Luis Campos verfügte über drei zweimastige Schaluppen und gebot über fünfundvierzig Schnapphähne – ein bunt gemischter Haufen von Abenteurern, Deserteuren, entsprungenen Sklaven und Faulpelzen, die ihren Oberschnapphahn mit Admiral anzureden hatten. Dieser Admiral hat den Plan gefasst, den Wirt der «Schildkröte» auf Tortuga auszuplündern, aber das blieb auch nur ein Plan, denn als die «Caribian Queen» an der Pier von Tortuga vertäute, entdeckte der Admiral die hübsche Eurasierin und da war's um ihn geschehen. Außerdem hielt er sich für unwiderstehlich, was sich im Falle Siri-Tongs allerdings als ein böser Irrtum herstellen sollte…
Sie standen in dem saalartigen Raum, eingekreist von einer mehr als vierzig Mann starken Meute von Fanatikern. Die Ausgänge aus dem Tempel waren versperrt. Für einen Moment dachte Hasard an seine beiden Söhne und spielte mit dem Gedanken, kampflos aufzugeben, um wenigstens deren Leben zu schonen. Aber dann sah er diese haßvollen Gesichter und entschied sich zu kämpfen. Während er mit dem Stiefel zutrat, zog er gleichzeitig sein Entermesser und stach zu wie ein rasender Teufel. Wie ein Gewitter fuhr er in die Kerle hinein, und aus den Augenwinkeln sah er, wie Pete Ballie die riesigen Fäuste wirbeln ließ. Auch Dan O´Flynn schlug um sich wie ein Berserker…
Zwei Wahrnehmungen bestürmten Dan O´Flynn in dem winzigen Moment, bevor er in das klare Wasser der Lagune tauchte: der Entsetzensschrei, den die Mädchen ausstießen, und der schlanke Körper des Hais, der jetzt auf gleicher Höhe mit ihm war. Der Hai hatte ihn bemerkt. Dan O´Flynn sah, wie sich der mächtige Leib des Raubfisches schlagartig krümmte und seine Richtung änderte. Reaktionsschnell tauchte Dan auf, holte tief Luft und stieß wieder hinunter. Erst jetzt zog er das schwere Entermesser und stellte sich dem menschenfressenden Monstrum…
Die achteren vier Steuerbord-Culverinen der «Isabella VIII.» spuckten ihre tödlichen Ladungen gegen die «Jane» aus, und mit torkelndem Flug segelte die erste Flaschenbombe durch die Nacht. Old O´Flynn und sein Sohn Dan feuerten die achteren Drehbrassen auf die näher heransegelnde Schebecke Selims ab, bevor die Türken ihr Buggeschütz wieder zum Einsatz bringen konnten. Plötzlich spie die «Isabella» nach zwei Seiten Feuer, Rauch und Verderben aus. Der Seewolf hatte jetzt alle Register gezogen, die ihm zur Verfügung standen. Es donnerte und krachte, und jäh flogen von der «Jane» Trümmerteile hoch…
Sie drangen von der Heckgalerie aus in die Kapitänskammer ein. Wie sie es geschafft hatten, ungesehen dorthin zu gelangen, war Philip Hasard Killigrew ein Rätsel, und er konnte auch nicht lange darüber nachdenken, denn Sekunden später fielen die beiden Serrano-Indianer über ihn her – mit scharfen, spitz zugefeilten Hartholzmessern, die als Mordwaffen genauso mörderisch waren wie die berühmten Klingen aus Toledo. Den einen Gegner fällte der Seewolf mit einem Boxhieb, aber da sprang ihn der andere an – wie ein Tiger, der seine Beute reißt…
Dan O'Flynn hatte bei seiner Sichtmeldung den Geleitzug als eine «Kuhherde» bezeichnet. Das traf vom Bild her den Nagel auf den Kopf, denn im gewissen Sinne konnte man die Hecklichter der Fracht-Galeonen als Kuhglocken ansprechen. Fast über die gesamte östliche Kimm erstreckte sich die Kette dieser mächtigen, langgezogenen Herde. Sie «trottete» dahin, denn die langsamste «Kuh» bestimmte die Marschgeschwindigkeit. In zwei Kolonnen zog diese «Herde» von fetten Fracht-Galeonen nordwärts, wobei die Flanken von Kriegs-Galeonen bewacht wurden, die jeweils drei Hecklaternen gesetzt hatten, damit sie sich deutlich von den «Kühen» unterschieden.
