Der ‚schmale‘ Band enthält fünf Texte, die einen Umfang zwischen neun Seiten und einem Satz haben. Das zentrale Thema betrifft den Wechsel von einer papiernen Ausstattung von Büchern hin zu einer digitalen. Die Texte können auch als eine untergliederte Rede gelesen werden, in der eine Überforderung im digital orientierten Segment ebenso zur Sprache kommt, wie die Marktprobleme der traditionell ausgerichteten Branche. Den Wechsel erörtert Ammern pointiert im zweiten Text „Die Zäsur“, im dritten Text gerät ‚Kultur‘ in massive Kritik, erst der vierte und vorletzte Text beschäftigt sich mit dem ‚digitalen Blütenland‘, u.a. aus der Perspektive einer Quantenmechanik.
Mark Ammern kombiniert in „Storming“ Sprechtheater, Musik und Performance. Das Stück spielt in einem ehemaligen Theater und richtet sich gegen die ‚neoliberale Revolution‘ und die Menschen, die sie betreiben bzw. erdulden. Die gesellschaftliche Veränderung wird im Gespräch bis in die Utopie, das ‚Reich Gottes‘ verfolgt, den Tod, das verbliebene ‚mysterium tremendum‘ einer scheinbar aufgeklärten Welt. Das Stück ist sprachanalytisch inspiriert und kritisch gehalten. Die ungewohnte Sichtweise kann befremden, weil es nicht primär um psychische Ereignisse wie Denken und Bewusstsein geht, sondern direkt um Sprache und ihre Bezüge. Gleich zu Beginn wird ein relevanter Fall erörtert: Worauf bezieht sich umgangssprachlich ‚Musik‘, wenn nicht über Musik, sondern über Empfindungen gesprochen wird? Im gesamten Stück bleibt ungewiss, ob es sich bei den Personen um Menschen oder um Aliens handelt. Im Gespräch macht sich eine Distanz zu den Menschen bemerkbar. Es könnte sich auch um Weltraumnomaden handeln, die schauen wollten, was aus den Menschen geworden ist. Die konzeptionell integrierte Musik stammt von Helge Bol und ist in ungewohnter Weise skalenbasiert. Eine unkonventionelle Choreographie von Bewegungen ist vom jeweiligen Theater zu entwickeln.
Die im Mittelalter entstandene Institution Siechenhaus (Seuchenhaus), an die nur noch ein Straßenname erinnert, wird einem Touristenführer zum Anlass, zu erwägen, was ein Siechenhaus heute sein könnte, um es den Besuchern der Stadt zeigen und präsentieren zu können. Er bietet den Touristen an, eine WildCard zu nutzen, um ungehemmt projezieren zu können. Weil diese Einladung fehlschlägt, nutzt er selber eine WildCard und führt die Besucher in eine gerontologische Klinik, in der bereits eine Frau aus der Abteilung Öffentlichkeit die Ankömmlinge erwartet …
Diese Handlungsperspektive bietet den Auftakt von Ammerns Prosa „Siechenhaus“, die noch viele weitere Überraschungen bereithält, z.B. eine Hospizstation, die in der Klinik als Himmel gilt. Erzählt wird keine traditionelle Geschichte. Stattdessen rücken Gespräche ins Zentrum, unter Beteiligung der Besucher. Außer der thematisch naheliegenden demografischen Entwicklung kommt zur Sprache, weshalb der Ort in hervorragender Weise ohne Kultur auskommt, ohne auf Künste verzichten zu müssen.
Die Prosa ist vom Umfang her nicht so ausladend wie herkömmliche Bücher. Inklusive Titelei käme man auf ca. 35 Seiten. Deshalb ist der Preis moderat gehalten.
