Kapitalismus und politische Demokratie. Joachim Perels

Читать онлайн.
Название Kapitalismus und politische Demokratie
Автор произведения Joachim Perels
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783863935726



Скачать книгу

      

      „Wie im System des klassischen Liberalismus die Privatrechtsordnung unproblematisch mit der Verfassungsstruktur synchronisiert war, indem die von der Verfügung über die Produktionsmittel ausgeschlossenen Unterklassen auch in politischer Hörigkeit gehalten wurden, so repetiert die faschistische Lösung der ökonomischen Krise die Grundmuster bürgerlicher Herrschaftssicherung: die sozialen Verfügungsprivilegien werden unmittelbar in die Verfassungsstruktur verlängert.“

      Joachim Perels ist ein deutscher Politikwissenschaftler, Mitbegründer der Zeitschrift „Kritische Justiz“ und Professor em. für Politische Wissenschaft an der Universität Hannover. Zahlreiche Veröffentlichungen u.a. zur demokratischen Verfassungstheorie, zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und zur Herrschaftsstruktur des Staatssozialismus.

      Joachim Perels

      Kapitalismus und politische Demokratie

      Privatrechtssystem und Gesellschaftsstruktur in der Weimarer Republik

       Für kritischen Rat, der diese Arbeit mit strukturiert hat, danke ich Professor Wiethölter, Alexander v. Brünneck, Thomas Blanke und Dieter Hart.J. P.

      E-Book (ePub)

      © CEP Europäische Verlagsanstalt GmbH, Hamburg 2021

      Alle Rechte vorbehalten.

      Covergestaltung: nach Entwürfen von MetaDesign

      Signet: Dorothee Wallner nach Caspar Neher »Europa« (1945)

      ePub:

      ISBN 978-3-86393-572-6

      Auch als gedrucktes Buch erhältlich:

      Neuausgabe © CEP Europäische Verlagsanstalt GmbH, Hamburg 2021

      Print: ISBN 978-3-86393-116-2

      Informationen zu unserem Verlagsprogramm finden Sie im Internet unter

       www.europaeische-verlagsanstalt.de

      Vorwort zur Neuausgabe

      Diese Schrift ist nach wie vor zeitgemäß – angesichts der Zeitenwende, in der das Verhältnis von Sozialismus und Demokratie wieder auf der Tagesordnung steht. Sie hat an Aktualität, gerade in der jetzigen Lage, nichts eingebüßt.

      Meine Dissertation zeigt, welche Gefahren in der Fortexistenz des Kapitalismus bestehen. Insofern passt die Neuauflage in die aktuelle Krisensituation. In der Zusammenfassung der Arbeit heißt es: „Wie im System des klassischen Liberalismus die Privatrechtsordnung unproblematisch mit der Verfassungsstruktur synchronisiert war, indem die von der Verfügung über die Produktionsmittel ausgeschlossenen Unterklassen auch in politischer Hörigkeit gehalten wurden, so repetiert die faschistische Lösung der ökonomischen Krise die Grundmuster bürgerlicher Herrschaftssicherung: die sozialen Verfügungsprivilegien werden unmittelbar in die Verfassungsstruktur verlängert.“

      Gegenwärtig steht natürlich nicht die Einführung einer sozialistischen Demokratie auf der politischen Agenda. Aber als Krisenanalyse scheint meine Arbeit nach wie vor wichtig zu sein. In dem Grundlagenwerk über den Nationalsozialismus von Franz Neumann, Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933–1944, Frankfurt am Main 1977, wird diese These auf einer breiten, empirisch wie theoretisch gehaltvollen Weise entfaltet: „Verdient ein solches System den Namen Recht? Ja, wenn Gesetz nichts weiter ist als der Wille des Souveräns, ganz entschieden nein, wenn Gesetz im Gegensatz zum Befehl des Souveräns entweder der Form oder dem Inhalt nach rational sein muß. Das nationalsozialistische Rechtssystem ist nichts anderes als eine Technik der Manipulation der Massen durch Terror. Die Strafgerichte sind heute im Verein mit der Geheimen Staatspolizei, der Staatsanwaltschaft und den Henkern in erster Linie Praktiker der Gewalt, und die Zivilgerichte sind primär Vollzugsagenten der monopolistischen Wirtschaftsverbände.“ (S. 530)

      Die historische Analyse hat auch für die Gegenwart Bedeutung. Sie basiert auf dem Grundwiderspruch zwischen einer kapitalistischen Ordnung und einer umfassenden Demokratie, die erst im demokratischen Sozialismus zu sich selber kommt. Dies bleibt ein Postulat, das aber bis heute als normatives Prinzip unübertroffen ist. Mit einem Ausdruck von Ernst Bloch zu sprechen, ist es „unabgegolten“.

      Dieser Gedanke liegt auch dieser, meiner ersten richtigen wissenschaftlichen Arbeit zugrunde. Ohne die Fürsprache durch Professor Rudolf Wiethölter vor beinahe 40 Jahren könnte ich im Jahr 2021 nicht darauf verweisen: Sie ist in mancher Beziehung bis heute tatsächlich aktuell.

      Hannover, im Januar 2021

      Inhalt

       Einleitung

       I. Warenproduktion und Privatrechtssystem

       II. Das Verhältnis von Privatrechtssystem und Verfassungsstruktur im klassischen Liberalismus und seine deutsche Variante im Kaiserreich von 1871

       III. Veränderungen des Verhältnisses von Privatrechtssystem und Verfassungsstruktur im organisierten Kapitalismus des Kaiserreichs von 1871

       IV. Die Verfassungsstruktur von Weimar

       V. Die Rolle der Eigentumsgarantie und des Instituts der Enteignung in der Verfassungsstruktur

       VI. Die Rolle des Arbeitsrechts in der Verfassungsstruktur

       VII. Die Rolle der Monopolisierung in der Verfassungsstruktur

       VIII. Die Bedrohung der Verfassungsstruktur durch das Privatrechtssystem 1920 bis 1929

       IX. Der Sieg des Privatrechtssystems über die Verfassungsstruktur in der ökonomischen Krise 1930 bis 1933

       Zusammenfassung

       Abkürzungsverzeichnis

       Literaturverzeichnis

      Einleitung

      Die Untersuchung des Verhältnisses von Privatrechtssystem und Verfassungsstruktur in der Weimarer Republik versteht sich als Spezialstudie zu dem allgemeineren Problem der Beziehung der sozialen Struktur der bürgerlichen Gesellschaft zu deren politischer Herrschaftsform; in der Analyse dieser Beziehung konstituiert sich eine materialistische Staatstheorie.

      Die Variationsbreite der empirischen Konstellationen von Privatrechtssystem und Verfassungsstruktur hat Rosa Luxemburg in einer knappen historischen Darstellung am Beispiel Frankreichs, dem, neben England, klassischen Land bürgerlicher Herrschaft umrissen. »Der Kapitalismus ruft in seinen Anfängen – als Warenproduktion – eine demokratische Verfassung in den städtischen Kommunen ins Leben; später, in seiner entwickelteren Form, als Manufaktur, findet er in der absoluten Monarchie seine entsprechende politische Form. Endlich als entfaltete industrielle Wirtschaft erzeugt er in Frankreich abwechselnd die demokratische Republik (1793),