Название | Lones große Reise |
---|---|
Автор произведения | Poul Nørgaard |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | Lone |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711524275 |
2
Schon am ersten Tage merkten Lone und Kirsten, daß sie kaum Gelegenheit finden würden, sich an Bord des Schiffes zu langweilen.
Außer ihnen waren noch drei andere Passagiere aus Kopenhagen dabei: ein Großhändler mit seiner Frau, die auf einer Ferienreise nach Ägypten waren, und ein älteres Fräulein, das Lone sofort für eine Lehrerin hielt. Sie wollte in Australien einen jüngeren Bruder besuchen, der dort eine Farm besaß.
Die Erwartungen der Freundinnen waren deshalb weniger auf die Mitreisenden als vielmehr auf die Begegnung mit Schiff und Besatzung gerichtet.
Kaum hatten sie die offene See erreicht, da fragte sie der Erste Steuermann, ein langaufgeschossener Mann in den Vierzigern, ob sie Lust hätten, sich das Schiff anzusehen.
Er zeigte ihnen die „Sandra“ und erklärte ihre Einrichtung in allen Einzelheiten. Zugleich machte er sie bei dieser Gelegenheit mit der Besatzung bekannt.
„Die müssen in der Hitze doch zerschmelzen“, meinte Lone, als sie aus dem Maschinenraum heraufkamen, wo rußbedeckte Trimmer und Heizer mit schweißglänzenden, nackten Oberkörpern sich wie lautlose Schatten zwischen surrenden Schwungrädern und stampfenden Kolben bewegten.
„Hitze?“ antwortete der Steuermann. „Wir wollen nicht von Hitze reden, bevor wir durch den Sueskanal gekommen sind. Dann könnt ihr nämlich eure Kleider in den Schrank hängen.“
Die Passagiere aßen in der Offiziersmesse zusammen mit dem Kapitän, den Offizieren und Ingenieuren. Das ausgezeichnet zubereitete Essen wurde von einem Schiffsjungen in kurzer weißer Jacke serviert.
„Wird unsere Reise stürmisch werden, Herr Kapitän?“ fragte das ältere Fräulein am Mittagstisch.
Der Kapitän sah sie leicht erstaunt an. „Darauf kann Ihnen nur der Herrgott antworten, Fräulein Simonsen. – Sie sind wohl nicht seefest?“
„Ich dachte eigentlich mehr an die beiden Mädchen. Ich werde bestimmt niemand zur Last fallen!“
„Offenbar sind Sie schon des öfteren auf See gewesen, wenn ich Sie recht verstehe“, mischte der Großhändler sich in das Gespräch.
„Ich bin schon mehrmals von Kopenhagen nach Aarhus gefahren und wieder zurück. Die meisten Passagiere waren immer recht mitgenommen, aber mir hat das nie etwas ausgemacht. Deshalb glaube ich wohl sagen zu dürfen …“ Sie brach jäh ab und betrachtete durch ihren Kneifer scharf den Ersten Steuermann, dem anscheinend etwas in die verkehrte Kehle geraten war, denn er hustete und prustete plötzlich und die Augen tränten ihm zum Erbarmen. „Das Kattegatt ist ein berüchtigtes Gewässer, falls Sie das nicht wissen sollten“, bemerkte sie streng. „Es kann nämlich bei starkem Seegang sehr unangenehm werden.“
Das Wetter blieb jedoch auch weiterhin schön, und der Dampfer arbeitete sich ruhig durch die Nordsee.
In der Straße von Dover kam Nebel auf, und die „Sandra“ mußte mit kurzen Zwischenräumen die Sirene ertönen lassen. Draußen in der grauen Einöde wurde ihr Heulen ab und zu von anderen Schiffen beantwortet, die auf diese Weise ihre Position angaben.
Als es dunkel wurde und der Dampfer sich mit halber Kraft durch die klammen gelbgrauen Nebelbänke vorwärts tastete, wirkten diese heiseren Heultöne besonders unheimlich.
Plötzlich hörte man auf dem Vorschiff lautes Gebrüll, gefolgt von erregten Stimmen.
„Sieh mal nach, was dort los ist“, befahl der Kapitän dem Zweiten Steuermann, der sofort nach vorn lief.
Einen Augenblick darauf kam er mit dem Zimmermann zurück, dem alten Sivertsen, der leichenblaß war und am ganzen Leibe zitterte.
„Was ist denn passiert?“ fragte der Kapitän.
Der alte Sivertsen öffnete den Mund zu einer Antwort, doch er klapperte nur mit den Zähnen und brachte ein paar unzusammenhängende Worte hervor.
