Es ist 1951. Frühmorgens klingelt es an der Tür. Tausende von Familien in Budapest und anderen ungarischen Städten erhalten den Deportationsbefehl. Sie haben 24 Stunden Zeit, ihr Zuhause zu verlassen. Sie werden enteignet, in abgelegene Dörfer umgesiedelt oder in Arbeitslager geschickt. Betroffen sind Intellektuelle, Unternehmer, ehemalige Spitzenbeamte, Offiziere, Aristokraten, wohlhabende Bauern, unbequeme «Genossen» und all jene, die das kommunistische Regime als Staats- und Klassenfeind deklariert. Kinga Széchenyi beschreibt die Geschichte der Deportationen in Ungarn in den 1950er Jahren. 36 Zeitzeugen berichten anschaulich und aufwühlend aus dem Alltag deportierter Familien.
Wir erinnern uns nicht gerne, aber wir müssen uns erinnern… wir müssen uns an diese Ereignisse erinnern, um gegen zukünftige Diktaturen kämpfen zu können. Mit diesen Worten leitet Kinga Széchenyi ihr Buch ein, das sich mit der internen Deportation und dem Versuch der Eliminierung ungarischer Eliten durch das ungarische kommunistische Regime auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges befasst. Dieses akribisch recherchierte und sehr persönliche Buch erzählt detailliert die Geschichte der Internierung der ungarischen Oberschicht (Aristokratie, Militärs, Unternehmer) sowie der wohlhabenderen Bauern unter dem Regime von Mátyás Rákosi (1947-1953). Die ungarische Geschichte unter der Führung von Rákosi war geprägt von diktatorischer Kontrolle und Gräueltaten von beispiellosem Ausmaß. Rákosi und seine Mitstreiter waren ungarische Kommunisten, die zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg in der Sowjetunion indoktriniert und ausgebildet worden waren und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Ungarn zurückgeschickt wurden. Die ungarischen Kommunisten übernahmen schnell die totale Kontrolle über das Land, das damals von sowjetischen Truppen besetzt war, wie es auch in den anderen Ländern Mittel- und Osteuropas der Fall war. Das ungarische Regime unter der Führung von Rákosi übte eine totale, diktatorische Kontrolle aus, während sie selbst Marionetten der Sowjetunion waren. In der proletarischen Diktatur werden ausgewählte Gesellschaftsschichten und Gruppierungen zu Feinden und Sündenböcken erklärt. Im Falle Ungarns waren das diejenigen, die noch oder bis 1945 Privateigentum besaßen, in hohen zivilen oder militärischen Positionen tätig waren und deren Vorstellungen von der kommunistischen Ideologie abwichen. Die Machthaber versuchten, die breite Bevölkerung davon zu überzeugen, dass diese «Klassenfeinde» Schuld an der desolaten Lage des Landes seien. Das Rákosi-Regime war gekennzeichnet durch Hausdurchsuchungen, Abhöraktionen, Verhaftungen, dem Verschwinden von Personen, Säuberungen und Schauprozessen. Viele Menschen wurden inhaftiert, in Internierungs- und Zwangsarbeitslager gesteckt und viele tausend Familien wurden deportiert. Wie in der Sowjetunion war das Versprechen der ungarischen Diktatur Freiheit und Gleichheit, die mithilfe eines brutalen und gleichgeschalteten Systems durchgesetzt werden sollte. Der erste Teil dieses Buches beschreibt die Gräueltaten des Rákosi-Regimes und präsentiert das Ergebnis umfangreicher Recherchen in historischen Dokumenten und Archiven. Im zweiten Teil des Buches berichten die Deportierten selbst über ihre Erfahrungen. Diese persönlichen Erinnerungen und Lebensgeschichten von Frauen und Männern veranschaulichen die privaten Tragödien und die langfristigen Folgen der Deportationen in Ungarn. Es ist das Verdienst von Kinga Széchenyi, in diesem Band einen systematischen Überblick zu den Grundlagen und Rahmenbedingungen der Deportationen zu geben und dem Leser vielfältige Einblicke in die Lebenswelt der Deportierten zu ermöglichen – ganz nach dem Motto: nur wer weiß, wozu Diktaturen imstande sind und wie ihre Mechanismen funktionieren, kann sie wirkungsvoll bekämpfen.