Aus dem Inhalt: Der einfache Menschenverstand müßte einem sagen: ein Mensch, dem es gelungen ist, Gold auf künstlichem Wege herzustellen, welche Veranlassung sollte der gehabt haben, Rezepte preiszugeben und obendrein in verhüllter oder besser gesagt, unverständlicher Form?
Darauf läßt sich nur erwidern: wir dürfen an Menschen der damaligen Zeit nicht den Maßstab anlegen, der für den heutigen Durchschnittsmenschen Gültigkeit haben könnte. Ist denn nicht auch die Bibel symbolisch geschrieben? Sind es nicht desgleichen die Kabbala, die alten indischen heiligen Bücher, die Vorschriften des Yoga, die Edda und so viele andere? Die Gründe ausführlich auseinanderzusetzen, weshalb man im Altertum und im Mittelalter Geheimnisse nur andeutete, indem man ihnen ein symbolisches Mäntelchen umhing, dazu fehlt hier der Raum. Man könnte einen Band darüber schreiben.
Es genügt, hier zu sagen: die Verfasser solcher Schriften gingen unter anderem von der Anschauung aus: wem die Intuition mangelt, das Geheimnis selber herauszufinden, der ist nicht wert, es zu wissen. Wem es sich aber auf diesem Wege der innern Eingebung enthüllt, dem will es die Vorsehung geben, und er hat es sich auch gewissermaßen verdient, denn zur Erweckung einer solch scharf ausgeprägten Intuition gehört Mühe, Ausdauer und ein brennender, von keinem Mißerfolg abschreckbarer Eifer – kurz das, was einem zum Yoga Berufenen gehört und vonnöten ist. In einen kurzen Satz gefaßt: die Autoren hatten Angst vor persönlicher Verantwortung und legten sie in die Hand der Vorsehung. Die Voraussetzung für ein so vorsichtiges Gewissen wäre immer die, daß ein solcher Autor von sich selbst genau gewußt hätte: ich besitze das Geheimnis. Andernfalls wäre eine verhüllte Sprache der Ausfluß einer albernen Geheimnistuerei gewesen. Und eine derartige Handlungsweise ist, wie ich schon im Anfang meiner Einleitung gesagt habe, Männern wie Paracelsus, Thomas von Aquino und andern kaum zuzumuten. Es bliebe also nur die Schlußfolgerung übrig: ja, es hat Menschen gegeben, die das Geheimnis besaßen.
Ist es nun erwiesen, daß sie tatsächlich Gold hergestellt haben? Liest man die alten Berichte über angeblich geschehene Transmutationen, so kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Ich werde einige solcher Berichte am Schluß dieser Einleitung bringen. Der Leser möge sich dann selber ein Urteil bilden, was er von ihnen zu halten hat.
Erstveröffentlichung: 1925 2. E-Book-Auflage 2018 Umfang: ca. 65 Buchseiten
"Ihr nennt ihn den stummen Ochsen; ich sage euch,dass dieser stumme Ochse einmal so laut brüllen wird, dass sein Gebrüll die Welt erfüllt." ALBERTUS MAGNUS
Innerhalb des imposanten Gesamtwerks des Thomas von Aquin ist dieser kleine Traktat leicht zu übersehen – und dennoch ist De ente et essentia wahrscheinlich die meistgelesene Schrift des großen mittelalterlichen Theologen. Und dies zu Recht, bietet sie doch in äußerst prägnanter Form die metaphysischen Grundlagen, das Grundgerüst der aristotelischen Metaphysik, das uns das Werk des Thomas von Aquin zuallererst erschließt.
Während Thomas von Aquin von seinen Mitschülern belächelt wurde, erkannte sein Lehrer Albertus Magnus schon früh das Talent des ruhigen Schülers. Albert sollte recht behalten, Thomas von Aquin ist bis heute einer der bedeutendsten christlichen Denker des Mittelalters. In seiner kurzen, aber präzisen Schrift De ente et essentia setzt er sich mit der Metaphysik des Aristoteles auseinander, diskutiert deren Interpretation durch die arabischen Philosophen Avicenna und Averroes und bringt in einer beeindruckenden Synthese christliche und arabische Erkenntnisse über das Wesen und das Sein zusammen. Die vorliegende Übersetzung stammt von Edith Stein.