Oben in den Steilfelsen lösten die Männer des Seewolfs die Steinbrocken, die sie für diesen Zweck vorbereitet hatten. Unten auf dem schmalen Gebirgspfad schrien die Soldaten auf, als sie hochblickten und sahen, wie die schweren Brocken auf sie zustürzten. «Zurück!» brüllte einer von ihnen. Aber es war bereits zu spät. Donnernd prallte die Steinlawine auf den Pfad. Es krachte, dröhnte und rumpelte, die gellenden Schreie der Soldaten mischten sich dazwischen. Gestalten wankten oder stürzten bereits in die Tiefe, die noch nie ein Mensch ausgelotet hatte. Aber kaum war diese Lawine des Todes niedergegangen, da krachten Schüsse – oben aus den Steilfelsen…
Seit die «Black Queen» mit ihrem Zweidecker in der Karibik ihr Unwesen trieb, war auch auf der Schlangeninsel die Hölle los. Noch niemals hatte es jemand gewagt, heimlich in den Schlangentempel einzudringen. Die Folgen für die beiden Missetäter waren fürchterlich, denn beide fanden den Tod. So rächte sich der Schlangengott für den ihm angetanen Frevel. Aber das war beileibe noch nicht alles, was die Gemüter auf der Schlangeninsel zum Kochen brachte. Da war noch diese verdammte «Black Queen» und dieser Bastard Caligula – beides Piraten, die den Bewohnern der Schlangeninsel schon gefährliche Schlappen beigebracht hatten. Und nun standen sie im Begriff, ihnen auch noch Tortuga streitig zu machen. Der Roten Kosarin, Jean Ribault und erst recht dem Wikinger Torfin Njal lief die Galle über. Darüber hinaus erkannten sie nur allzudeutlich die Gefahr, die der Verlust ihrer Vormachtstellung auf Tortuga mit sich brachte. Und so segelten sie los, wild entschlossen, mit der «Black Queen» und ihren Schnapphähnen ein für allemal abzurechnen. Aber wieder unterschätzten sie die schwarze Piratin – und so schnappte die Falle erbarmungslos zu. Damit aber begann ein Kampf auf Leben und Tod, wie ihn noch keiner von ihnen erlebt hatte. Und das wollte – verdammt – etwas heißen…
Es war alles ganz anders als sonst in diesem Meer, in dem eine Insel der anderen folgte. Die «Isabella» segelte in einer lauwarmen Brise. Der Himmel war teils blau, zum Horizont hin aber leicht dunstig. Vom Wasser stieg brühwarme Luft auf. Philip Hasard Killigrew griff sich an die Stirn und fand, daß seine Haare feucht waren. Die Luft um ihn herum war wie von einem unbekannten Gift gesättigt, und er wurde das Gefühl nicht los, daß etwas Schreckliches in dieser merkwürdigen Atmosphäre lag. Er blickte zu den verstreuten Inseln hinüber und fand sie schrecklich und schön zugleich. Visionen von Fieber, Gift, Pest und Krankheiten zogen an ihm vorbei…
Ben Brighton ließ die erste Galeasse auf Wurfweite heran, dann gab er Al Conroy ein Zeichen. Al bückte sich, stieß die Lunten der geballten Flaschenladung in die Holzkohlenglut, richtete sich wieder auf, prüfte das Brennen der Zündschnüre, holte weit aus und schleuderte die Ladung zu der Galeasse hinüber. Die drei Flaschen landeten auf dem Vorkastell, wo die beiden Jagdgeschütze standen, aus denen die Araber gerade wieder auf ihren Gegner schießen wollten. Mit einem einzigen Donnerhall und unter Entwicklung eines grellen Lichtblitzes flogen die Flaschen auseinander und zündeten die von den Piraten bereitgestellten Kartuschen…