Nach seiner Herausgabe der ‚Analytischen Belletristik‘ (2014), in der es primär um geeignete Kriterien ging, legt Mark Ammern ein „literarisches Konzeptbüchlein“ vor, das konkret die Anfertigung von künstlerischer Literatur thematisiert. Sein gewählter Kontext ist die analytische Philosophie, keineswegs eine Literaturwissenschaft. Ammern erarbeitet Möglichkeiten des Schreibens und der sprachlichen Bezüge unter besonderer Berücksichtigung logischer als auch empirischer Möglichkeiten. Sein Resultat erlaubt nicht nur neue Blicke auf die Literaturgeschichte, sondern erläutert auch eine Wirklichkeit, die, gemessen an den literarischen Standardauskünften, aus einer fremden Galaxie stammen könnte.
Die präsentierten Gedichte haben keinen ‚Dichter‘ im Hintergrund, stattdessen bildet Ammern eine Figur aus, einen jungen Tänzer inmitten seines Milieus. ‚Erzählt‘ wird eine in drei Kapiteln gegliederte Szenenfolge, mal in der ersten, mal in der dritten Person. Es bleibt nicht aus, dass auch weitere Figuren auftauchen, beobachtet werden oder sich aktiv einmischen. Einige dieser Szenen erreichen mit angelegten Abschnitten relativ große Umfänge.
Die Besonderheit des ausgebildeten Tänzerfigur erlaubt, menschliches Handeln und Verhalten in das Zentrum zu rücken. Die Sprache gewinnt dadurch an Körperlichkeit und Härte. Als zusätzliche Mittel dienen u.a. ein Auslassen oder Zusammenziehen von Silben, geopfert werden z.B. die Fugen-S-Laute. Der Tänzer ‚übersetzt‘ sich sogar Erfahrenes in Performance, auch dichterische Vorgehensweisen. Die figurbezogene Ausrichtung der Gedichte ist eine interessante Anregung, weit über den von Ammern geprägten Tänzer hinaus.
Die Themen entstammen überwiegend dem Milieu: Beziehungen spielen eine Rolle, auch Liebesbeziehungen unter den Bedingungen auf Tour, beschäftigen sich mit Formen von Kreativität, am Rande auch mit ökonomisch-sozialen Verhältnissen und gesellschaftlichen Ereignissen wie der Raumfahrt. Zum Ende werden Fragen nach Figuren für ein neues Projekt in einem Tanzsaal aufgeworfen und Antworten dialogisch wie auch szenisch abgewogen.
Die Texte sind Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts entstanden. Die Gedichte erschienen erstmals in „Die Crux“ Mitte der neunziger Jahre. Mit dem vorliegenden eBook wird eine Auswahl präsentiert, die sich eng auf den jungen Tänzer konzentriert, auf „die Crux / Kontur im Getue / zu erblicken“. Diese speziellen Texte sind nun wieder zugänglich.
Die Briefe sind an fünf verschiedene Personen gerichtet. Das gemeinsame Thema Eros wird gleich im ersten Abschnitt in einer provozierenden Weise verarbeitet: Absender und Empfänger sind Figuren. Die untereinander gewährten Spielräume variieren. Geprägt sind die Beziehungen aber durch kommunikative Störungen und skurriles Verhalten, beruhen auf markanten Divergenzen, die bis in die Sprachauffassungen und das Sprachverhalten hineinreichen, ein Verstehen kaum mehr erlauben.
Verfasser ist ‚Per‘, ein Tänzer, der auch ein kleines Theater betreibt. Rückmeldungen auf seine Briefe sind, falls solche intendiert waren oder erfolgten, nur indirekt übermittelt. Im Anfang, gegenüber einer Assistenzärztin, die eine Kontaktanzeige geschaltet hatte, bricht dem Tänzer ein Konflikt zwischen seinem ‚imaginären‘ Ich und der eigenen ‚realen‘ Figur auf, doch nicht als gemeinhin innerers Dilemma, jedoch auch nicht als soziales. Fragen nach Erotik entstehen brieflich in dieser labilen Situation und finden, durch alle Kapitel hindurch, letztlich ‚nur‘ künstlerische Antworten.
