Franziska zu Reventlows Schlüsselroman über die Schwabinger Szene – eine der Keimzellen der deutschen Avantgarden ist alles, was gute Literatur sein kann: kurz, komisch, ein Dokument, ein Versuch das Leben – und was für eines hatte diese Frau geführt -durch Sprache irgendwie in den Griff zu bekommen. Reventlow beschreibt naiv-ironisch die Kleinkriege und Capricen der Münchener Bohemiens, Dandys, Spätaufsteher, Spinner, Esoteriker und sonstiger verschrobener und doch wunderbarer Gestalten, die München vor dem großen Zusammenbruch zu einem Zentrum der deutschen Kultur gemacht haben.
Wer nicht genug Geld hat, denkt unweigerlich daran, wie er an solches kommen kann. In «Der Geldkomplex» nimmt dieses Phänomen nun besondere Züge an, als die unter diesem Zwang Stehende in die Hände von Psychiatern fällt. In «Der Selbstmordverein» besteht eine Laune einiger Jünglinge, Gymnasiasten, darin, sich einem derartigen Ende zu verschreiben. Groß ist das Entsetzen, als sich der junge Georg auf diese Weise das Leben nimmt und dabei noch eine Freundin mitnimmt. Unweigerlich stellt sich der Leser die Frage, ob es bei dieser Einzeltat bleibt oder ob sie Nachahmer findet. Und wen?-
Der zuerst unter dem Titel «Der Geldkomplex» erschienene humoristische Briefroman ist der letzte vollendete Roman der «Schwabinger Gräfin», die hier recht unverstellt ihre eigene ständige Geldnot thematisiert. Die Ich-Erzählerin diagnostiziert bei sich selbst (frei nach «Professor Freud in Wien») einen «Geldkomplex» und begibt sich, um besagten Komplex zu heilen, in ein teueres Sanatorium, wo sie die Bekanntschaft allerlei umtriebiger und spleeniger Existenzen macht. Aber kann sie dort auch ihren Komplex ablegen? Oder lässt sich ein solcher Geldkomplex womöglich eben auch nur mit Geld heilen? Ein hintergründig-amüsanter Roman von einer ungewöhnlichen Frau.AUTORENPORTRÄTFanny (Franziska) Gräfin zu Reventlow (1871–1918) war eine deutsche Schriftstellerin. Die Tochter des preußischen Landrats Ludwig Graf zu Reventlow wurde im Familienschloss in Husum sowie in einem Mädchenpensionat in Thüringen zur «höheren Tochter» erzogen. Nachdem sie 1887 wegen «Widerspenstigkeit» des Internats verwiesen und sich 1893 auf Lebenszeit mit ihrer Familie überworfen hatte, zog sie nach München, wo sie in ärmlichen Verhältnissen lebte und sich und ihren unehelichen Sohn mit Literaturübersetzungen sowie allerlei Gelegenheitsjobs über Wasser hielt. Um die Jahrhundertwende bildete die «Skandalgräfin» eine zentrale Figur der Schwabinger Boheme, der sie mit ihrem Schlüsselroman Herrn Dames Aufzeichnungen (1913) ein Denkmal setzte. 1910 übersiedelte sie in die Aussteigerkolonie auf dem Monte Verità bei Ascona im Tessin. 1918 starb sie an den Folgen eines Fahrradsturzes in einem Krankenhaus in Locarno.-
Der Band versammelt zwölf Novellen und Skizzen mit viel Humor und Selbstironie, die zumeist aus dem turbulenten Boheme-Alltag der Fanny zu Reventlow geschöpft sind. Die mit anmutig kühler Nachlässigkeit und erfrischender Leichtigkeit erzählten Geschichten beweisen, dass die «Schwabinger Gräfin» nicht nur wegen ihres für die damalige Zeit so ungewöhnlichen, modernen Lebens noch heute von Interesse ist, sondern auch als stilsichere Autorin sorgfältig durchgeformter Prosa. Diese aus dem Leben gegriffenen Erzählungen verbinden beide Aspekte auf unterhaltsame und stets lohnenswerte Weise.-