Название | Kontextsensibler Fremdsprachenunterricht |
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Автор произведения | David Gerlach |
Жанр | Документальная литература |
Серия | narr studienbücher |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783823301110 |
Tab. 2: Charakteristika des Fremdsprachenlernens vor und nach der Kommunikativen Wende.
Gut zu wissen
Durch die mittlerweile bereits lange Tradition des Kommunikativen AnsatzesKommunikativer Ansatz hat dieser zahlreiche Entwicklungen durchgemacht, die oben angesprochenen Prinzipien und Orientierungen sind als Resultate dieser Entwicklungen zu werten. Parallel dazu ist allerdings auch die „Mythenbildung“ rund um den Kommunikativen Ansatz und kommunikativen Fremdsprachenunterricht groß. Hier einige der Mythen, welche – streng von der ursprünglichen Theorie des Kommunikativen Ansatzes ausgehend – in ihrer Absolutheit nicht korrekt sind (vgl. Spada 2007):
1 Der Kommunikative Ansatz betont primär Hörverstehen und Sprechen.
2 Im Sinne des Kommunikativen Ansatzes zu unterrichten bedeutet, die Muttersprache der Lernenden weitgehend unberücksichtigt zu lassen.
3 Kommunikativer Ansatz heißt auch immer Lernerorientierung.
4 Mit dem Kommunikativen Ansatz lässt sich Grammatikvermittlung vernachlässigen.
Über diese primär auf die Inhalte und die Sprachkompetenzen der Lernenden fokussierten Prinzipien hinaus ist zudem in didaktischer Hinsicht die Förderung interkultureller Kompetenz in Ergänzung zur kommunikativen Kompetenzkommunikative Kompetenz – insbesondere seit den 1990er Jahren beeinflusst durch die Arbeiten von Michael Byram (1997) und Claire Kramsch (1993) – in den Fokus der Fremdsprachendidaktik geraten (siehe Kapitel 2). Das Konzept der „LandeskundeLandeskunde“, also die didaktisierte Darstellung bestimmter Charakteristika, Eigenheiten und Bräuche der Zielsprachenländer wurde zum Ende des vergangenen Jahrhunderts weitgehend aufgegeben zugunsten der Förderung von interkultureller kommunikativer Kompetenzinterkulturelle kommunikative Kompetenz. Diese zielt stärker darauf ab, sich seiner eigenen Kultur(en) bewusst zu sein und in Interaktion und kommunikativem Austausch mit Sprechenden der Zielsprache bzw. über möglichst authentische Medien und Materialien darüber bewusst zu werden, dass auch diese nicht nur stereotypisiert eine Kultur vertreten, sondern diverse Ansichten, Einstellungen und Traditionen aufweisen können, welche sich wiederum im ständigen Fluss befinden.
Die post-methodische Ära
Diskussionen um methodische Ansätze und die mittlerweile fokussierten Prinzipien für ein erfolgreiches Fremdsprachenlernen, haben Überlegungen dahingehend angestoßen, ob wir uns nicht in einer post-methodischen Ärapost-methodische Ära befinden, in einer Zeit also, in der man nicht mehr davon sprechen kann, dass man eine bestimmte MethodeMethode oder einen bestimmten AnsatzAnsatz verwendet (vgl. z.B. Summer 2012). Insbesondere die universelle Gültigkeit (und damit die Wirksamkeit) einer einzelnen Methode oder eines einzelnen Ansatzes, wie sie von ihren Befürwortern häufig proklamiert wurde, wird in Frage gestellt (vgl. Prabhu 1990).
Aktuell gilt international wie auch in Deutschland aufgabenorientiertes Fremdsprachenlernen/-lehrenAufgabenorientierung (Task-based Language Teaching, TBLT) als Ausprägung des kommunikativen Ansatzes als das Nonplusultra, wir können sogar selbst als Befürworter dieses Ansatzes benannt werden (z.B. Leupold 2008/2010, Gerlach et al. 2012). Obwohl Lernaufgaben häufig als sehr offenes Instrumentarium für methodisch-didaktische Entscheidungen (und daher auch im deutschsprachigen Raum eher als „Ansatz“, weniger als „Methode“ wie international) charakterisiert werden, wird auch an TBLT wiederholt Kritik geübt. Schon 1999 führte Seedhouse beispielsweise auf, dass vermeintlich als interaktiv konzipierte Aufgaben tatsächlich nur wenig Sprache auf Seiten der Lernenden produziert. Auch wird die Wirksamkeit von TBLT generell für größere Lerngruppen in Frage gestellt (vgl. Swan 2005), primär dann, wenn der Ansatz beispielsweise in Ländern implementiert wird, in denen traditionell eher geschlossenere Unterrichtsformen Anwendung finden wie beispielsweise in Asien (vgl. Hu 2002). Und auch deutsche Lehrwerke und -materialien zeigen (noch) keine durchgehend stringente Verwendung (komplexer) Lernaufgaben wie sie von Willis/Willis (2007) oder Hallet (2012) konzeptualisiert werden.
