Название | BEGEGNUNGEN - Komische Vögel und Zeitfreundschaften |
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Автор произведения | Wilma Franck |
Жанр | Контркультура |
Серия | Begegnungen |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347036802 |
BEGEGNUNGEN
Komische Vögel und Zeitfreundschaften
Band 2
Wilma Franck
Wilma Franck
BEGEGNUNGEN
Komische Vögel und Zeitfreundschaften
Impressum:
© 2020 Wilma Franck
1. Auflage 2019
Umschlagbild: GDJ Gordon Johnson USA
Illustrationen: Clker-Free-Vector und Schmidsi
www.pixabay.com
Druck und Verlag:
tredition GmbH
Halenreie 40–44
22359 Hamburg
ISBN:
978-3-347-03678-9 (Paperback)
978-3-347-03679-6 (Hardcover)
978-3-347-03680-2 (e-Book)
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Geballte Zweisamkeit
(2)
Seeluft
Natürlich war er nicht ausgestiegen. Natürlich? Was ist natürlich daran, sich anders zu verhalten, als es einem gefühlsmäßig richtig erscheint? Was ist unnatürlich daran, sich so zu verhalten, wie die Vernunft es gebietet? Ist Vernunft widernatürlich? Darf Verhalten gefühlsmäßig geführt sein?
Dies Fragen gehen ihm durch den Kopf, als er die beiden Koffer in das Ferienhaus trägt. Gleichzeitig gibt der Magen einfach keine Ruhe. Herrje, flucht er im Innern, wann ist das endlich vorbei? So schwer der Stein im Magen! Immerhin kriegt er jetzt besser Luft, weil er sich bewegen kann, und die Luft von See weht erfrischend herüber. Ein bisschen kühl noch trotz der Spätsommersonne.
Wie immer, wenn sie dieses Ferienhaus nutzen, hat sie alle Fenster geöffnet und ihre Handtasche mit dem Beautycase auf das kleine Garderobenschränkchen gestellt. Er legt Autoschlüssel, Portemonnaie und sein Handy daneben. Gewohnte Ordnung seit Jahren.
Das Handy blinkt. Sie registriert das und erinnert sich nicht, ein Signal gehört zu haben, als ein Anruf oder eine Kurzmitteilung auf seinem Handy eingegangen ist. In ihrer Magengrube kribbelt es unangenehm. Obwohl sie nicht wissen kann, weiß sie doch. Sie weiß fast sicher, dass jene Frau ihm einen Gruß geschickt haben kann. Haben könnte? – Nein, sie ist sich ganz sicher: sie hat! Sie würde gern das Handy nehmen, nachschauen, was eine andere Frau ihm schreibt. Aber sie fürchtet, er könnte es sehen, sie erwischen. Noch mehr fürchtet sie, sich lächerlich u machen, weil doch nur irgendwer anstatt jener Frau ihm geschrieben haben könnte.
Mit einem tiefen Atemzug besänftigt sie das Kribbeln in der Magengrube und geht an ihm vorbei aus dem Haus. In dem Augenblick da sie in der schmalen Diele aneinander vorbei gehen, nehmen sie unbewusst so viel Abstand voneinander wie nur möglich. Zwischen ihnen: kalter Wind. Nicht die Seeluft. Kühle! Eisige Kühle einer Distanz, die immer unüberwindbarer wird.
Die frische Luft draußen tut ihr gut. Und da rührt sich in ihr wieder dieses klitzekleine Gefühlchen einer Hoffnung, dass hier an einem neutralen Ort, in der Stimmung einer Urlaubsentspannung eventuell doch etwas zum Positiven bewegt werden kann.
Was ist positiv, fragt sie sich im gleichen Moment. Sofort setzt das ekelhafte Magengrubenkribbeln wieder ein, und sie verdrängt die Antwort zur Frage auf später. Am liebsten viel später.
Sie hat geschrieben. Sein Herz setzt für Bruchteile einer Sekunde aus, um dann aufgeregt zu pochen. Einen schönen Urlaub wünscht sie ihm und viel Sonnenschein … wäre schön, wenn sie jetzt hier sein könnte, denkt er für einen kurzen Augenblick. – Doch gleich beißt ihn schon wieder das schlechte Gewissen. Sofort löscht er die Nachricht und legt das Handy wieder ab. Draußen wartet noch ein Korb zum Hereintragen.