Der Steuermann stieß ihn leicht an. „Na, komm schon, Zimmermann, ’raus mit der Sprache.“
Sivertsen schluckte ein paarmal. Man sah ihm deutlich an, daß er sich ehrlich Mühe gab, sich zusammenzunehmen. Schließlich stieß er hervor:
„Ich habe den Fliegenden Holländer gesehen!“
Es zuckte unmerklich in den Mundwinkeln des Kapitäns, dann beugte er sich vor und schnüffelte. Der Atem des Zimmermanns duftete unverkennbar nach Rum.
„Ja, ist schon in Ordnung, Sivertsen. Wenn es bloß keine fliegenden Grogs gewesen sind, die Sie gesehen haben.“
„Ich habe nicht einen einzigen Tropfen getrunken“, beteuerte der Alte. „Schon seit …“
„Seit dem letzten Male“, vollendete der Kapitän.
„Ich hab’s ja gleich gesagt, daß der Kapitän mir nicht glauben würde“, murmelte der Zimmermann und trollte sich beleidigt davon. „Aber gesehen habe ich ihn doch! Mit vollen Segeln quer vor dem Bug.“
Am Niedergang der Kommandobrücke wandte er sich um und hob feierlich die Hand. „Man soll die Alten nicht verspotten, weil sie mehr hören und sehen als die Seeleute von heute“, sagte er mit hohler Stimme. „Das Totenschiff zeigt sich nur, wenn …“ Der Rest ging in einem unverständlichen Murmeln unter, als der Kapitän ihm uninteressiert den Rücken zukehrte.
3
Das Schiff hatte Englands Küste hinter sich gelassen, und der Nebel war von einem auffrischenden Wind weggeblasen worden. Die „Sandra“ wiegte sich auf der grauen Dünung des Atlantik und nahm den Kurs nach Süden über die Biskaya auf die spanische Küste zu.
„Ich glaube, ich esse heute lieber nichts“, sagte Kirsten und setzte sich auf den Rand der Koje. Die beiden Mädchen machten sich gerade für das Mittagessen fertig.
„Du willst nichts essen? Ich habe jedenfalls Hunger wie ein Wolf. – Sag mal, dir wird doch nicht schlecht?“
„Doch, ich fürchte …“ Kirsten war schon ganz grün im Gesicht.
Schnell half Lone ihr aus den Kleidern und stellte einen Eimer an ihr Bett.
Beim Mittagstisch wurde auch Fräulein Simonsen vermißt, was den Ersten Steuermann zu der Bemerkung veranlaßte, der Seegang in der Biskaya könne sich vielleicht doch mit dem im Kattegatt messen.
Obwohl der Wind nicht sehr kräftig war, rollte der Dampfer auf den Wogen hin und her, denn die Seen schlugen quer über Backbord. In der Nacht und am folgenden Tage hatte Lone genug-zu tun, für die beiden Seekranken zu sorgen. Besonders Fräulein Simonsen beanspruchte Lones Zeit reichlich. – Wie es ihr wohl ergangen wäre, wenn wir richtigen Sturm gekriegt hätten, dachte Lone, denn Fräulein Simonsen wurde im Laufe der Nacht immer kränker und flehte schließlich inbrünstig, das Schiff möge doch untergehen, damit sie von den unerträglichen Qualen der Seekrankheit erlöst sei. Am nächsten Tag ließ jedoch der Seegang nach, und bald darauf ging es den Kranken besser. Mittags erschien Fräulein Simonsen sogar wieder bei Tisch, und Lone war sehr erstaunt, als Fräulein Simonsen auf eine höfliche Anfrage des Kapitäns mit einem bissigen Seitenblick auf den Steuermann antwortete, außer einer kleinen Magenverstimmung, die keinesfalls mit Seekrankheit zu verwechseln sei, habe ihr nicht das geringste gefehlt.
Einige Tage später glitt die „Sandra“ in das blaue Mittelmeer, vorbei an Gibraltars steilen Felswänden, die sich in der strahlenden Sonne aus den Wellen erhoben.
Lone und Kirsten waren beim Anblick der zauberhaften Farben ganz außer sich vor Bewunderung. Sie begriffen nicht, wie die Seeleute so gänzlich unbeeindruckt ihrer Arbeit nachgehen konnten, ohne auch nur einen Blick auf das azurblaue Meer zu werfen.
Sizilien kam näher und der abgerundete Kegel des Ätna tauchte am Horizont auf. In dem flimmernden Dunst sah man nur den Gipfel des Vulkans und die Rauchwolke, die immer über ihm liegt.
Lone