Solange das Herz noch schlägt - Ein Schweden-Krimi. Aino Trosell

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Название Solange das Herz noch schlägt - Ein Schweden-Krimi
Автор произведения Aino Trosell
Жанр Языкознание
Серия Siv Dahlin-Reihe
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726344189



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      Aino Trosell

      Solange das Herz noch schlägt - Ein Schweden-Krimi

      Aus dem Schwedischen von

       Gisela Kosubek

      Saga

      Solange das Herz noch schlägt - Ein Schweden-Krimi ÜbersetztGisela Kosubek Original Om hjärtat ännu slårCopyright © 2000, 2019 Aino Trosell und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726344189

      1. Ebook-Auflage, 2019

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

      – a part of Egmont www.egmont.com

      Als es erst mal so weit war, ging es schnell.

      Sie hatten es beide lange gespürt – dass etwas passieren würde. Aber sie hatten aufgehört, darüber zu reden. Es hatte ja doch keinen Zweck, sie wollten die Angst nicht noch schüren. Er versuchte ruhig zu bleiben, ihr gegenüber.

      Aber sie kannte ihn viel zu gut, durchschaute ihn.

      Doch auch sie zeigte ihm keine Gefühle, nicht, was das hier betraf.

      Sie liebten sich heftig, jede Nacht. Sie klammerten sich aneinander fest, als sei diese Nacht die letzte, griffen hungrig und unsanft nach dem anderen, als könnten sie nicht genug bekommen.

      Aber sie sagten nichts. Sie hatten aufgehört, darüber zu reden. Ihre Körper verrieten sie dennoch. Sie keuchten vor Anstrengung und Erregung. Und noch aus einem anderen Grund.

      Ihre Körper wussten von ihrer Verzweiflung. Ihre Körper weinten vor Ohnmacht und sprachen weiter, jenseits aller Worte.

      Sie wussten, dass niemand sie schützen konnte. Und dass auch nicht an Flucht zu denken war, sie mussten ihren Auftrag zu Ende bringen, mussten ihre Arbeit erledigen.

      Die Disketten und die kürzlich gebrannten CDs lagen in einem Bankschließfach. Aber für sie beide gab es kein Bankschließfach. Es war, als tasteten sie sich durch einen dunklen, öden Wald. Im kalten Neonlicht der Redaktion und im Licht der Schaufenster auf der Straße trafen sich zuweilen ihre Blicke, und darin lag Liebe.

      Und Wehmut.

      Dann sahen sie rasch weg.

      Als es so weit war, ging es schnell. Als sie dran waren.

      Der Himmel war klar an diesem Morgen, es war Winter, an einem kalten sonnigen Tag traten sie aus der Haustür, ihre Schritte wurden leichter, sie lächelten einander zu. Es war noch kein Schnee gefallen, aber von den Büschen und Bäumen der Hauptstadt des Landes glitzerten ihnen Frostkristalle entgegen. Und der Alltag war da, sie mussten zur Arbeit wie tausende andere. Ein Rentner führte seinen langhaarigen Pudel aus. Der Hund hatte unter den Büschen an der Hauswand eine Menge zu tun.

      Sie waren spät dran. Nur noch wenige Autos standen auf dem Parkplatz. Sie ging etwas schneller und öffnete ihre Handtasche, in der die Autoschlüssel lagen.

      Die Zeit wurde langsamer. Die Zeit verhielt den Schritt. Aber sie merkte es nicht.

      Es war wie eine Vorahnung, als striche ihm der Flügel irgendeines Wesens über die Augen, und er wollte sie stoppen. Die Angst schlug wie ein Pfahl in ihn ein, ließ ihn erstarren, und er rief ihren Namen in Richtung des Schmuckbandes auf ihrem Mantelrücken, er wollte sie daran packen und sie zum Stehen bringen.

      Sie setzte eilig ihren Weg fort, wollte vor ihm am Wagen sein, damit er nicht warten musste. Doch sie hörte seinen Ruf.

      Und drehte sich um, im Mundwinkel noch ein Lächeln. Fischte zugleich den Schlüsselbund aus der Tasche.

      Und dann fasste sie nach dem Türgriff.

      Und da detonierte die Bombe!

      Den drei untersten Etagen des Hauses drückte es die Scheiben ein. Ihr Leib wurde aufgerissen, die Hauptschlagader zerfetzt, und sie starb augenblicklich.

      Er lebte noch, als der Rettungswagen kam. Starb erst am Abend.

      In der Zeitung konnten alle lesen, wofür die beiden bezahlt hatten. Ja, was es gekostet hatte.

