Das Erwachen der Gletscherleiche. Roland Weis

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Название Das Erwachen der Gletscherleiche
Автор произведения Roland Weis
Жанр Языкознание
Серия Lindemanns
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783963080111



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ebenfalls schlank, mit weiblichen Formen an den richtigen Stellen, und ausnehmend hübsch. Ihr hellblondes Haar hatte sie unkompliziert am Hinterkopf zusammengeknotet. Sie lächelte und strahlte den Typ „Kumpel“ aus. Rüthli fand sie schon sympathisch, als sie mit beschwingtem Gang auf ihn zukam. Armin Röller fand er in gleichem Maße unsympathisch. Der Kerl stolzierte wie ein Gockel daher. Er trug einen Trainingsanzug, aus einem Material, das wahrscheinlich im Weltraum erfunden worden war. Das nach hinten gegelte Haar glänzte wie der Schopf eines Tangotänzers.

      Rüthli unterdrückte seine erwachende Abneigung. Stattdessen grinste er gutmütig wie ein Berner Sennerhund und lud die beiden zu sich in die Ledersesselecke ein. Er klappte seinen Laptop auf. „Ich schreibe mir immer die wichtigsten Aussagen auf, wenn ich mit Zeugen rede“, erklärte er ungefragt.

      „Zeugen von was ...?“ unterbrach ihn Armin Röller barsch. Im Gegensatz zu Mona Hohner war er stehen geblieben. Herausfordernd hielt er die Arme vor der Brust verschränkt. Rüthli schenkte ihm keinen Blick. Stattdessen wandte er sich an Mona: „Sie haben also diese Hand im Gletscher zuerst entdeckt?“

      Mona nickte. Wieso sollte sie patzig sein wie ihr Freund? Sie hatte schließlich nichts zu verbergen. Und dieser knuffige Polizist mit der Kurzhaarfrisur sah doch ganz friedlich aus. Er schaute sie mit treuherzigem Blick an und blinzelte vertrauenerweckend mit den farblosen Wimpern. „Ja“, sagte sie. „Die Hand schaute heraus aus dem Eis. Und sie war haarig.“

      „Und sonst?“

      Sie sah ihn fragend an. „Wie, sonst?“

      „Ist Ihnen sonst noch etwas an der Hand aufgefallen, außer dass sie haarig war?“

      Sie zögerte und schob die Unterlippe vor, um zu überlegen. Dann schüttelte sie den Kopf: „Eigentlich nicht.“

      „Eigentlich?“

      „Was soll denn das?“, mischte Armin sich ein. Er fuchtelte mit den Armen. „Sie fragen ja gerade so, als würden wir etwas verbergen.“

      Rüthli griff das Stichwort ungerührt auf; er lächelte immer noch wie eine Kinderschwester: „Und? Haben Sie ...?“

      „Jetzt hört‘s aber auf!“

      „Es ist Ihnen also beiden nichts aufgefallen?“

      „Ich wüsste wirklich nicht, was einem da auffallen soll. Eine Hand ist eine Hand. Und das war’s!“

      Nachsichtig nickte Rüthli. „War es eine Frauenhand?“

      „Nein. Das haben wir doch schon den Polizisten von Pontresina gesagt“, übernahm Mona jetzt wieder das Antworten.

      „Woraus schließen Sie, dass es keine Frauenhand war?“ Rüthli hackte mit zwei Fingern auf die Tastatur seines Laptops ein.

      „Hab’ ich doch schon gesagt: Die Hand war ganz haarig. Und groß. Mit starken Fingern.“

      „Aha, dann ist Ihnen ja doch etwas aufgefallen. Nämlich dass die Hand starke Finger hatte.“

      „Ja, schon. Aber ist das etwas Besonderes?“

      „Sie, Herr Röller, – setzen Sie sich doch! Haben Sie die Hand auch gesehen?“

      „Natürlich! Das habe ich schon bei Ihren Kollegen zu Protokoll gegeben. Das war glasklar eine Männerhand. Ich habe sie genau angeschaut. Und fotografiert.“

      „War es eine linke oder eine rechte Hand?“

      „Äh ...?“

      Rüthli wartete ein paar Sekunden. „Eine linke oder eine rechte Hand?“

      Mona und Armin sahen sich gegenseitig an. Ratlos.

      „Ich glaube, links“, sagte Mona schließlich zögernd.

      „Rechts“, widersprach Armin. Sie warf ihm einen kurzen Giftblick zu. Urs Rüthli registrierte es aus seinem Polizeiaugenwinkel, obwohl es aussah, als sei er ganz und gar in den Laptopbildschirm versunken.