Der Briefband ist erstmals im Jahr 2000 unter dem Titel „Per“ im Druck erschienen. Zwei Abschnitte waren zuvor in der Zeitschrift „ExKurs“veröffentlicht worden: „Irritationen“ in Ausgabe 1/97, „Die Tortur“ in 11/99. Die Textgestalt wurde vom Autor für die aktuelle Produktion neu durchgesehen, unter Berücksichtigung der neueren Rechtschreibreformen. Ammern folgt in der ‚Künstlerprosa‘ übrigens einer Nebenfigur aus: „Die Crux des Tänzers“.
Als Hintergrund: Die in Platons Gastmahl (203 c/d) wiedergegebene Ansicht von Diotima über Eros: “Zuerst ist er immer arm und bei weitem nicht fein und schön, wie die meisten glauben, vielmehr rauh, unansehnlich und unbedeckt schläft er vor den Türen und auf den Straßen im Freien und ist der Natur seiner Mutter gemäß immer der Dürftigkeit Genosse. Und nach seinem Vater wiederum stellt er dem Guten und Schönen nach, ist tapfer, keck und rüstig, ein gewaltiger Jäger, allezeit irgendwelche Ränke schmiedend, nach Einsicht strebend, sinnreich, sein ganzes Leben lang philosophierend, ein arger Zauberer, Giftmischer und Sophist.”
Dem Protagonisten, einem Opernsänger, gelingt es nicht nur seine Gegenspielerin, sondern auch sich selber zu überlisten. Ein Schelmenstück, das sprachlich gar nicht den Versuch unternimmt, in eine bürgerlich romanhafte Attitüde zu verfallen, sondern szenisch vorgeht und einen weiten Bogen spannt. Um Lesern die räumliche Orientierung zu erleichtern, wurde am Ende ‚Papagenos Weltkarte‘ beigefügt.
Robert ist gezwungen, eine Auszeit zu nehmen. In der Konfrontation mit Ereignissen und Umständen, die ihm beinahe das Leben gekostet hätten, sucht er nach Gründen und einem Weg, der aus der erlebten Geschichte um einen Schlaganfall führt. Seine Inszenierung umfasst Erinnerungen, Projektionen als auch Recherchen, macht vor einem außer Kontrolle geratenden Kreislauf, ebenso vor aufkommenden Angst- und Panikattacken nicht halt.
Ammern entwickelt für das psychologische Experiment, das um die Jahrtausendwende spielt, zwei Handlungsstränge. Die Geschehnisse ereignen sich in Parga, einem idyllischen, in der Nähe vom Acheron gelegenen Küstenort, den sich Robert für einen Erholungsurlaub ausgesucht hatte, und in Essen, mitten im Ruhrgebiet, wo er als Opernsänger unter Vertrag steht. Gefasst werden die beiden Stränge durch zwei Rahmenszenen, die ebenfalls in Essen spielen. Die Brüche markieren alternative Handlungsverläufe: Robert kann nicht zugleich in Parga und in Essen gewesen sein. Lesbar werden die Texte nur als literarische Ergänzungen, in denen die scheinbar empirische Unmöglichkeit zur Grundlage wird.
Die Brüche verbindet etwas: eine vertrackte Liebe, aus der keine Geschichte entstand … Bis diese Einsicht jedoch reift, ist von dem Bariton einiges aufzubieten: Papageno, der als Traumbild erscheint, ist ein wichtiges, aber nicht das einzige Element, an dem sich Robert abzuarbeiten hat. Projeziertes reicht weit zurück, u.a. bis zur Göttin Eris. Die Bekanntschaft mit einem Theologen führt ihn in eine negative Theologie, die sich ihrerseits mit Glaubensbegriffen der Aufklärung auseinandersetzt. Internet-Rechnerchen lassen ihn über einen Spiele-Clan stolpern … Zu betonen bleibt: Was man gemeinhin als Sinnsuche bezeichnen mag, thematisiert die Novelle nicht.