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Scherz. Seine Bemerkung klang bitter. Der Umstand, daß auch auf der Schebecke die Vorräte mehr als knapp geworden waren, lag darin, daß der Kutscher und Mac Pellew einen Teil davon an die beiden Galeonen abgegeben hatten.

      Dan und Hasard standen auf der Back der Schebecke, sogen die frische Luft tief in ihre Lungen und federten die weichen Bewegungen ab, mit denen das Schiff in die Wellen einsetzte. Ihre Gedanken kreisten unausgesetzt um dasselbe Thema, über das auch alle anderen Seewölfe ständig sprachen: Wie lange dauerte es noch, bis sich das Land hinter der Kimm heraufschob?

      Für die Crews und die Auswanderer bedeutete diese Frage inzwischen den Unterschied zwischen Leben und Tod.

      Weder Dan noch Hasard hielten viel davon, über die Vergangenheit zu sprechen. Die Zukunft war weitaus wichtiger, jede Stunde an diesem Tag konnte neue Aufgaben und Abenteuer bringen. Piet Straaten stand an der Pinne. Der Kurs lag klar an: So schnell wie möglich zur „Pilgrim“ und dort längsseits gehen. So war es mit Kapitän James Drinkwater abgesprochen.

      „Was tun wir, wenn es noch länger dauert, Sir?“ fragte Dan bekümmert.

      „Nichts anderes als das, was wir immer unternommen haben“, gab Hasard zur Antwort. „Wir sorgen für die anderen, ohne uns selbst zu gefährden.“

      „Dieser Zeitpunkt ist nicht fern“, meinte Dan.

      „Und deswegen ist mein Gesicht auch so sorgenvoll“, brummte der Seewolf und versuchte ein aufmunterndes Lächeln. „Los. Gehen wir zu den anderen. Jeder von uns weiß, wo er Hand anlegen muß.“

      Mac Pellew und der Kutscher hatten nach einigem Zögern begriffen, daß ihnen Susan Fletcher wirklich die Arbeit erleichterte. Selbst Mac mit seinem bekannten und gefürchteten mürrischen Gesichtsausdruck grinste mitunter anerkennend, wenn er über die Sauberkeit der Kochstelle und über den besseren Geschmack des einen oder anderen Gerichts sprach.

      Aber auch die Mehlvorräte näherten sich bedenklich ihrem Ende. Der Geruch nach frisch gebackenem Brot wurde kräftiger, als sich die Männer der Kuhl näherten. Das Wasser lief ihnen im Mund zusammen. Aber sie hatten schon gegessen, das frische Brot war ein Teil des Essens, das sie an Bord der Galeonen bringen wollten.

      David Fletcher arbeitete mit Bill und Blacky zusammen an den Planken des Beibootes. Sie besserten mit Schleifstein, Farbe und Quast die Planken über der Wasserlinie aus und arbeiteten ohne Eile, aber mit Nachdruck. Die langen Riemen, die als nächstes überholt werden sollten, waren neben dem Boot angebändselt.

      „Alles nach deinem Geschmack, David?“ fragte Dan. Der Auswanderer, der seine Rettung und die seiner Familie als Wunder feierte, leistete an Bord mehr als nur „Hand für Koje“. Er arbeitete wie ein Besessener und suchte sich die Arbeit sogar noch.

      „Es ist mir noch nie besser gegangen“, sagte David mit breitem Lachen.

      „Übertreibt’s nicht“, riet ihm der Seewolf. „Die Planken werden sonst zu dünn.“

      „Wann sind wir in Virginia, Kapitän?“ erkundigte sich der Auswanderer. Sie alle hatten nicht viel mehr als ihr nacktes Leben und ihre Kleidung retten können.

      „Das fragen sich alle“, erwiderte Hasard, der es für sinnlos hielt, falsche Hoffnungen zu nähren. „Auch mit diesem Spektiv hier ist das Land nicht zu sehen.“

      Er schob den Kieker in die Tasche seiner Jacke zurück und peilte heckwärts zum Grätingsdeck. Dort saßen zwischen Edwin Carberry und dem breitschultrigen Schiffszimmermann die drei Kinder der Familie. Sie hielten alles seit dem Schiffsuntergang für ein herrliches Abenteuer und hatten offensichtlich die Schrecken völlig vergessen.

      „Wenigstens die Kleinen freuen sich über die christliche Seefahrt“, meinte der Seewolf. „Ein Trost für meine altersschwachen Augen.“

      „Du hast recht, Sir“, stimmte ihm Dan halblaut bei. „Man fühlt sich direkt wie ein halbwegs heiliger Lebensretter. Und die Crew kümmert sich um ihre Schützlinge.“

      „Hm“, brummte Hasard.

