Die Netflix-Revolution. Oliver Schütte

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       8Schöne neue Welt

       Wer besitzt meinen Film?

       Strukturwandel und Öffentlichkeit

       Liest Du noch oder streamst Du schon?

       Individualisierung

       Das globale Dorf

       Binge-Watching

       Von der linearen zur nonlinearen Gesellschaft

       Künstliche Intelligenz

       Wie der Algorithmus bestimmt, was wir sehen

       Big Data

       In der Filterblase

       9Die Revolution kontrolliert ihre Kinder

       Anhang

       Anmerkungen

       Bibliografie

       KAPITELimage

       EINLEITUNG

      Wie haben Sie zuletzt Fernsehen geschaut? Haben Sie den Tatort am Sonntag um 20.15 Uhr zusammen mit ihrem Ehepartner vor dem Fernsehgerät verfolgt, oder haben Sie die aktuelle Folge von The Crown von Netflix auf ihrem iPad gesehen? Vielleicht haben Sie auf ihrem Smartphone den neuesten Clip von LeFloid gecheckt, während Sie im Bus nach Hause fuhren.

      Wie, wo und was Sie auch immer Fernsehen genossen haben, Sie sind Teil einer Disruption, die sich buchstäblich vor Ihren Augen abspielt. Sie werden nicht nur Zuschauer bleiben, sondern Teilnehmer einer Entwicklung, die die Welt verändern wird. Im audiovisuellen Bereich ist dies die dritte Revolution. Und wie die beiden vorangegangenen wird sie beeinflussen, wie Sie die Welt wahrnehmen und wie Sie darin interagieren.

      Die erste Umwälzung begann Ende des 19. Jahrhunderts. Das Kino eroberte in kurzer Zeit den gesamten Globus. Der Erste Weltkrieg fand nicht mehr, wie andere gewalttätige Auseinandersetzungen vorher, in der Ferne statt, sondern wurde jeden Abend in den Lichtspielhäusern präsentiert. Dabei entwickelte sich eine neue Form des Geschichtenerzählens. Eine, die sich stark von ihren Vorgängern unterschied. Während Literatur die Leser nur auf dem Papier in seinen Bann zog und Theater das Publikum immer in einer gewissen Distanz hielt, zog das Kino den Zuschauer direkt in das Geschehen hinein.

      Gut ein halbes Jahrhundert später eroberte das Fernsehen ebenfalls innerhalb weniger Jahre die industrialisierten, »entwickelten« Länder. Das Weltgeschehen wie die Mondlandung kam ins Wohnzimmer und beeinflusste erneut die Art und Weise, wie wir die Welt wahrnahmen. Nicht nur, dass die Nachrichten in unser Leben Einzug hielten, sondern auch die Unterhaltung bestimmte fortan den Tagesablauf. Neben fiktiven Filmen wie in den Lichtspielhäusern kamen sehr schnell Shows und andere Entertainmentformate auf den Bildschirm. Und mit den Serien spielte das neue Medium seine Stärken gegenüber dem Kino aus.

      Das Leben der Menschen änderte sich durch das Fernsehen radikal. Es wurde zum Lagerfeuer am Abend, um das sich die Familie versammelte, und am nächsten Tag bestimmte das Gesehene häufig die Gespräche mit Kollegen und Freunden.

      Im Rahmen der dritten Disruption erleben wir derzeit einen erneuten globalen Wandel. Wir können von nun an bestimmen, wann wir schauen, wo und mit welchem Gerät. Neue Anbieter wie Netflix haben die Welt in Windeseile erobert, aber der Kampf um unsere Gunst (und unser Geld) ist noch nicht zu Ende. In den nächsten Jahren werden weitere Akteure auf den Markt kommen, die mit unterschiedlichen Angeboten ihren Platz suchen. Und Elemente der Künstlichen Intelligenz werden die Art und Weise verändern, wie wir mit unseren Geräten umgehen und wie wir fernsehen.

      Ist der Begriff »Revolution« für diese Veränderungen zu hoch gegriffen? Der Duden vermerkt, dass es sich um eine »tief greifende Wandlung; umwälzende, bisher Gültiges, Bestehendes o. Ä. verdrängende, grundlegende Neuerung« handelt. Wir Deutschen können auf unsere Erfahrungen einer friedlichen Revolution zurückgreifen, die kaum 30 Jahre her ist. Damals sind die Menschen massenhaft auf die Straße gegangen und haben einen Wandel durchgesetzt, der das Alte auf den Müllhaufen der Historie geworfen hat. Es gehört mit zu einer Revolution von diesem Ausmaß, dass vieles zerstört wird. Wir erleben gerade etwas Ähnliches im Medienbereich. Die existierenden Strukturen, die bekannten Herrschenden werden bald Geschichte sein. Aber die Frage bleibt: Was bringen die neuen Zeiten? Inwieweit wird sich unser Leben einmal mehr ändern?

      Und hat der Chef von Netflix Reed Hastings recht, wenn er behauptet, dass das kommende Zeitalter »einen einfachen aber revolutionärer Schritt von der Kontrolle durch die Anbieter hin zur Kontrolle der Zuschauer«1 bedeutet?

      In diesem Buch möchte ich Sie auf die Zukunft vorbereiten. Ich werde die Chancen beleuchten, die die Umwälzung, in der wir uns gerade befinden, in sich birgt, aber auch deren Gefahren. Wie in jeder Revolution haben wir die Aufgabe, die kommende Zeit aktiv mitzugestalten, ihre neuen Möglichkeiten aufzugreifen und den negativen Konsequenzen im Alltäglichen entgegen zu wirken.

      Was wir Zuschauer tatsächlich endlich brauchen, ist die Kontrolle. Und das Buch will die Frage beantworten, wie wir sie erlangen können.

       KAPITELimage

       ALS DIE BILDER LAUFEN LERNTEN

      Pünktlich wie jeden Tag verließ Charlotte, die junge Sekretärin in einer Rechtsanwaltskanzlei, um 18 Uhr ihren Arbeitsplatz am Kurfürstendamm. Es war bitterkalt draußen, und sie zog ihren Mantel zusammen, um nicht zu frieren. Unwillkürlich musste sie daran denken, wie sie mit ihrer Freundin Maria vor kurzem Silvester gefeiert und das neue Jahr 1927 begrüßt hatte. Vielleicht – so hoffte sie – wird noch mehr aus der Freundschaft. Heute würde sie nicht wie an den anderen Tagen die Straßenbahn nehmen, um schnell nach Hause zu kommen. Heute stand etwas Besonderes auf dem Programm.

      Vor dem Ufa-Palast am Zoo hatte sich eine riesige Menschentraube angesammelt, und der Verkehr staute sich auf den umliegenden Straßen, denn der Film Metropolis von Fritz Lang hatte Premiere. Natürlich gehörte Charlotte nicht zu den geladenen Gästen. Es ging ihr darum, einen Blick auf die Stars zu werfen. Und da stieg schon einer von ihnen aus seiner Limousine. Es war der berühmte Schauspieler Heinrich George, der mit seiner Leibesfülle unübersehbar war.

      Das Kino fasste 2000 Zuschauer und nach und nach füllte sich der rote Teppich mit den Darstellern, aber auch anderen Künstlern, und sogar die Politik war bei diesem Ereignis dabei. Der Monumentalfilm sollte ein Angriff auf Hollywood sein. Für die Effekte, Studiobauten, Statisten und die zahlreichen Kostüme hatte die Produktionsfirma mehr als fünf Millionen Reichsmark ausgegeben, hatte Charlotte