Название | Die Welt, in der wir leben |
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Автор произведения | Wilfried Nelles |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | Edition Neue Psychologie |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783947508754 |
Ähnliches gilt, wenn der Vater nicht da ist, wenn er anonym ist (wie bei einer Befruchtung durch fremde Samenspender) oder verschwiegen wird oder wenn er sich einfach nicht um das Kind kümmert und die Frau damit allein lässt. Dann fehlt dem Kind etwas. Genetisch ist es ja zur Hälfte sein Vater; wenn dieser Mensch im Außen nicht da ist, findet das Kind für etwas, was in ihm ist, im Außen keine Resonanz. Keine Resonanz heißt: Es kommt nichts zurück, es gibt für das, was in ihm ist, für die väterliche Hälfte, keinen Widerhall. Ersatzväter können diese Resonanz nicht herstellen, sie kann nicht gemacht werden. Dieses „Mir fehlt etwas, ich bin nicht ganz“ wird es ebenfalls so lange begleiten, bis es erkennt, dass es schon immer vollständig war. Ich habe das bei meiner Mutter erlebt, deren Vater kurz nach ihrer Zeugung tödlich verunglückt ist. Das Kind in ihr hat sich immer unvollständig gefühlt, denn es „hatte keinen Papa“.
Exkurs 1: Familienaufstellung
Der verschwiegene oder „falsche“ (untergeschobene) Vater taucht oft in Familienaufstellungen auf. Statistisch ist es so, dass in Europa etwa zehn Prozent der offiziellen Väter nicht die wirklichen Väter sind. In Ländern, in denen die Sitten lockerer sind, dürften dies noch mehr sein. Wenn sich dies in einer Aufstellung zeigt, ist das zwar kein Beweis, aber wenn die Betroffenen es als Hinweis nehmen und der Sache nachgehen, finden sie es oft bestätigt. Die meisten sind auch nicht überrascht, wenn so etwas auftaucht, sondern fühlen sich in einem Gefühl bestärkt, dass sie immer schon hatten. Es gibt dafür aber keine tragfähige Erklärung – weder dafür, dass die Betroffenen das „irgendwie“ wissen oder fühlen, noch dafür, dass die Stellvertreter in einer Aufstellung dies spüren können.
Mir scheint, dass wir es in beiden Fällen mit Resonanzphänomenen zu tun haben. Dieses Thema ist bisher kaum erforscht. Neben der bereits erwähnten Theorie der „morphischen Resonanz“ von Rupert Sheldrake, der sich dabei auf biologische Beobachtungen bei Pflanzen und Tieren stützt (Sheldrake ist Biologe), hat in jüngster Zeit der Soziologe Hartmut Rosa mit einer Resonanztheorie über unsere Weltbeziehung von sich reden gemacht.31 Die Beobachtungen in Aufstellungen passen zu diesen Theorien. Sie geben dem Magischen, was der Aufstellungsarbeit oft anhaftet, eine recht nüchterne Grundlage. Dass ein Kind innerlich spürt (wenn auch nur in Form eines irritierenden Gefühls, dass da „etwas nicht stimmt“), dass sein Vater nicht sein Vater oder – wie bei vertauschten Kindern – seine Mutter nicht die Mutter ist, macht im Lichte der Resonanztheorie unmittelbar Sinn. Es findet nämlich für seine genetische Ausstattung im Außen keinen Widerhall, keine Resonanz, es erkennt sich in dem genetisch fremden Mann und der fremden Frau nicht wider.
