Wilton Smithfield, Dritter Offizier der «Glorious», und sechs Männer hatten den Untergang ihrer Galeone überlebt und waren im Stützpunkt der Korsaren freundlich versorgt worden. Zum Dank stahlen sie die «Empress of Sea II.» des Old O´Flynn und ließen einundzwanzig Schatzkisten mitgehen. Und dann verrieten sie die Position des Stützpunktes auf der Insel Great Abaco an die Spanier – in der Hoffnung, von den Schätzen der Korsaren noch mehr zu erraffen und das Kopfgeld zu kassieren, das von der spanischen Krone auf die Ergreifung des Philip Hasard Killigrew ausgesetzt worden war. Ja, die Spanier versprachen dem Milton Smithfield eine «biblische Belohnung», und als er sie empfing, wurde er weiß vor Wut, denn es war nur ein Ledersäckchen mit dreißig Silbermünzen. Der Judaslohn, wie der Spanier verächtlich sagte, die «biblische Belohnung», wie sie auch Judas Ischariot erhalten hatte…
Aus den Stollenlöchern pufften kleine Wolken von Schwefelstaub hervor. Fast gleichzeitig schien von überall her dumpfer Donner zu grollen. In das Grummeln mischte sich das scharfe, ohrenbetäubende Schmettern einer lauten Explosion. Kurz darauf tobte eine zweite Detonation durch den Berg, und aus den Stollenzugängen schossen waagrechte Feuerzungen. Aus dem Hauptstollen wurden zwei Körper, die sich überschlugen, durch die Luft gewirbelt und auf die Rampen geschmettert. An einigen Stellen schienen sich Gase oder Schwefelstaub entzündet zu haben, denn aus den Löchern schlugen mächtige Flammen, die nach allen Seiten loderten. Noch eine mächtige Explosion ertönte im Innern des Bergwerks. Die Arwenacks duckten sich, als sich der Explosionsdruck durch die heiße Luft fortsetzte und überall Staubwirbel erzeugte…
Hasard holte tief Luft und brüllte: «Vorwärts, Arwenacks! Klar zum Entern! Werft sie ins Meer!» An vielen Stellen schwangen sich die Seewölfe an Bord der Galeere. Neben Hasard griff Don Juan in die Sprossen der Jakobsleiter. Von der Schebecke dröhnten die Abschüsse der Musketen. Carberry flankte über das Schanzkleid, und während er herumwirbelte, trat er einem Inder, der sich mit dem Säbel auf ihn stürzen wollte, gegen die Brust. Der Mann überschlug sich und flog zwischen die Bordgeschütze. Batuti und Big Old Shane kämpften sich Schulter an Schulter zum Achterdeck der Galeere durch. Sie schlugen mit Säbeln um sich und räumten das Achterdeck binnen weniger Sekunden leer. An Backbord sprangen zwei Inder entnervt und schreiend ins Dunkel. Ihre Körper klatschten ins Wasser…
Auf dem Weg nach achtern stand Capitán de Xira eine höllische Überraschung bevor. Die Augen traten ihm aus den Höhlen, seine Atmung setzte aus, und er fühlte, wie die Beine unter ihm nachgaben. Er sackte in die Knie und ließ ein schauriges Ächzen hören. Die ganze Mannschaft beobachtete ihn und nahm an, der Kapitän drehe jetzt durch. Dann folgten ihre Blicke seiner anklagend ausgestreckten Hand, und bei ihnen trat der gleiche Effekt auf. Sie waren sprachlos. Ihre Augen waren wie Marmorkugeln, die riesig groß aus den Höhlen lagen. Vom Achterschiff grinste sie ein Totenschädel an, die Augenhöhlen leer und dunkel. Der Schädel steckte auf dem Rückgrat und dieses wiederum in einer Öffnung, wo der Ruderschaft nach unten führte. «Das Gespenst» schrie Pedro Pascual voller Entsetzten…
An Oberdeck der «Respectable» war allerlei los. Eine der Gänse hatte das Achterdeck geentert, raste auf den dicklichen Lord Hyran, den Ersten Offizier, zu und rammte ihm den Schnabel in den Wabbelbauch. Mit einem schrillen Quiken knickte der Lord nach vorn zusammen und begrub die Gans unter sich. Deren Kampfkraft war ungebrochen. Mit wilden Zuckungen schlüpfte sie unter ihm weg, flatterte hoch, schnappte nach dem lordschaftlichen Ohr und biß sich fest. Es war das linke Ohr, und es wurde immer länger. Das dicke Gesicht des Ersten wurde dementsprechend breiter und breiter. Die fünf Arwenacks hatten sich auf die Back verholt und schauten grinsend dem Zirkus zu, denn es wurde noch spannender, als der Ziegenbock auf der Kuhl auftauchte…
