Der Neffe als Onkel. Friedrich von Schiller

Читать онлайн.
Название Der Neffe als Onkel
Автор произведения Friedrich von Schiller
Жанр Драматургия
Серия
Издательство Драматургия
Год выпуска 0
isbn



Скачать книгу

iller

      Der Neffe als Onkel / Lustspiel in drei Aufzuegen. Aus dem Franzoesischen des Picard

Personen

      Oberst von Dorsigny. Frau von Dorsigny. Sophie, ihre Tochter.

      Franz von Dorsigny, ihr Neffe. Frau von Mirville, ihre Nichte.

      Lormeuil, Sophiens Bräutigam. Valcour, Freund des jungen Dorsigny.

      Champagne, Bedienter des jungen Dorsigny. Ein Notar. Zwei

      Unterofficiere. Ein Postillon. Jasmin, Diener in Dorsigny's Hause.

      Drei Lakaien.

      Erster Aufzug.

      Erster Auftritt.

      Valcour tritt eilfertig herein, und nachdem er sich überall umgesehen, ob Niemand zulegen, tritt er zu einem von den Wachslichtern, die vorn auf einem Schreibtisch brennen, und liest ein Billet.

      "Herr von Valcour wird ersucht, diesen Abend um sechs Uhr sich im Gartensaal des Herrn von Dorsigny einzufinden. Er kann zu dem kleinen Pförtchen herein kommen, das den ganzen Tag offen ist. " – Keine Unterschrift! – Hm! Hm! Ein seltsames Abenteuer – Ist's vielleicht eine hübsche Frau, die mir hier ein Rendezvous geben will? – Das wäre allerliebst. – Aber still! Wer sind die beiden Figuren, die eben da eintreten, wo ich hereingekommen bin?

      Zweiter Auftritt.

      Franz von Dorsigny und Champagne, beide in Mäntel eingewickelt.

      Valcour.

      Dorsigny (seinen Mantel an Champagne gebend). Ei, guten Abend, lieber Valcour!

      Valcour. Was? Bist du's, Dorsigny? Wie kommst du hieher? Und wozu diese sonderbare Ausstaffierung – diese Perrücke und diese Uniform, die nicht von deinem Regiment ist?

      Dorsigny. Meiner Sicherheit wegen. – Ich habe mich mit meinem Obristlieutenant geschlagen; er ist schwer verwundet, und ich komme, mich in Paris zu verbergen. Weil man mich aber in meiner eigenen Uniform gar zu leicht erkennt, so habe ich's fürs sicherste gehalten, das Kostüm meines Onkels anzunehmen. Wir sind so ziemlich von einem Alter, wie du weißt, und einander an Gestalt, an Größe, an Farbe bis zum Verwechseln ähnlich und führen überdies noch einerlei Namen. Der einzige Unterschied ist, daß der Oberst eine Perrücke trägt, und ich meine eignen Haare – Jetzt aber, seitdem ich mir seine Perrücke und die Uniform seines Regiments zulegte, erstaune ich selbst über die große Aehnlichkeit mit ihm. In diesem Augenblick komme ich an und bin erfreut, dich so pünktlich bei dem Rendezvous zu finden.

      Valcour. Bei dem Rendezvous? Wie? Hat sie dir auch was davon vertraut?

      Dorsigny. Sie? Welche sie?

      Valcour. Nun, die hübsche Dame, die mich in einem Billet hieher beschieden? Du bist mein Freund, Dorsigny, und ich habe nichts Geheimes vor dir.

      Dorsigny (lachend). Die allerliebste Dame!

      Valcour. Worüber lachst du?

      Dorsigny. Ich bin die schöne Dame, Valcour.

      Valcour. Du?

      Dorsigny. Das Billet ist von mir.

      Valcour. Ein schönes Quiproquo, zum Teufel! – Was fällt dir aber ein, deine Briefe nicht zu unterzeichnen? – Leute von meinem Schlag können sich bei solchen Billets auf etwas ganz anders Rechnung machen – Aber da es so steht, gut! Wir nehmen einander nichts übel, Dorsigny – Also ich bin dein gehorsamer Diener.

      Dorsigny. Warte doch! Warum eilst du so hinweg? Es lag mir viel daran, dich zu sprechen, ehe ich mich vor Jemand anderem sehen ließ. Ich brauche deines Beistands; wir müssen Abrede mit einander nehmen.

      Valcour. Gut – Du kannst auf mich zählen; aber jetzt laß mich, ich

      habe dringende Geschäfte-Dorsigny. So? Jetzt, da du mir einen

      Dienst erzeigen sollst? – Aber zu einem galanten Abenteuer hattest du

      Zeit übrig.