Wieder gehen sie beide aneinander vorbei, Abstand wahrend so weit wie nur irgend möglich. Er hat es plötzlich ganz bewusst bemerkt. Die Kühle. Der große Abstand. Liegt vielleicht nur an der SMS, denkt er, und fühlt sich ein wenig erleichtert. Obwohl er sich gefreut hat, die Nachricht zu lesen, wünschte er in diesem Augenblick, sie hätte nicht geschrieben. Besser ist, sich hier am Urlaubsort auf sich selbst zu konzentrieren, sich gelassen und normal zu geben. Aushalten, die geballte Zweisamkeit. Nur er. Nur sie. Nur die frische Seeluft. Nur die Zeit.
Möge sie rasch vergehen …
Normal. Ein seltsames Wort, denkt er weiter, als er den Wagen abschließt und wieder in Haus geht. „Wir versuchen, Normalität zu leben“, hatte er ihr gesagt. Was ist Normalität? Tägliche Routinegespräche? Definiere Gespräch, fordert er sich selbst in Gedanken auf. Aber schon beim gedachten Ausrufezeichen in der Forderung bleibt er stecken.
Er versucht, sich abzulenken. Dieses ständige Nachdenken führt doch schon so lange zu keinem Ergebnis. Die dazugehörenden Gefühle deckelt er sorgsam, denn wenn er ihnen Aufmerksamkeit schenkt, geht es ihm schlecht. Das Merkwürdige ist, dass es ihm in letzter Zeit immer schlecht geht. Ob er nun die Gefühle wahrnehmen will oder nicht. Das üble Unbehagen, der Magendruck, die Kopfschmerzen, die Enge in der Brust … sie sind auch dann vorhanden, wenn er sich nicht mit Gefühlen auseinandersetzt. Komisch, dass ihm das jetzt auffällt.
Erst jetzt? Jetzt erst recht?
Alle Ablenkungsversuche helfen ihm heute nicht. Koffer auspacken, die Polos in den Schrank verstauen, den Kulturbeutel ins Bad tragen, Rasierzeug, Eau de Toilette, Deo, Duschgel … alles hat seit Jahren den angestammten Platz. Dabei hat er sich nie bewusst gemerkt, in welcher Reihenfolge er die Sachen auf der Spiegelablage „seines“ Spiegels abstellte. Seine Frau hatte ihn mal drauf angesprochen. Ewige Jahre her … sie hatten damals darüber gelacht. Er macht es immer noch so, das sortierte Aufbauen seiner Badutensilien. Gelacht wird nicht mehr.
Sie schmunzelt innerlich, obwohl ihr beileibe nicht danach zumute ist. Er stellt noch immer seine Sachen in genau derselben Reihenfolge auf die Ablage wie seit Jahr und Tag. Manche Dinge verändern sich scheinbar doch nicht, überlegt sie. Könnte sie das mal über ihre Gefühle sagen. Doch da kennt sie sich gar nicht mehr aus. Im Augenblick ist ihr eher zum Weglaufen zumute. Vielleicht ist diese Reise doch keine gute Idee?
Während er schon fertig ist mit dem Einrichten für die nächsten zwei Wochen, geht sie in die Küche, packt die Lebensmittel in den Kühlschrank und bereitet die Kaffeemaschine vor fürs Kaffeetrinken. Ein Ritual. Alles mechanisch. Routine eben.
Dass man mit so wenigen Worten auskommen kann und sich trotzdem versteht, wundert sie sich Sie hatten während der Fahrt kaum miteinander geredet. Er war wie immer konzentriert aufs Fahren, sie hatte ihren eigenen Gedanken nachgehangen und die Landschaft betrachtet. Lustlos eigentlich. Aber es lenkte ab und machte eine aus dem Boden gestampfte Konversation überflüssig.
Die ganze Zeit während der Fahrt hatte sie den Eindruck, dass er jeden Moment rechts ran fährt und sich verabschiedet. Jetzt noch in der Erinnerung klopft ihr Herz erschrocken schneller bei der Vorstellung, wie sie dagestanden hätte. Ganz allein. Auf der Autobahn. Ohne ihn.
Ohne ihn. Ohne ihn? Ging das überhaupt? Seit über drei Jahren hat sie darüber wieder und wieder nachgedacht. Kann sie ohne ihn leben? Und wie wird das aussehen?
An diesem Punkt ihrer Überlegungen bricht sie ab – wie immer.
Wenn nur die Zeit schnell vergeht, denkt er, als er sich mit einem der vielen Bücher, mit denen er sich vor der Abreise noch eingedeckt hat, in einem Gartenstuhl unter dem Sonnenschirm niederlässt.
Zwei Wochen später.
Sie rollen zurück. Heimwärts. Sitzen wieder nebeneinander in ihrem Auto, fahren