      Von den noch so vielen guten Eindrücken und Ausblicken wurden die Plagen, die andere Menschen in Lebensgefahr brachten, nicht um einen Deut geringer. Eine kleine Gruppe der Seewölfe bereitete sich vor, an Bord der „Pilgrim“ zu entern und dort, wie der Kutscher es ausdrückte, „ihr segensreiches Wirken für das Wohl der Seefahrt“ fortzusetzen.

      Abgekochtes Wasser, ein warmer, nahrhafter Brei für die Kranken, kräftige Suppe, Binden und saubere Tücher, die verschiedenen Arzneien des Kutschers, das abgekühlte Brot und was die Seewölfe sonst noch entbehren konnten – alles wurde in verschließbare Fässer und Leinwand gefüllt und eingeschlagen.

      „Soll ich mit an Bord gehen und euch helfen?“ rief Susan Fletcher von der Kochstelle her.

      „Muß nicht sein“, sagte Mac Pellew. „Oder doch? Vielleicht beruhigt es die Kranken.“

      „Susan bleibt hier“, bestimmte Hasard. „Ihr wißt, welche Stimmung auf den Galeonen herrscht.“

      „Nicht die beste“, ließ sich der Profos vernehmen und zog einen Belegnagel heraus, schob ihn in seinen Gürtel und kontrollierte seine Pistole.

      Die Lage, in der sich zwei Drittel der Auswanderer und ein Teil der beiden Crews befanden, ließ die Kapitäne schlecht schlafen. Auch die Seewölfe litten darunter. Bei ihnen an Bord herrschten äußerste Disziplin und Ordnung. Im Gegensatz zu den Galeonen mußte niemand der Crew sagen, wie ein aufgeklartes Schiff auszusehen hatte.

      Die Männer waren sauber und gepflegt. Sie hatten keine Not, stets gab es genügend zu trinken und zu essen. Auch sah niemand einen Kranken auf den Planken der Schebecke. Diese vielen einzelnen Beobachtungen riefen zuerst Erstaunen, dann Bewunderung, schließlich Mißgunst, Neid und Gedanken an Überfall hervor.

      Da der Seewolf diese Expedition leitete und zu verantworten hatte, meinten nicht wenige, er wäre an allem schuld. Je mehr geflüstert und geredet wurde, desto bösere Gerüchte wucherten. Was sich daraus ergeben konnte, wußten die Seewolfe. Sie mußten sich dagegen schützen. Es hatte verteufelt viel mit Aufstand und Meuterei zu tun.

      „Wer geht heute an Bord?“ fragte Old Donegal und verschloß den Brotsack mit einem Doppelknoten.

      „Die Kräftigsten“, bestimmte Hasard. „Ich nicht. Sonst haben sie den bösen Seewolf zu dicht vor Augen.“

      „Einverstanden.“

      Edwin Carberry hatte seine Männer schon eingeteilt. Abgesehen vom Kutscher, der den Feldschern der Galeonen mit Tat und Arznei half, waren es die kräftigsten Männer an Bord. Je weiter sich die Schebecke der „Pilgrim“ näherte, desto mehr Ausrüstung stapelte sich an Deck. Einige Seeleute und etliche Gruppen von Auswanderern standen drüben am Schanzkleid und peilten zu ihnen.

      Hasard versammelte seine Männer um sich.

      „Ihr wart schon ein paarmal drüben“, eröffnete er warnend seine Anordnungen, „und ihr wißt, daß sie alle verzweifelt sind. Laßt euch nicht ablenken. Verteilt das Essen, sorgt für Ordnung und denkt dran, daß die armen Kerle fast am Ende sind. Sagt ihnen, daß wir bald Land sehen. Dann sind ihre schlimmen Tage zu Ende.“

      Die Schebecke stampfte durch die aufzischenden Wellenkämme, richtete den Bugsteven zunächst auf das Heck der schwerfälligen Galeone, dann glitt sie näher heran und an Bockbord der „Pilgrim“ längsseits. Tauschlingen wirbelten durch die Luft, Tampen wurden belegt, und zwischen den Bordwänden rieben sich knirschend abgewetzte Segeltuchsäcke, die mit Lumpen und Tauabschnitten gefüllt waren. Eine Jakobsleiter rollte sich auf.

      Graham Lilley, der Erste, und Kapitän Drinkwater beugten sich über das Schanzkleid der Kampanje, hoben grüßend die Arme, und Drinkwater rief mit lauter Stimme: „Willkommen an Bord!“

      „Guten Morgen, James!“ rief Hasard zurück. „Die gesunden Männer sollen uns helfen. Wir haben noch die ‚Explorer‘ zu versorgen.“

      „Sie stehen schon bereit.“

      Mit langen Schritten