An einem Dutzend Stellen in beiden Ruderdecks der Galeere waren die Kämpfe Mann gegen Mann entbrannt. Carberry schwang die Fäuste und schlug zu. Er drehte sich, sprang hin und her und ließ seinen Profoshammer durch die stickige Luft sausen. Die Inder, durchwegs kleiner, aber wendig wie die Katzen, wurden von den Füßen gerissen, überschlugen sich halb in der Luft und prallten auf die Planken oder gegen die nachdrängenden Seeleute. Rundhölzer und unterarmdicke Bambusknüppel krachten gegen Holz. Von allen Seiten drangen Männer auf Carberry und seine Mannen ein. Der Profos versuchte, sich einen Weg zu Drawida Shastri freizukämpfen, aber wie zuschnappende Hunde hängten sich die mageren, braunen Männer an seine Arme, an den Hals und an die Knie. Wenn der Profoshammer traf, gab es einen Angreifer weniger…
Die große, gefährliche Katze schnellte heran. Es gab kein Entrinnen und kein Ausweichen mehr. Die Distanz zu ihr schrumpfte schneller zusammen, als Thaki denken konnte. Er versuchte noch, sich zur Seite zu werfen. Dabei sah er den Tiger immer größer und riesiger werden, sah das fürchterliche Gebiß und die breiten und starken Pranken, die wie Keulen durch die Luft hieben. Mit einem wilden Knurren erreichte ihn der erste Prankenhieb und wirbelte ihn durch die Luft. Thaki fühlte einen stechenden Schmerz durch seinen Körper rasen, einen so wilden Schmerz, daß er ihm fast die Besinnung raubte. Er schrie laut und gellend – in der Hoffnung, Sudar möge davon erschreckt werden und von ihm ablassen. Doch was der riesige Tiger einmal in den Pranken hatte, das ließ er nicht mehr los…
Sie tauchten von der See- und von der Landseite her auf – die Ratten von Madras. Und es waren nicht mehr als fünf Arwenacks, die ihre Schebecke zu verteidigen versuchten und sich wie die Teufel wehrten. Mac Pellew stand im Eingang seiner Kombüse und hieb wild um sich, in der Linken die leergeschossene Pistole, in der Rechten ein Rundholz. Wieder krachte ein Schuß. Will Thorne hatte ihn abgefeuert und einen Angreifer in die Schulter getroffen. Das Messer, das dieser Kerl auf Big Old Shane hatte schleudern wollen, überschlug sich in der Luft und traf einen anderen Inder. Old Shane bückte sich unter einem Stein, der dicht über seinen Kopf sauste. Dann packte der riesige Graubart eine Spillspake, sprang in die Nähe des Ruderstandes und bewegte das Holz wie eine Sense im Halbkreis vor sich her. Der erste Rundschlag wirbelte fünf Angreifer von den Beinen, und Old Shane setzte nach…
"Vorwärts!" rief der Seewolf halblaut. Die ahnungslosen Portugiesen an Bord der «Cabo Mondego» wußten nicht, wie ihnen geschah, als sie sich plötzlich fast zwei Dutzend «Ar-we-nack!» brüllenden Kerlen gegenübersahen, die sich geschmeidig an Steuerbord über die Verschanzung schwangen. Bis sie sich von dem ersten Schreck erholt hatten, lagen die ersten schon bewußtlos auf den Planken, von eisenharten Fäusten niedergestreckt. Aber dann begannen sie, sich erbittert zur Wehr zu setzen. Den Profos traf von hinten ein Schlag mit einer Spillspake zwischen die Schulterblätter, der jeden anderen sofort gefällt hätte. Der Profos fing sich aber schon nach wenigen Schritten und drehte sich bedächtig nach dem Gegner um. Und dann legte er los…
Als die Elefanten in das flache Wasser wateten und zu der ankernden Karavelle getrieben wurden, um von Bord die kostbare Gold- und Silberladung zu übernehmen, gab Philip Hasard Killigrew den Feuerbefehl. Al Conroy, der Stückmeister der Arwenacks, hatte die Kanonen der «Stern von Indien» bereits gerichtet. Nacheinander wurden sie gezündet. Als die Geschosse ins Wasser klatschten und riesige Fontänen aus Schlamm, Schlick und faulenden Pflanzen hochschossen, brach zwischen den Elefanten Panik aus. Sie rissen die Rüssel hoch, stellten die Ohren nach vorn, trompeteten schrill und drehten sich im Kreis. Ein paar Inder wurden von ihren Sitzen geschleudert, überschlugen sich und landeten im aufspritzenden Wasser. Der Leitbulle hatte sich herumgeworfen und tobte mit unglaublicher Geschwindigkeit, gellende Trompetenschreie ausstoßend, auf die Bachmündung zu…