Nonni erzählt: Erlebnisse und Geschichten vom frohen Öresund.. Jón Svensson

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Название Nonni erzählt: Erlebnisse und Geschichten vom frohen Öresund.
Автор произведения Jón Svensson
Жанр Документальная литература
Серия Nonni
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788711445785



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      Jón Svensson

      Nonni erzählt

      Erlebnisse und Geschichten vom frohen Öresund

      Mit Bildern

      von Johannes Thiel

      Saga

      1. Ein Land mit offenen Türen

      In diesem Buche will ich erzählen, was ich in meinen späteren Lebensjahren auf den dänischen Inseln, einem der Heimatländer der streitbaren und seetüchtigen Normannen, erlebt habe.

      Ich habe lange in diesen paradiesisch-schönen, meerumsäumten Gauen geweilt — im ganzen 26 Jahre. Und ich muss gestehen, sowohl Land wie Leute sind mir ungemein teuer geworden; das Land, weil es so ausnehmend schön und lieblich ist, und das Volk erst recht, weil es so freundlich und fröhlich, so geweckt und höflich, so gebildet und dabei doch so einfach und bescheiden ist und noch dazu ein so gutes Herz hat.

      Doch nicht nur in Dänemark, sondern auch in andern fremden Ländern habe ich mich jahrelang aufgehalten. Mein Schicksal hat es nun einmal so gewollt.

      Das werden die meisten meiner jungen Leser aus meinen früheren Büchern und von meinen vielen Vorträgen wissen, die ich seit mehr als zwanzig Jahren fast täglich und in den verschiedensten Ländern Europas gehalten habe. Überall, wo ich gewesen bin, habe ich mich glücklich gefühlt, denn überall waren die Menschen gut zu mir.

      Aber am meisten hat es mich immer zu dem entzückend schönen Land am Baltischen Meere und ganz besonders zu den paradiesischen Inseln am Sund und Belt hingezogen, die mitten in den azurblauen Fluten dieser prachtvollen nordischen Wasserstrassen wie duftende Lustgärten schimmern und deren liebenswürdige Bevölkerung für immer einen bevorzugten Platz in meinem Herzen einnehmen wird.

      Ich erinnere mich noch lebhaft, wie ich den ersten Eindruck von den Schönheiten Dänemarks empfing.

      Es war auf Island, meiner teuren Heimatinsel. Ich war damals noch ganz klein, zwischen neun und zehn Jahren alt.

      Ich weilte für eine Zeit auf einem grossen Hofe im Innern des Landes, bei einer Familie, die zum Freundeskreise meiner Eltern gehörte.

      Es wurde dort viel gelesen, viel geschrieben, viel gedichtet und überhaupt allerlei getrieben, was zu einem regen geistigen Leben gehört.

      Eines Abends nun sass ich mit den Leuten in der grossen Wohnstube des Hofes, von den Isländern „Badstofa“ genannt. Ein Mann mit einem Buche in der Hand und einem andern auf dem Schosse sass an einer Holzsäule, an der eine kleine, äusserst einfache Öllampe hing.

      Es war dies der Platz, von wo aus an den Winterabenden den wissbegierigen Bewohnern des Hofes vorgelesen zu werden pflegte. Die Leute sassen rundherum im Halbdunkel auf Stühlen und Bänken und Betten und waren mit Spinnen, Stricken, Nähen, Holzschnitzen, Kunstweben und ähnlichen Handarbeiten beschäftigt.

      Ich war voller Aufmerksamkeit und Spannung; denn der Mann las eben etwas aus der Edda und dann aus einem uralten isländischen Sagabuch vor. — Es war dort von Dänemark die Rede, und das Land wurde als „Freias Wohnung“ bezeichnet.

      Die Götterkönigin Freia war mir wohl bekannt. Aber dass sie in Dänemark gewohnt habe, davon hatte ich noch nie etwas gehört.

      „Warum hat denn Freia sich gerade Dänemark als Wohnung gewählt?“ fragte ich einen sehr begabten Hirtenknaben, der neben mir sass und ein grosser Freund von mir war.

      „Weisst du denn das nicht?“ antwortete er. „Freia ist die Göttin der Schönheit, der Liebe und der Fruchtbarkeit. Sie schwebt — so erzählt die Sage — in einem leichten Federgewand wie eine Wolke über die Erde, lässt warmen Regen über die Felder fallen und bricht die Macht des Winters. Deshalb musste sie in Dänemark wohnen. Das Land ist nämlich so schön und so fruchtbar, und die Menschen dort sind so gut und so liebenswürdig.“

      „Ist Dänemark schöner als Island?“ fragte ich weiter.

