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in die Augen. »Es ist normal. Würden wir nicht nachdenklich werden, würden wir uns auch keine Gedanken um unsere Zukunft machen. Dann wären wir keinen Deut besser als die ganzen abgestürzten Existenzen am Rande des Hippiemarktes, oder die Typen, die auf dem Sonntagsmarkt in Santa Cruz verzweifelt auf alten Gitarren klimpern und irgendwelche noch älteren Songs zum Besten geben, in der Hoffnung, ein paar Peseten im Hut zu haben. So wollen wir alle nicht enden. Ist schon lustig, dass ich gerade vorhin unter der Dusche darüber nachgedacht habe.«

      Carlos streichelte mir sanft über die Wange. »Das ist mein kluges Mädchen, ich habe nichts anderes von dir erwartet.« Gedankenverloren drückte er seine Zigarette im Aschenbecher aus. »Nur, leichter macht es das auch nicht. Solch wunderbare Jahre, wie wir sie hatten, möchte man auf immer festhalten.«

      »Wohl wahr, nur geht das eben leider nicht, wie wir ja schon festgestellt haben.«

      Er zog mich noch enger an sich und ich fühlte, wie sein Herz schlug. »Nein, das können wir nicht, und das macht mich derzeit einfach nur traurig.«

      »Ach nun komm, traurig zu sein bringt uns auch nicht weiter.«

      »Sicher nicht, aber ich kann nicht anders.«

      Vorsichtig stellte ich mein leeres Glas auf dem Tisch ab. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und steckte meine Nase in seine Haare. »Was kann ich tun, damit du wieder lächeln kannst?«

      »Du hast mir die letzten Jahre immer ein Lächeln geschenkt, du warst die Sonne in meinem Leben. Sieh lieber zu, dass du dieses Lächeln nicht auch noch verlierst. Dich unglücklich zu sehen wäre ein bisschen zu viel für mich.«

      »Carlos, du spinnst. Du weißt, so lange du in meiner Nähe bist, kann ich gar nicht traurig sein.«

      »Stimmt nicht. Jetzt gerade bist du es, und versuch gar nicht erst, das Gegenteil zu behaupten. Du weißt, dass ich dich zu gut kenne.«

      »Erwischt.« Ich hob meinen Kopf und streichelte sanft sein Gesicht. »Gut möglich, dass die Zukunft mir ein wenig Angst macht. Aber das bekommen wir alles in den Griff.«

      »Das will ich hoffen. Und nun wird geschlafen, es ist weit nach Mitternacht.« Er küsste mich auf beide Wangen und ganz kurz und zart auf die Lippen, dann stand er mit mir zusammen auf und stellte mich vor sich ab. »Gute Nacht, Cara. Träum etwas Schönes.«

      Ich war verwirrt. »Bleibst du nicht hier?«

      »Nein, corazón, ich muss ganz früh raus. Morgen steht um acht Uhr ein Telefonat mit Jaime an und ich muss den Plan für die kommende Woche ausarbeiten. Wir sind auf einem verdammt guten Weg mit dem Club, und das muss so bleiben. Wir sehen uns morgen.«

      Ehe ich antworten konnte, war er schon elegant und geräuschlos wie eh und je über die Brüstung auf seinen Balkon gesprungen.

      Ich lag wohl richtig. Es waren neue Zeiten angebrochen.

      Noch nachdenklicher als zuvor schlich ich ins Bad, putzte mir die Zähne und kroch in mein Bett.

      6.

      Seit knapp sechs Wochen waren wir nun auf Lanzarote. Der Club lief inzwischen so, wie es sich für einen Club der Costa-Azul-Kette gehörte. Carlos war ein »natural born leader« und ein jeder erkannte seine Autorität an, insbesondere, da er selbst am meisten von sich verlangte. Seine Funktion als Clubchef und als Leiter des Animationsteams ließ ihm kaum mehr eine freie Minute. Die Entwicklung, die wir bereits wenige Tage nach unserer Ankunft miterlebt hatten, schritt stetig voran.

      Carlos war zu einem ernsten, nachdenklichen Menschen geworden. Wann immer er es schaffte, kam er am Abend oder in der Nacht zu mir. Wir beide brauchten die gegenseitige Nähe, die Wärme des anderen. Es gab Abende, an denen er wortlos unter meine Decke schlüpfte und mich einfach nur fest in die Arme nahm. Dann gab es die Nächte, in denen er sich seine Sorgen von der Seele redete und die, in denen wir beide einfach nur Zärtlichkeit brauchten.

      Doch abgesehen von zärtlichem Streicheln und liebevollen, sanften Küssen geschah nichts. Wir wussten nur zu gut, dass eine weitere gemeinsame Nacht wie am Strand von Ibiza einfach zu gefährlich wäre. Stillschweigend wusste das ganz besonders ich. Noch eine solche Nacht mit Carlos und ich würde wohl nicht mehr darauf verzichten wollen. Lises Worte wollten mir nicht aus dem Kopf, aber eigentlich wusste ich es ja selbst. Er war einfach nicht die Liebe meines Lebens.