      „Ich habe hier Ihr Bild hochgeladen“, erklärte er jetzt und drehte den Laptop auf den Knien um, so dass die beiden einen Blick darauf werfen konnten.

      „Na also, links“, triumphierte Mona.

      „Hat irgend jemand von Ihrer Gruppe die Hand angefasst, irgendwie berührt?“

      Mona schüttelte sich. „Was denken Sie. Das ist doch gruslig. Nie und nimmer!“

      „Der Bergführer hat mit seinem Messer daran herumgekratzt“, erinnerte sich jetzt Armin, deutlich konstruktiver als zuvor. Inzwischen hatte er sich auch in einen der schwarzen Ledersessel bequemt. Er hatte kapiert, dass dieser schweizerische Polizeibeamte nicht mit ein paar schnellen, mürrischen Antworten abzufertigen war. Der machte den Eindruck, als würde er stoisch sein Programm durchziehen.

      In der Tat war Rüthli keiner von der schnellen Sorte. Schon gar nicht bei einer Befragung. Wer wusste denn, wann und ob überhaupt jemals wieder er diese beiden Deutschen zu diesem Fall befragen konnte. Noch hatte er ihnen nicht eröffnet, dass die Leiche verschwunden war. Da würde er sich schon noch hinarbeiten. Zunächst einmal wollte er alles über die Bergtour und die Teilnehmergruppe wissen, über Bernie und die Amerikaner. Was haben sie gesprochen? Was haben sie an Kleidung und Ausrüstung getragen? Wann und wie haben sie sich kennengelernt? Wer ging vorne, wer in der Mitte, wer hinten in der Gruppe? Was genau hatte Bergführer Bernie nach dem Leichenfund getan? Mit wem hatte er telefoniert oder gefunkt? Wer hatte alles die Hand fotografiert? Wem hatten sie von dem Fund erzählt oder die Fotos gemailt?

      Mona zögerte kurz bei dieser Frage, und selbstverständlich fiel dem unbestechlichen Rüthli dieses kurze Zögern auf.

      „Na?“

      „Ich überlege gerade“, redete Mona sich heraus, um Zeit zu gewinnen. Sollte sie wirklich verraten, dass sie die Fotos ans Institut geschickt hatte? An Professor Aschendorffer? Was, wenn ihr Handy beschlagnahmt wurde und die Kriminalpolizei all ihre Adressen und Mailkontakte rekonstruierte? Sie biss sich auf die Lippen. „Ich habe, ich glaube..., ich denke, das ist, ... das war ..., ich habe das schon herumgeschickt“, stammelte sie schließlich.

      Rüthli wartete unerbittlich: „An wen alles?“

      „Meine Mama“, gestand sie schließlich. „Vielleicht“, setzte sie dann sogleich einschränkend hinzu. „Ich glaube es.“ Sie setzte ein Gesicht auf, das hoffentlich als nachdenklich durchging. „Eine Kollegin, eine Freundin im Institut ...“, bot sie an.

      „Name bitte!“, forderte Rüthli.

      „Ach nein, doch nicht. Vielleicht war es auch ein Kollege. Einer von den Professoren.“ Sie warf einen hilfesuchenden Blick zu Armin.

      „Hast du nicht noch in der Nacht mit deinem spinnigen Professor telefoniert?“, fragte er.

      Ausgerechnet die Frage, die er auf keinen Fall hätte stellen dürfen.

      Sie nickte zähneknirschend. „Der Professor, ah ja, ... äh, ja, das könnte sein. Dem habe ich das Bild geschickt.“

      Rüthli ließ von seiner Tastatur ab und lehnte sich zurück. Er richtete einen prüfenden Blick auf Mona, der ihr Gewissen versengte. Wenn sie schon bei der kleinsten Notlüge zur Tomate mutierte, wie mochte man ihr dann ihre Mitwisserschaft an einem Leichendiebstahl ansehen? Verlegen richtete sie den Blick auf ihre Schuhspitzen.

      „Wie heißt er doch gleich, dieser Professor?“ Rüthli fragte so freundlich wie ein Pfarrseelsorger.

      Mona gab ihm die Personalien ihres Chefs. Rüthli lächelte aufmunternd. Gleich würde er aufstehen, Mona die Hand reichen, und alles wäre gut.

      „Und dieser Professor, odder, der hat nicht zufällig eine Verwendung für tiefgefrorene Leichen?“ Rüthli fragte, als mache er einen Scherz. Aber er lauerte. Mona schlug die Hand vor den Mund. Sie schüttelte den Kopf. Eine Spur zu hektisch. „Nein! Nein!“

      „Also nicht?“, versicherte sich Rüthli.

      Jetzt brachte Mona immerhin