Seewölfe - Piraten der Weltmeere 375. Roy Palmer

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 375
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954397839



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      Impressum

      © 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      eISBN: 978-3-95439-783-9

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

       Roy Palmer

Ein Mann wird ausgesetzt

       Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       1.

      Ein unbekannter Künstler hatte ein Porträt von dem Mann aus Genua gemalt, es hing im Escorial. König Philipp II., Seine Allerkatholischste Majestät, verharre, so hieß es, bei seinen Stunden dauernden Wanderungen durch die endlos wirkenden Flure hin und wieder nachdenklich vor dem Bild. Vielleicht sprach er diesem Cristóbal Colón nachträglich seine Anerkennung für die Entdeckung der Neuen Welt aus. Oder aber er ging mit ihm ins Gericht, weil es – eingedenk der Tatsache, daß die Blüte des Imperiums inzwischen zu welken begonnen hatte – möglicherweise doch besser gewesen wäre, wenn der berühmte Dreierverband an jenem 3. August 1492 im Hafen Palos nicht die Anker gelichtet hätte.

      Keiner wußte es, und es war letztlich Philipps persönliche Angelegenheit, welchen Inhalts die stummen Zwiegespräche waren. Im übrigen ließen sich die Dinge ja auch nicht mehr aus der Welt schaffen. Der Kontinent Amerika war nun einmal entdeckt und wurde nach Kräften um seine Gold- und Silberschätze erleichtert. Ständig waren die Konvois dickbäuchiger Galeonen zwischen der Neuen Welt und dem spanischen Mutterland unterwegs, der Verkehr florierte und wurde von der Casa de Contratación mit Nachdruck betrieben, weil auch dort noch niemand begriffen hatte, daß das viele Gold und Silber Spanien-Portugals wirtschaftlichen Niedergang und Ruin beschleunigen würde.

      Damals, vor über hundert Jahren, war es ein waghalsiges Abenteuer gewesen, den Atlantik zu überqueren. So war Kolumbus als verwegener und tollkühner Mann in die jüngste Geschichte eingegangen. Das Gemälde im Escorial schien denn auch dieses Draufgängertum wiederzugeben, und man konnte nicht umhin: Man mußte ihn bewundern, diesen Mann, der durch sein Unternehmen die Welt verändert hatte.

      In Genua selbst wußte man besser über den Sohn des Hafens an der Küste von Ligurien Bescheid. Hier kursierten – bei allem Seemannsgarn, das in den Kneipen und Kaschemmen am Golf gesponnen wurde – weniger vorteilhafte und patriotische Berichte, die das wahre Wesen des Cristofero Colombo zum Inhalt hatten, wie er in seiner Heimat genannt wurde.

      Quenglerisch und engstirnig sollte er gewesen sein, selbstüberheblich, eitel, raffsüchtig und kleinlich. Falsches und Richtiges, Frömmigkeit und Aberglauben verquickten sich in ihm, er hätte wenig Bildung und kaum charakterliche Größe. Auch die Begabung zu führen, hätte er nicht, nur ein gehöriges Maß an Sturheit und Engstirnigkeit.

      Die Erkenntnisse des Florentiner Gelehrten Toscanelli über die Kugelgestalt der Erde wandte er irrtümlich an, indem er sich in den Kopf setzte, der westliche Indienweg sei der kürzeste. Verbohrt hielt er an dieser Annahme fest, und nichts und niemand vermochte ihn von seinem Wahn abzubringen. Ein geographischer Narr, kein Abenteurer – und seine Entdeckung hatte ihm kein Glück gebracht, nicht die Geltung und die Reichtümer, die er sich erhofft hatte.

      Don Rafael Manzano war in Genua gewesen – und hatte sich gründlich umgehört, sozusagen mit dem Eifer eines Forschers. Was er über Kolumbus’ Wesen erfahren hatte, hatte ihn eigentlich in seinem geplanten Unternehmen nur bestätigt. Denn: Kolumbus war ein Pechvogel gewesen, dem es nicht gelungen war, diese oder jene geheime Quelle des Reichtums zu seinen Gunsten auszuschöpfen. Seine Stärke war die Summierung von Schwäche und Unglück gewesen. 1506 war er in Armut und Vergessenheit gestorben.