In diesem Lichte lässt sich dann auch die Vertretung oder „Identifizierung“, die sich in Familienaufstellungen zeigt, besser und anders erklären. Sie besteht u.a. darin, dass zum Beispiel bei einer Frau, die ihren Vater nicht kennt, der erste Sohn (im Fall meiner Mutter war ich das) den fehlenden Vater „vertritt“ (so die von Hellinger eingeführte Terminologie). Resonanztheoretisch ist dies unvermeidbar und keineswegs, wie es bei Hellinger und den ihm darin folgenden Aufstellern gesehen wird, eine „Anmaßung“ des Kindes. Die Mutter findet einfach in dem Sohn, der ja mit ihrem Vater ein Viertel seiner Gene teilt, eine Resonanz für etwas, was ihr immer gefehlt hat. Dieser Resonanz kann sich der Sohn nicht entziehen und die Mutter auch nicht, man kann sie höchstens später, als Erwachsener, durchschauen. Eine solche Sichtweise hätte einmal den Vorteil, dass sie den moralischen Touch, der in dem Wort „Anmaßung“ steckt, wegnimmt; zum zweiten ist sie viel sachlicher als die Idee einer geheimnisvollen „Identifizierung“ des Enkels mit einem Großvater, den er nie gekannt hat, mit dem er aber angeblich tief in Liebe verbunden sein soll.
Auch die Erfahrung, von der Adoptiveltern, die auch eigene Kinder haben, immer wieder berichten, dass sich die Beziehung zu dem genetisch fremden Kind grundsätzlich anders anfühlt als die zum eigenen Kind, ohne dass man diese Kinder weniger liebt, würde in dem Resonanzphänomen eine Erklärung finden. Umgekehrt gilt ja dasselbe, auch Adoptivkinder fühlen die Fremdheit zu den Adoptiveltern, ganz unabhängig von der Frage der Liebe.
Vor vielen Jahren hatte ich einmal eine Familienaufstellung, die auf ein Geheimnis oder etwas Verdrängtes bei einem sechzigjährigen Mann verwies. Der Mann selbst war nicht anwesend, seine Partnerin hatte sich ihre Beziehung zu ihm anschauen wollen. In der Aufstellung schaute sein Stellvertreter immer auf einen bestimmten Punkt. Die Frau erzählte dann, er sei einmal verheiratet gewesen und habe aus dieser Ehe ein Kind. Als ich die Ex-Frau und das Kind dazustellte, schauten alle drei auf diesen Punkt. Ich habe dann nicht weitergeforscht, da der Mann selbst nicht anwesend war. Ein Jahr später habe ich erfahren, worauf alle drei geschaut hatten: Er hatte noch ein Kind. Das erste Kind mit dieser Frau hatten die beiden schon vor der Geburt zur Adoption freigegeben, keiner von beiden hatte es zu Gesicht bekommen. Genau um die Zeit der Aufstellung hatte dieses Kind, eine Frau von jetzt 33 Jahren, ihre Adoptiveltern in Amerika gefragt, ob sie wirklich ihre Eltern seien. Nachdem sie die Wahrheit erfahren hat, hat sie nach ihren richtigen Eltern geforscht und den Vater – er war Amerikaner, lebte aber seit langem in Europa – drei Monate später in Deutschland ausfindig gemacht. Die Tochter war übrigens genauso alt wie seine jetzige Freundin, die er heiraten wollte.
Einer meiner besten Freunde ist zeugungsunfähig und hat drei Kinder adoptiert. Zwei davon waren anonyme Adoptionen, das heißt, mein Freund und seine Frau wussten nichts über die Eltern der Kinder, und die Kinder natürlich auch nicht. Mit Vollendung des 18. Lebensjahres hatten die Kinder aber das Recht zu erfahren, wer ihre leiblichen Eltern sind. Der jüngste Sohn hat davon Gebrauch gemacht und dann mit seinem Vater, einem Afrikaner, der in Deutschland lebt, Kontakt aufgenommen. Der Junge boxte gerne und sehr gut (was seinem Adoptivvater, einem Psychologieprofessor, völlig abging), er war mit sechzehn sogar westdeutscher Jugendmeister. Als er seinen leiblichen Vater (im Beisein meines Freundes) zum ersten Mal traf und diesem erzählte, dass er boxt, sind die beiden sich in die Arme gefallen. Der Vater war auch Boxer gewesen. So erkannten sie sich. Seitdem sind sie, wie mein Freund mir erzählte, „ein Herz und eine Seele“ (ohne dass dies der Beziehung zu den Adoptiveltern etwas wegnimmt, ganz im Gegenteil). Das ist Resonanz.
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