      Ab und an zeigte sich – vor allem, wenn wir eine besonders erfolgreiche Show abgeliefert hatten – wieder sein fröhliches Lächeln. Doch es war selten, viel zu selten.

      Heute am frühen Morgen, nachdem ich schwitzend, aber zufrieden, von meiner Aerobic-Stunde zurückgekommen war, klopfte es an meine Tür.

      »Guten Morgen, mi amor. Sag mal, hättest du Lust, heute Abend endlich wieder in Ruhe gemeinsam zu essen? Nur wir beide? Heute ist spanisches Büfett und anschließend Party im Poolbereich, da hätten wir Zeit.«

      Carlos‹ Blick war so bittend, dass ich ihm den Wunsch, den ich ihm sowieso nicht abgeschlagen hätte, nur zu gerne gewährte. Ich freute mich, dass er nach wie vor Wert darauf legte, Zeit mit mir zu verbringen.

      »Keine Frage! Natürlich, sehr gerne. Ich zaubere uns etwas Leckeres, einverstanden? Restaurant haben wir ja immer.«

      »Exzellente Idee, ich freue mich. Wann soll ich da sein und was soll ich mitbringen?«

      Ich grinste. »Acht Uhr und gute Laune.«

      Er küsste mich und lächelte. »Acht Uhr geht in Ordnung, gute Laune wird sich zeigen, kommt aber spätestens, wenn ich bei dir bin.«

      Schmunzelnd trabte Carlos von dannen und ich schloss kopfschüttelnd meine Wohnungstür. Gütiger Himmel, waren wir erwachsen geworden.

      Es war bereits Nachmittag, als ich endlich die Zeit fand, mir einen der Jeeps zu nehmen und nach Puerto del Carmen zu meinem Lieblingssupermarkt zu fahren. Auf der Fahrt betrachtete ich mein derzeitiges Zuhause genau. Eigentlich war ich mir schon am ersten Tag darüber im Klaren gewesen: Lanzarote war zauberhaft. Ich mochte die schwarze Schönheit von Woche zu Woche mehr. Seit einigen Tagen boten wir im Club Rundfahrten an. Silvie und ich waren die schönsten Sehenswürdigkeiten abgefahren und hatten dann ausgewählt. Nun fuhren jeden Donnerstag vier Jeeps über die Insel, besuchten versteckte Orte, geheimnisvolle Höhlen, giftgrüne Lavaseen und schließlich die Playas de Papagayo, goldgelbe Strände in einem Naturschutzgebiet, die es mit jeder Karibikinsel aufnehmen konnten. Kristen und Rachel sorgten jedes Mal gemeinsam mit Neill, der sie mit dem Boot dorthin fuhr, für ein rustikal-leckeres Essen, ehe die Gäste den Tag mit baden und faulenzen ausklingen lassen konnten. Der Trip kam sehr gut an, wir kümmerten uns um den Strand, indem wir sämtliche Abfälle wieder entsorgten, und alle waren glücklich.

      Es war schön und amüsant gewesen, die Orte auszusuchen, und vor allem Silvie war zufrieden und hatte nach der Erkundungstour endlich verkündet, dass Lanzarote doch gar nicht so übel war. Der Gedanke an diesen Tag zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht, und so parkte ich in ausgesprochen guter Stimmung den Jeep und betrat den Supermarkt. Sarah, die nette Kassiererin, begrüßte mich mit strahlendem Lächeln und ich wusste wieder einmal genau, warum ich die Inseln und die Canarios so sehr liebte.

      Rasch füllte sich mein Korb mit zartem Lendensteak, frischen Kräutern, Gewürzen, kleinen Kartoffeln, frischem Brot, Tomaten, Salat und meinem geliebten Vanillequark. Dazu Orangen, Papaya, Bananen und Zigaretten – es sollte ja niemand sagen, ich würde ungesund leben.

      An der Kasse plauderte ich angeregt mit Sarah, bezahlte und packte mit ihrer Hilfe alles in eine große Tüte. Sie drückte mir das Riesending in den Arm, und da ich keine freie Hand hatte, öffnete ich die Tür schwungvoll mit meinem Allerwertesten und verließ rückwärtsgehend den Laden. Ein wenig zu schwungvoll, denn ich traf nicht gerade sanft auf ein ziemlich großes Hindernis.

      »Ay! Alles okay bei dir?«

      Mein Gott, was war ich doch für ein Schussel! Und noch einmal mein Gott, welch wunderschöne Stimme.

      Vor Schreck fiel mir die Hälfte meiner Einkäufe auf den Boden und ich bückte mich, um alles einzusammeln, während ich mich bei dem Hindernis entschuldigte.