnübersetzbarkeitUnübersetzbarkeit (DerridaDerrida)

      In einer sog. postmodernen Literaturtheorie und Philosophie, der u.a. von Jacques DERRIDADerrida (1930–2004) und Paul DE MAN begründeten „Dekonstruktion“, wird die These von der UnübersetzbarkeitUnübersetzbarkeit