      „So wuchtig ist es nicht. Es hat keine Berge, keine Täler, keine grossen Flüsse, keine Wasserfälle wie Island. Aber es hat riesengrosse und schöne Buchenwälder, reiche, fruchtbare Ebenen, herrliche Frucht- und Blumengärten, ein mildes, angenehmes Klima und ist überhaupt viel lieblicher als unser Land. — Und hast du nicht gehört, was soeben aus dem uralten Sagabuch vorgelesen wurde? Ich meine die Knytlingersaga, die Geschichte von den Dänenkönigen, mit der herrlichen Erzählung von König Knut und den Bauern.“

      Jetzt kam mir alles wieder in den Sinn, was der Mann in der „Badstofa“ vorgelesen hatte. Es war dort von den Bauern die Rede, wie sie um ihre Wälder und Weiden kämpften, und wie sie besonders um den Öresund stritten, auf dem sie jahraus jahrein einen so reichen Heringsfang hatten, und den der König jetzt wegnehmen wollte, weil sie sich weigerten, ihm ihre Pferde zur Verfügung zu stellen, wenn er mit seinem Gefolge das Land durchzog.

      Auch von geheimnisvollen grossen und reichen Schiffen war in der Saga die Rede, die plötzlich im Öresund auftauchten und dann spurlos verschwanden.

      Am meisten aber hat mich die Geschichte von König Knut gefesselt. Er war ein starker Beschützer der Christen und jagte alle Heiden und Ungläubigen aus seinem Lande fort. Alle Mörder und Räuber, die sich an der Küste Dänemarks zeigten und das friedliebende dänische Volk beunruhigten, liess er töten.

      Wenn einer dem andern etwas zuleide tat, dann wurde er auf dieselbe Weise bestraft, mit der er ihn misshandelt hatte. Die Furcht vor seiner Gerechtigkeit und vor seinen Strafen war so gross, dass niemand in seinem Reich zu stehlen wagte.

      Ja die Liebe zur Ehrlichkeit ging bei dem grossen Dänenkönig Knut so weit, dass er seinem Volke den Rat gab, die Türen und Schränke nicht zu verschliessen, wenn sie vom Hause weggingen, und die Pferde nicht anzubinden. Und wenn dann jemand etwas gestohlen werde, oder er vermisse irgend eine Sache, dann möge er nur zu ihm kommen. Er werde ihm zunächst den Wert ersetzen, den das Gestohlene habe. Dann aber werde er mit Hilfe seiner Soldaten den Dieb suchen und ihn dermassen bestrafen, dass ihm ein für allemal die Lust zum Stehlen vergehe.

      Dieser erste Eindruck, den ich von Dänemark und den Dänen bekam, prägte sich tief in meine Seele ein, und mein Entschluss stand sofort fest: „Wenn ich einmal gross bin, dann werde ich Dänemark, die herrliche Wohnung der Freia, besuchen.“

      2. Meine Träume erfüllen sich

      Doch so lange sollte es nicht dauern bis zur Verwirklichung meines Wunsches, denn — merkwürdige Fügung! — kaum waren zwei Jahre vergangen — ich war eben zwölf Jahre alt geworden und wohnte bei meiner Mutter in der reizend schönen Stadt Akureyri auf Nordisland —, da kam eines Tages wie ein Blitz aus heiterem Himmel eine wunderbare Überraschung, wohl die grösste meines Lebens: ich sollte schon bald auf einem kleinen Segelschiff den gewaltigen Atlantischen Ozean durchqueren, um nach dem Lande meiner Sehnsucht, dem lieblichen Dänemark, zu reisen! ...

      Man kann sich meine Ergriffenheit denken. Ich war kaum imstande, ein solches Glück zu fassen, und fiel gleichsam in eine dauernde Verzückung.

      Die kühnsten Träume meiner Kindheit sollten jetzt mit einem Male in Erfüllung gehen — und zwar weit über alle meine Erwartungen hinaus.

      Da ich in kurzer Zeit nach Dänemark reisen sollte, sehnte ich mich danach, noch etwas mehr über die Dänen und ihr Land zu erfahren.

      Ich suchte daher jede Gelegenheit auf, mich über Dänemark zu erkundigen, und bemühte mich, mit einigen Dänen, die sich eben zu dieser Zeit in dem Städtchen aufhielten, zusammenzukommen, um sie mir etwas näher anzusehen und um ihren Charakter und ihr Wesen kennen zu lernen.

      Eines Tages hatte ich hierin besonderes Glück:

      Ich hatte mich ans Meeresufer begeben, das ganz nahe an unser Haus heranreichte, und betrachtete dort die grossen ruhigen Wellen, die ununterbrochen an den Strand schlugen, um gleich darauf eines jähen Todes zu sterben, und ich schaute dort den Wasservögeln zu, die in den Lüften und auf den Wellen ihr fröhliches Spiel trieben.

      Da auf einmal kam ein kleiner Junge zu mir hergelaufen. Ich kannte ihn gut; er gehörte einer Familie der Stadt an.

      „Nonni“,