      Valcour. Das nicht, lieber Dorsigny. Aber ich muß fort, man erwartet mich.

      Dorsigny. Wo?

      Valcour. Beim l'Hombre.

      Dorsigny. Die große Angelegenheit!

      Valcour. Scherz bei Seite! Ich habe dort Gelegenheit, die Schwester deines Obristlieutenants zu sehen – Sie hält was auf mich; ich will dir bei ihr das Wort reden.

      Dorsigny. Nun, meinetwegen. Aber thu' mir den Gefallen, meiner Schwester, der Frau von Mirville, im Vorbeigehen wissen zu lassen, daß man sie hier im Gartensaale erwarte – Nenne mich aber nicht, hörst du?

      Valcour. Da sei außer Sorgen. Ich habe keine Zeit dazu und will es ihr hinauf sagen lassen, ohne sie nur einmal zu sehen. Uebrigens behalte ich mir's vor, bei einer andern Gelegenheit ihre nähere Bekanntschaft zu machen. Ich schätze den Bruder zu sehr, um die Schwester nicht zu lieben, wenn sie hübsch ist, versteht sich. (Ab.)

      Dritter Auftritt.

      Dorsigny. Champagne.

      Dorsigny. Zum Glück brauche ich seinen Beistand so gar nöthig nicht – Es ist mir weniger um das Verbergen zu thun – denn vielleicht fällt es Niemand ein, mich zu verfolgen – , als um meine liebe Cousine Sophie wieder zu sehen.

      Champagne. Was Sie für ein glücklicher Mann sind, gnädiger Herr! – Sie sehen Ihre Geliebte wieder, und ich (seufzt) meine Frau! Wann geht's wieder zurück ins Elsaß – Wir lebten wie die Engel, da wir fünfzig Meilen weit von einander waren.

      Dorsigny. Still! Da kommt meine Schwester!

      Vierter Auftritt.

      Vorige. Frau von Mirville.

      Fr. v. Mirville. Ah! Sind Sie es? Sei'n Sie von Herzen willkommen!

      Dorsigny. Nun, das ist doch ein herzlicher Empfang!

      Fr. v. Mirville. Das ist ja recht schön, daß Sie uns so überraschen! Sie schreiben, daß Sie eine lange Reise vorhätten, von der Sie frühestens in einem Monat zurück sein könnten, und vier Tage darauf sind Sie hier.

      Dorsigny. Geschrieben hätt' ich und an wen?

      Fr. v. Mirville. An meine Tante! (Sieht den Champagne, der seinen

      Mantel ablegt.) Wo ist denn aber Herr von Lormeuil?

      Dorsigny. Wer ist der Herr von Lormeuil?

      Fr. v. Mirville. Ihr künftiger Schwiegersohn.

      Dorsigny. Sage mir, für wen hältst du mich?

      Fr. v. Mirville. Nun, doch wohl für meinen Onkel!

      Dorsigny. Ist's möglich! Meine Schwester erkennt mich nicht!

      Fr. v. Mirville. Schwester? Sie – mein Bruder?

      Dorsigny. Ich – dein Bruder.

      Fr. v. Mirville. Das kann nicht sein. Das ist nicht möglich. Mein Bruder ist bei seinem Regiment zu Straßburg, mein Bruder trägt sein eigenes Haar, und das ist auch seine Uniform nicht – und so groß auch sonst die Aehnlichkeit-Dorsigny. Eine Ehrensache, die aber sonst nicht viel zu bedeuten haben wird, hat mich genöthigt, meine Garnison in aller Geschwindigkeit zu verlassen; um nicht erkannt zu werden, steckte ich mich in diesen Rock und diese Perrücke.

      Fr. v. Mirville. Ist's möglich? – O so laß dich herzlich umarmen, lieber Bruder – Ja, nun fange ich an, dich zu erkennen! Aber die Aehnlichkeit ist doch ganz erstaunlich.

      Dorsigny. Mein Onkel ist also abwesend?

      Fr. v. Mirville. Freilich, der Heirath wegen.

      Dorsigny. Der Heirath? – Welcher Heirath?

      Fr. v. Mirville. Sophiens, meiner Cousine.

      Dorsigny. Was hör' ich? Sophie soll heirathen?

      Fr. v. Mirville. Ei freilich! Weißt du es denn nicht?

      Dorsigny. Mein Gott! Nein!

      Champagne (nähert sich). Nicht ein Wort wissen wir.

      Fr. v. Mirville. Herr von Lormeuil, ein alter Kriegskamerad des Onkels, der zu Toulon wohnt, hat für seinen Sohn um Sophien angehalten – Der junge Lormeuil soll ein sehr liebenswürdiger Mann sein, sagt man; wir haben ihn noch nicht gesehen. Der Onkel holt