      Don Rafael Manzano war weit davon entfernt, Mitleid mit Kolumbus zu empfinden. Solche Gefühle waren ihm fremd. Er war ein kaltschnäuziger, zynischer Mensch ohne Skrupel und Gewissen. Die Männer seines Schiffes, der Dreimast-Galeone „San Nicolas“, nannten ihn einen brutalen Leuteschinder.

      Genua war nur die letzte Etappe Don Rafaels gewesen, ehe er die Reise über den Atlantik angetreten hatte. Weder in Genua noch anderswo, auch das hatte er erfahren, wußte man etwas von der Existenz der geheimen Tagebuchaufzeichnungen des Kolumbus. Das war beruhigend. Im Besitz dieser Unterlagen – auch von Kartenmaterial und Kursberechnungen – war einzig und allein die Casa de Contractación.

      Sie war Don Rafaels Auftraggeberin, in ihrem Namen segelte er Ende Februar 1594 mit der „San Nicolas“ nördlich der Turk- und Caicos-Inseln mit Kurs auf die Bahamas.

      Don Rafael war nach übereinstimmender Ansicht der Señores von der Casa der beste Mann für dieses Unternehmen: kaltblütig und gründlich, diszipliniert und pedantisch zugleich. Daß er vor seinem Aufbruch so viele Informationen wie möglich gesammelt hatte, sprach für ihn.

      Er war somit bestens vorbereitet und nichts konnte seiner Aufmerksamkeit entgehen. Die „San Nicolas“ war ein bewaffnetes Expeditionsschiff mit besonderen Aufgaben: Don Rafael und seine Mannschaft sollten die von Kolumbus und auch von Ponce de León nördlich von Kuba und Hispaniola entdeckten Inseln – also die Bahamas – genau vermessen und dabei feststellen, welche der Inseln dazu geeignet wären, auf ihnen Stützpunkte zu errichten oder sie gar zu besiedeln.

      Don Rafael Manzano war der Kapitän der „San Nicolas“ und der Leiter der Expedition zugleich. Sein bartloses Gesicht war von einigen Narben gezeichnet, die von früheren Kämpfen herrührten. Seine Nase war relativ groß, sein Kinn kantig, und der Mund zu einem grimmigen, fast ewig widerwilligen und verächtlichen Ausdruck verzogen. Seine Haare fielen ihm im Nacken fast bis auf die Schultern. Er trug einen flachen Hut und ein Halstuch, keine Uniform und keine Perücke. Er wirkte in seinem gesamten Wesen mehr wie ein Freibeuter, weniger wie der Führer eines Forschungsschiffes.

      Die Casa hatte ihm für das Unternehmen alle Unterlagen zur Verfügung gestellt, darunter eben auch das Tagebuch des Kolumbus von seiner ersten Reise. Es war von einem Mann namens Las Casas abgeschrieben worden. Don Rafael war beim genauen Studium dieser Aufzeichnungen auf eine Eintragung, gestoßen, die für ihn von geradezu unerhörtem Wert war. Gleichzeitig hatte er sich vergewissert, daß weder Las Casas noch seine Auftraggeber diesen wenigen Sätzen besondere Bedeutung beigemessen hatten.

      Bezüglich der Insel San Salvador, ursprünglich Guanahani, hieß es da: „Auf dieser Insel wird Gold gewonnen, aber die Zeit war zu kurz, um den vollständigen Nachweis dafür zu erbringen. Auch das Gold, das die Inselbewohner als Anhängsel an den Nasen tragen, wird hier gefunden.“

      Don Rafael war nicht der Mann, der sich einen solchen Hinweis entgehen ließ. Er war fest davon überzeugt, daß Kolumbus sehr genau wußte, was er seinem Tagebuch anvertraut hatte. Er war entschlossen, dieses von dem Entdecker erwähnte Gold in die eigene Tasche fließen