      Sie hatten den Preis gekannt. Hatten diese brutale Bezahlung einkalkuliert.

      Die Inflation war in vollem Gange.

      Nicht mehr viele waren bereit, zu solchen Preisen zu agieren.

ERSTER TEIL

      Damals erschienen sie mir einfach nur schön – Braut und Bräutigam, wie sie auf den Bildern der Familienanzeigen prangten. Zu jener Zeit dachte ich nicht weiter darüber nach, gab den glücklichen Menschen ein Lächeln zurück und liebte es, ihre Aufmachung zu bewundern und ein bisschen über sie zu fantasieren, mir auszumalen, wer sie waren und warum gerade die zwei zusammengekommen waren. Und jene zwei. Und diese dort. Im Text darunter konnte man ihre Namen und zuweilen die der Eltern lesen. Ab und zu standen da auch die Namen der Trauzeugen, manchmal auch, wer bei der Trauung gesungen hatte, und in seltenen Fällen war der Name des Toastmasters angegeben, und dann war klar, dass es sich um eine große Hochzeit gehandelt hatte.

      Aber eigentlich sind alle Hochzeiten ein Riesenereignis im Leben.

      Zu jener Zeit studierte ich auch gern Verlobungsanzeigen, die Bekanntgabe des Hochzeitsaufgebots, Geburtsanzeigen und vor allem Todesanzeigen, wie schrecklich man das auch finden mag. Aber ich dachte nicht weiter darüber nach. Ich las auch nie irgendwelche Bücher. Eine Todesanzeige jedoch konnte für mich dieselbe Funktion haben wie ein ganzer Roman. Man erfuhr, wie alt der Tote geworden war, wer ihm nahe gestanden hatte, manchmal auch, zu welchem Glauben er sich bekannt hatte, und anhand des Textes konnte man sich eine Vorstellung von der Persönlichkeit des Toten machen und davon, auf welcher Gesellschaftsstufe er sich ungefähr befunden hatte zu dem Zeitpunkt, als er geholt worden war – ohne auch nur ein Hemd mitnehmen zu können.

      So ist das Finale des Lebens, man kann nichts mitnehmen, und selten wird man im Voraus gewarnt. Eines Tages heißt es einfach aufzubrechen.

      Sehr gern sah ich mir die Heiratsannoncen an. Ich reflektierte sie nicht, ich ließ sie nur auf mich wirken. Die Bilder und die Namen, von Nahestehenden und Verbundenen, die erwartungsvollen Blicke, das Lächeln auf diesen Fotos, die vor der ganzen Welt enthüllten, wie groß die Hoffnung auf lebenslange Liebe und unauflösliche Verbindungen zwischen Familien und Generationen war. Auf mich wirkten die Menschen auf den Bildern stark und unüberwindbar, sie befanden sich auf dem Höhepunkt ihrer Jugend, waren glücklich und optimistisch. Nichts konnte ihre Freude trüben.

      Damals wusste ich noch nichts über die existentielle Gefährdung des Menschen, nichts darüber, wie ausgeliefert er ist. Wie er sich preisgibt und glaubt und hofft, dass alle und alles auf die beste Weise zusammenwirken.

      Dann waren da die Geburtsanzeigen! Wo außer den Namen der Eltern zuweilen auch die der Geschwister und die der älteren Generation genannt wurden. Alle waren so froh gestimmt. Klein-Karl war zur Welt gekommen, nur einundfünfzig Zentimeter lang, allem Anschein nach kerngesund, und er hatte bereits eine große Schwester, die Emma hieß. Welche Wonne!

      Ich war so unwissend zu jener Zeit. Blätterte zerstreut in der Morgenzeitung, während ich darauf wartete, dass der Kaffee fertig wurde.

      Jan gefiel diese Sache nicht, er fand, ich sollte die wichtigen Dinge verfolgen, meinte sogar, es sei meine Pflicht. Aber zu dieser frühen Morgenstunde schlief er meist noch, ins Büro ging man ja erst später, und deshalb war ich allein mit den Brautpaaren und konnte mich ungestört meinen Fantasien hingeben.

      Manchmal dachte ich an unsere eigene Hochzeit vor vierundzwanzig Jahren. Wie jung und dumm man damals gewesen war. Heute war man nur noch dumm. Hässlicher, aber genauso dumm. Die Fantasie allerdings trieb immer üppigere Blüten.

      Dort in der Frühe am Küchentisch schrieb ich meine eigenen Romane, genauso wie