Zu einer post-methodischen Ära gehört damit in unseren Augen auch, dass Fremdsprachenlehrkräfte selbst sich keinem bestimmten Ansatz verpflichtet fühlen. In Gesprächen mit Lehrerinnen und Lehrern zur Vorbereitung dieses Buches wurde von diesen primär ziel- bzw. kompetenzorientiert mit dem Fördern der kommunikativen Kompetenz argumentiert, keine Lehrkraft führte aber dezidiert Lernaufgaben, Aufgabenorientierung, traditionelle Methoden oder Ähnliches an. Das methodisch-didaktische Repertoire für modernen Fremdsprachenunterricht ist damit eher eklektischer Natur, bedient sich also verschiedenster Konstrukte und Konzepte, die der Fremdsprachenunterricht einfordert oder – und das ist uns an dieser Stelle besonders wichtig – welche die Fremdsprachenlehrkraft situativ als notwendig interpretiert. Dadurch klafft auch ein Stück weit eine Lücke zwischen der fachdidaktischen Theorie und der realen Unterrichtspraxis, die logischerweise von Lehrkräften wiederholt bemängelt wird. Penny Ur (2013), die die Englischdidaktik international geprägt hat, bekräftigt die sehr individuelle Ausführung seitens der Fremdsprachenlehrkräfte als „situierte bzw. situative Methodologie“, die wir an späterer Stelle hinsichtlich unserer Idee des kontextsensiblen Fremdsprachenunterrichts noch weiter vertiefen werden:
Many successful teachers […] are in fact using situated methodologies in their classrooms, rejecting any particular method in favour of a selection of principles and procedures that accord with their own sense of plausibility and are appropriate to the local context. (ebd.: 473)
Ein ebenfalls internationaler Vertreter eines „post-methodischen Zeitalters“ in der Fremdsprachendidaktik ist Bala Kumaravadivelu (2003/2006), der zum einen den traditionellen Methoden wie auch dem kommunikativen Ansatz unterstellt, dass sie in der Vergangenheit primär zum Zwecke der Imperialisierung bzw. Förderung von Abhängigkeiten genutzt werden und zum anderen die Begrenztheit des Begriffs der „MethodeMethode“ an sich als für die heutige Zeit unpraktikabel kritisiert. Für Kumaravadivelu bedeutet das Festhalten am Methodenbegriff ein Warten auf die perfekte, Fremdsprachenlernen ultimativ ermöglichende Methodik, die niemals kommen wird.
Moment der Reflexion
Kumaravadivelu unterstellt Methoden eine gewisse (imperialistische) Ideologie. Auch wenn dieser Gesichtspunkt für den deutschsprachigen schulischen Fremdsprachenunterricht von geringer Relevanz zu sein scheint, ist sein Argumentationsstrang durchaus interessant: Kumaravadivelu argumentiert, dass durch die Ausbildung nicht-muttersprachlicher Fremdsprachenlehrkräfte in anderen Ländern (z.B. indische Englischlehrkräfte in Indien) bestimmte methodische Ansätze benutzt werden, um das Fremdsprachenlernen zu fördern. Gleichzeitig werden diese Ansätze dafür genutzt, dass sowohl die Fremdsprachenlehrkräfte wie auch die -lernenden durch den Kompetenzzuwachs und die Grenzen, die die entsprechende Methode aufweist, in einer gewissen Abhängigkeit verbleiben. Dies könnte auf den deutschen Fremdsprachenunterricht insofern übertragen werden, als dass die Dominanz des Lehrwerks – sofern sie nicht von der Lehrkraft aufgebrochen wird – hier auch eine gewisse Steuerung übernimmt. Und dies gilt offenbar nicht nur für unseren Kontext, was im Zusammenhang mit den Diskussionen